Schriftsteller

Johannes Bobrowski und der sarmatische Traum

59:09 Minuten
Blick über die Landschaft am ehemaligen Friedrichsgraben, heute Polesskij Kanal, bei Polessk, früher Labiau, am 02.09.2002. Pollesk liegt heute im zu Russland gehörenden Kaliningrader Gebiet - im früheren Ostpreußen.
Landschaft im früheren Ostpreußen, auch Sarmatien genannt: die Region um Polessk liegt heute im zu Russland gehörenden Kaliningrader Gebiet. © picture alliance / dpa / Tom Schultze / Transit
Von Helmut Böttiger |
Audio herunterladen
Der Schriftsteller Johannes Bobrowski benutzte für die Region vom früheren Ostpreußen bis zum Baltikum das alte Wort Sarmatien. Sie war für ihn ein Sehnsuchtsraum und ein Gegenbild zu seiner DDR-Existenz.
Für Johannes Bobrowski, der vor 100 Jahren in Tilsit geboren wurde, waren die weiten östlichen Landschaften seiner Heimat, vom früheren Ostpreußen über das Memelland bis zu den baltischen Regionen, ein Sehnsuchtsraum. Bobrowski, der bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1965 eine solitäre Existenz in der DDR führte, benutzte dafür das alte Wort Sarmatien. Dieses Vielvölkergebiet - "und mitten unter allen die Judenheit" - war gleichzeitig erfüllt von den historischen Verbrechen der Deutschen und den Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend.
Und obwohl Bobrowski im Ostberliner Stadtteil Friedrichshagen, im Windschatten des Müggelsees, von den zeitgenössischen literarischen Strömungen fast abgeschottet schien, wirken seine Gedichte und Erzählungen auch heute noch zeitlos und kühn mit ihrer verblüffenden Mischung aus wuchtiger Archaik und einer bis ins Äußerste getriebenen Moderne. Bobrowski gab Klopstock als seinen Lehrmeister an, und er selbst spielte auf der Orgel am liebsten Pachelbel, Buxtehude und Bach - doch die jungen Wilden aus der Gruppe 47 pilgerten Anfang der 60er-Jahre zu ihm und wollten etwas von seiner spröden, dunklen, zwischen Hermetik und suggestivem Traum schwingenden Lyrik lernen.
Mehr zu Bobrowski und Menschen aus dem früheren Ostpreußen