Ulrich Wickert erklärt Frankreich

Warum es Deutschlands Dichtern in Paris so französisch wird

Georg Stefan Troller, Hotel an der Place Contrescarpe, frühe 1950er-Jahre.
Georg Stefan Troller, Hotel an der Place Contrescarpe, frühe 1950er-Jahre. © DLA Marbach / © Verlagshaus Römerweg Wiesbaden
Moderation: Andrea Gerk |
Warum übt Paris seit jeher eine derart faszinierende Wirkung auf deutsche Literaten aus? Dieser Frage geht das Literaturmuseum der Moderne in Marbach nach. Der Journalist und Publizist Ulrich Wickert hat sich die Ausstellung angesehen.
Es ist ein Versuch, eine Liebe nachzuvollziehen, was das Marbacher "Literaturmuseum der Moderne" da gerade macht: In einer Ausstellung "Die Erfindung von Paris" illustriert das Haus die Liebe vieler deutscher Literaten zu Paris. Der Journalist und langjährige Frankreich-Korrespondent Ulrich Wickert geht für seine Erklärung der Liebe der deutschen Intellektuellen zu Paris sehr weit zurück bis in die Aufklärung:
"Paris war das Zentrum der europäischen Kultur. Da zog es alle hin. Es gibt diese wunderbare Geschichte: Es kommt die Revolution, dann kommt Napoleon und dann trifft Goethe auch Napoleon und Napoleon macht ihn zum Chevalier de la Légion d'Honneur, also zum Ritter der Ehrenlegion, aber dann kriegt Goethe hinterher heraus, dass Schiller Offizier der Ehrenlegion geworden ist, also ein Grad mehr. Das hat Goethe maßlos geschmerzt, und Schiller war dann auch nachher sogar Ehrenbürger der französischen Revolution. Also das ist das ganz Große für die deutschen Dichter damals gewesen."

Und die Ursache für all das: die Religion

Und für Wickert liegt die Erklärung für die Haltbarkeit dieser Liebe und Leidenschaft für Frankreich und für Paris bei den deutschen Dichtern und Intellektuellen in der französischen Identität:
"Der berühmte französische Historiker Fernand Braudel hat sein Alterswerk genannt 'L'identité de la France' und beschreibt darin die Identität Frankreichs, die eben ganz stark auf ihrer Sprache basiert und auf ihrer Kultur und auch auf der Literatur, und er macht da den Unterschied zu den Deutschen, indem er sagt: Die Franzosen sind ein katholisches Land und sie legen in erster Linie Wert auf das Kulturelle, und die Deutschen sind ein protestantisches Land und die haben den Kapitalismus erfunden, die legen den ersten Wert auf die Wirtschaft. Und das stimmt heute immer noch."
Jeder fand sein ganz eigenes Paris
Der Autor und Publizist Ulrich Wickert
Der Autor und Publizist Ulrich Wickert© picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
Wickert betont, dies erkenne man auch sehr deutlich daran, wie Künstler und Intellektuelle in der Gesellschaft behandelt werden und wie ihnen zugehört werde und ihnen auch von der Politik Achtung entgegengebracht werde.
Mit dem Titel "Die Erfindung von Paris" nehme das Haus in Marbach Bezug darauf, dass viele Autoren und Fotografen nicht einfach nur begeistert waren von Paris, sondern dass sie ihr ganz eigenes Paris entdeckt haben, meint Wickert.
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