Thomas von Steinaecker / Barbara Yelin: Der Sommer ihres Lebens
Reprodukt-Verlag, Berlin 2017
80 Seiten, 20 Euro
Das traurige Glück der Erinnerung
Wo lassen sich Erinnerungen auf der Zeit-Raum-Achse eigentlich verorten? Die 80-jährige Astrophysikerin Gerda durchstreift die prägendsten Erinnerungen ihres Lebens und schenkt sich selbst damit den Sommer ihres Lebens. Eine anrührende und tiefsinnige Graphic Novel.
Worum geht es?
Ich verschenke dieses Jahr den Comicband "Der Sommer ihres Lebens" von Thomas von Steinaecker und Barbara Yelin.
Da geht es um die Astrophysikerin Gerda. Früher war sie eine geniale Wissenschaftlerin, jetzt ist sie 80 Jahre alt, lebt im Altersheim – und für sie verschwindet so langsam die Welt, sogar das, was sie immer am besten konnte: mit Zahlen umgehen. In dieser Situation – des Verschwindens – schenkt sie sich selbst so etwas wie den Sommer ihres Lebens, indem sie sich erinnert – an besondere Momente ihres Lebens: wie sie mit ihrem Vater im Sommer stundenlang in den Sternenhimmel geschaut hat, wie sie in der Astrophysik ihre Welt gefunden hat, wie sie den Mann ihres Lebens getroffen – und wieder verloren hat, also alles, was ihr Leben geprägt hat.
Was ist das Besondere?
Besonders begeistert mich an diesem Comicband, wie stark die Zeichnerin Barbara Yelin einzelne Momente dieser Geschichte macht.
Es gibt Bilder, die haben oft eine ganz leichte, schwebende Atmosphäre, wenn sie glückliche Episoden zeichnet - dann bricht ein Licht ein in diese Bilder, so ein flirrendes, strahlendes Licht wie auf einem impressionistischen Gemälde, ein Licht, dem man sich kaum entziehen kann.
Und es gibt eine ganz beeindruckende Bilderfolge, der Höhepunkt der Liebesgeschichte: Da ist Gerda mit ihrem Geliebten Peter im Bett. Und weil sie ja Physikerin ist, kann sie womöglich die Zeit anhalten, sie tut das jedenfalls. Und dann löst sich alles so auf, sie, der Geliebte, das Bett, der Raum, das fängt alles an zu schweben, das hebt alles ab, wie in einem Schneeschauer sich auflösender Zeit. Und da wird einem so klar, wie schön so ein Moment sein kann, aber auch wie unheimlich, weil man sich ja selbst auflöst in so einem Moment ekstatischer Verliebtheit.
Wem wollen Sie es denn schenken – und warum?
Schenken werde ich das meiner 14-jährigen Tochter, weil die ein großes Faible für Comics hat, weil sie immer ganz andere Sachen in solchen Büchern entdeckt als ich selbst - insofern auch ein Geschenk an mich selbst. Und weil in diesem Buch so klug von den Irrwegen und der Freude im Leben einer Frau erzählt wird – ich glaube, das könnte meiner Tochter gefallen.