Piraterie im Zeichen der guten Sache
Die Betreiber der "Schattenbibliothek" Sci-Hub haben rund 50 Millionen wissenschaftliche Aufsätze frei ins Netz gestellt – die eigentlich teuer bezahlt werden müssten. Die Aussichten für die geschädigten Wissenschaftsverlage, das Treiben zu stoppen, seien gering, meint der Soziologe Ulrich Herb.
Gewöhnliche Kriminelle oder moralisch integre Helden mit Robin-Hood-Haltung im Kampf für eine gerechtere Welt? Die klassische Robin-Hood-Frage stellt sich auch bei den Betreibern der Plattform Sci-Hub rund um die kasachische Wissenschaftlerin Alexandra Elbakyan.
Die sogenannte "Schattenbibliothek" ist eine gigantische Piratenseite, die an die 50 Millionen normalerweise teuer zu erwerbende wissenschaftliche Aufsätze frei ins Netz gestellt hat. Der große Wissenschaftsverlag Elsevier, wegen seiner hohen Preise in den letzten Jahren zunehmend in der Kritik, hat in den USA vor kurzem eine Klage gegen Sci-Hub eingereicht. Es geht um Milliarden Dollar - die Sci-Hub vermutlich nie zahlen wird.
Die Aussichten der Wissenschaftsverlage, das Treiben von Sci-Hub zu stoppen, sei gering, sagte der auf Open-Science-Fragen spezialisierten Soziologe und Bibliothekswissenschaftler Ulrich Herb im Deutschlandradio Kultur. Denn die Server, die Sci-Hub nutzt, stehen in Russland, und sind dort weitgehend vor dem Zugriff der US-Justiz geschützt.
Wissenschaft muss für alle frei verfügbar sein, meint Sci-Hub
Sci-Hub verteidigt sein Handeln nicht mit juristischen, sondern mit moralischen Argumenten: Wissenschaft müsse für alle frei verfügbar sein – gerade in Entwicklungsländern hätten Forscher gar nicht die Mittel, die für ihre Forschungen nötige Literatur auf legalem Wege zu bekommen. Ein Großteil der wissenschaftlichen Community sieht das offenbar genauso. Die Plattform funktioniere so gut, weil sie von vielen Wissenschaftlern überall auf der Welt unterstützt werde, erläuterte Herb.
Auch Ärger über die Wissenschaftsverlage könnte eine der Triebfedern dafür sein. Diese strichen Gewinnmargen von 30 oder 40 Prozent im Jahr ein, während die Arbeit nur von den Wissenschaftlern gemacht werde. Die großen Verlage seien oft Aktienunternehmen, so Herb – und wollen mit Rendite ihre Aktionäre glücklich machen.
Zumindest eine Antwort auf die Open-Access-Bewegung haben die profitorientierten Verlage inzwischen gefunden. Texte stellen sie nun umsonst zur Verfügung – verlangen aber Geld für die Veröffentlichung vom Autor. Hier könnten schnell einige Tausend Dollar fällig werden, erläuterte Herb.