Lorenz Jäger: Walter Benjamin. Das Leben eines Unvollendeten
Rowohlt Verlag, 400 Seiten, 26,95 Euro
Erlösung und Klassenkampf
Walter Benjamin dachte gegen die Entzauberung der Welt an und verzweifelte an den politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Der frühere FAZ-Redakteur Lorenz Jäger hat ein Buch über Benjamin geschrieben: "Das Leben eines Unvollendeten."
Einem ungewöhnlichen, kreativen und gleichzeitig schwer fassbaren Philosophen und Kulturtheoretiker widmet sich Lorenz Jäger in seinem Buch: "Walter Benjamin. Das Leben eines Unvollendeten".
Ein "Unvollendeter" sei der 1892 in Berlin als Sohn eines jüdischen Antiquitäten- und Kunsthändlers geborene Walter Benjamin allein schon durch seinen frühen Tod durch Selbstmord 1940, so Jäger im Deutschlandradio Kultur. Aber auch in dem Sinne, dass es in dessen Leben "keine Rundung" gebe - und sich der Denker letztlich nur schwer verorten lässt.
Ihn als Theoretiker der Frankfurter Schule zu betrachten, geht Jäger zufolge nicht ganz auf. Benjamin wollte Transzendenz und das Göttliche mitdenken. "Das Komische ist, dass er aber dabei glaubt, Materialist zu sein. Und das ist er in gewisser Weise auch."
Motor der Geschichte: Klassenkampf
In seinen letzten Thesen über den Begriff der Geschichte habe Benjamin deutlich gemacht, dass er den Klassenkampf, "und zwar in der härtesten Rhetorik, die man sich denken kann, für den Motor der Geschichte und eigentlich für das Vehikel der Erlösung geradezu hält".
Gleichzeitig war Benjamin stets der Verteidiger einer verzauberten Welt. Das für ihn wahrscheinlich wichtigste Bild war der Engel, vor allem verkörpert durch Paul Klees Bild, "Angelus Novus", das Benjamin 1921 gekauft hatte. "Der Engel ist immer eine suggestive Projektionsfigur, in die er alles mögliche hereindeutet. Der Engel spielt eine Rolle in einer Liebesgeschichte, und die Zeitschrift, die er plante, sollte so heißen. Das heißt, über 20 Jahre hin gibt es immer wieder Beschäftigung mit diesem Engel."
Der Fortschrittsglaube ist dahin
Als "Engel der Geschichte" ist er der Vergangenheit zugewandt: Damit verkörpert er die Intuition des 20. Jahrhunderts, "dass der Fortschrittsglaube dahin ist", sagt Jäger. "Marx im 19. oder die Sozialdemokratie, die konnten eben noch sagen: irgendwann wird das so sein, wie wir uns das vorstellen, wie wir das extrapolieren aus dem Geschichtsgang."
Benjamin selbst sei 1940 an einem Punkt angelangt gewesen, "wo man sich fragen kann: wie hätte er überhaupt noch weitermachen können?", so der frühere FAZ-Redakteur. "Er hatte auf der einen Seite mit dem Stalinismus, mit der kommunistischen Partei und allem, was damit zusammenhängt, gebrochen seit dem Hitler-Stalin-Pakt, der ihn erschüttert hat." Allerdings habe Benjamin immer noch an den Klassenkampf geglaubt, und damit sei ihm der Weg zur bürgerlichen Demokratie verstellt gewesen.