Zartes und Monumentales
Das Stück "Am Anfang" inszeniert Texte aus dem Alten Testament. Dazu hat der Maler Anselm Kiefer mit einer Installation aus Türmen, Staub und Blei ein monströses Bühnenbild errichtet. Der Musiker Jörg Widmann versucht, dem Trümmerfeld unterschiedliche Klangfarben entgegenzusetzen.
Anselm Kiefer: "Ich hab immer Opern gehört und Sinfonien und Kammermusik, ich hab mich sehr dafür interessiert. Aber man hat mir als Kind beigebracht, ich bin völlig unmusikalisch. Ich glaub schon, dass ich nicht besonders begabt bin. Aber ich konnte mit dem Komponisten sehr gut zusammenarbeiten. Ich hab eigentlich erst zugesagt zu dem Stück, als ich ihn kennengelernt hatte. Ich hab gedacht, mit ihm kann ich ein Stück machen, das Sinn macht."
"Lasst uns das Wort der Propheten Jesaja und Jeremia hören",
heißt es in dem Prolog, den Anselm Kiefer für "Am Anfang" geschrieben hat. Und weiter:
"Aus jener Zeit, im 7. und 6. Jahrhundert vor Jesus Christus, als das auserwählte Volk von den großen Mächten des fruchtbaren Halbmondes, Ägypten und Mesopotamien gebeutelt wurde, als Gott ein schrecklicher, willkürlicher, unerklärlich grausamer Gott zu sein schien."
Auf die Wortgewalt von Kiefers Prolog antwortet Jörg Widmann mit einem kaum hörbaren, verhaltenen musikalischen Anfang.
Jörg Widmann: "Meine Reaktion darauf war eben die, ins ganz Kleine zu gehen, ganz zurückzugehen auf den Urstoff Klang. Deshalb ist ja dieser monumentale Anfang mit diesem Text, also das 6. Jahrhundert vor Christus, die Prophetentexte etc. (...) Und das, was da kommt, das ist ja ganz dünn und schmal und das ist eben nicht tutti, sondern es sind drei Instrumente, drei Instrumente, deren Klangquelle ganz schwer zu orten ist: Klarinette, also mein eigenes Instrument, Glasharmonika und Akkordeon. Das ist ganz schwer im Saal zu orten, wo die jetzt sitzen. Also was ganz Zartes wird diesem ganz Monumentalen entgegengesetzt.
Dem langsam entstehenden Klangfeld entspricht visuell ein Trümmerfeld. Zwölf ruinöse Betontürme, wie sie Kiefer auf seinem Ateliergelände in Südfrankreich gebaut hatte, wurden aus Polystyren für die Opernbühne nachgebaut. In der Mitte liegt ein monumentales bleiernes Buch. Grauer Ascheregen rieselt auf die Ruinenlandschaft.
Anselm Kiefer: "Im ganzen Alten Testament ist der Anfang immer ein Ende. Weil der rächende bösartige Gott zerstört ja immer sein Volk und lässt immer nur einen ganz kleinen Rest übrig. Das fängt ja schon an mit Noah, mit der Arche Noah. Er lässt also immer nur einen kleinen Rest übrig, der sich dann wieder weiter vermehrt, und dann werden die wieder zerstört. Es ist also ein andauerndes Auf und Ab. Es ist nicht so wie in der christlichen Religion, wo's immer die Linie hinaufgeht bis zum Paradies und dann die Geschichte aufhört, sondern in dem Alten Testament - und deswegen fasziniert mich das so - ist das immer eine Kreisbewegung. Aus dem ganz kleinen Anfang entsteht wieder eine neue Welt."
Trümmerfrauen in grauen Gewändern schichten auf beiden Seiten der Bühne langsam Steine zu neuen Mauern aufeinander, während zwei biblische Frauengestalten zwischen den ruinösen Türmen umherirren: Lilith und Schechina - Figuren der jüdischen Mythologie, die in Kiefers Werk - in Bilderzyklen und Installationen - schon seit langem wichtige Rollen spielen. Mit dem Musikstück "Am Anfang" erweist sich Anselm Kiefer also einmal mehr als intellektueller Mystiker, als lesender Künstler und Mythenerforscher, einer, der - so hat es der Kunsthistoriker Werner Spies einmal formuliert - "seine Zeit mit der störenden moralischen Botschaft vom Ruinösen und Vergänglichen konfrontiert".
Kiefer: "Also ich bin kein politischer Künstler, wenn man so will. Aber wenn man sich mit der Geschichte beschäftigt, dann beschäftigt man sich automatisch auch mit der Zukunft, und das geht dann in die Politik hinein. Ich bin nicht politisch, aber es wirkt sich immer politisch aus. Automatisch. Also zum Beipiel hab ich ja vor Jahren, bevor das World Trade Center zusammengebrochen ist, hab ich ein Bild gemacht, wo ein Flugzeug in so Wolkenkratzer hineinfährt. Also das fasse ich nicht als Prophetie auf, aber man kann ja nicht umhin, dass das, was man macht, dann in der Zukunft Folgen hat."
Insofern könnte auch "Am Anfang" ein Stück sein, das in die Zukunft weist. Denn die ruinöse Monumentalität von Kiefers Kunst gewinnt durch die Musik von Jörg Widmann eine neue, fast schon hoffnungsvolle Dimension.
"Lasst uns das Wort der Propheten Jesaja und Jeremia hören",
heißt es in dem Prolog, den Anselm Kiefer für "Am Anfang" geschrieben hat. Und weiter:
"Aus jener Zeit, im 7. und 6. Jahrhundert vor Jesus Christus, als das auserwählte Volk von den großen Mächten des fruchtbaren Halbmondes, Ägypten und Mesopotamien gebeutelt wurde, als Gott ein schrecklicher, willkürlicher, unerklärlich grausamer Gott zu sein schien."
Auf die Wortgewalt von Kiefers Prolog antwortet Jörg Widmann mit einem kaum hörbaren, verhaltenen musikalischen Anfang.
Jörg Widmann: "Meine Reaktion darauf war eben die, ins ganz Kleine zu gehen, ganz zurückzugehen auf den Urstoff Klang. Deshalb ist ja dieser monumentale Anfang mit diesem Text, also das 6. Jahrhundert vor Christus, die Prophetentexte etc. (...) Und das, was da kommt, das ist ja ganz dünn und schmal und das ist eben nicht tutti, sondern es sind drei Instrumente, drei Instrumente, deren Klangquelle ganz schwer zu orten ist: Klarinette, also mein eigenes Instrument, Glasharmonika und Akkordeon. Das ist ganz schwer im Saal zu orten, wo die jetzt sitzen. Also was ganz Zartes wird diesem ganz Monumentalen entgegengesetzt.
Dem langsam entstehenden Klangfeld entspricht visuell ein Trümmerfeld. Zwölf ruinöse Betontürme, wie sie Kiefer auf seinem Ateliergelände in Südfrankreich gebaut hatte, wurden aus Polystyren für die Opernbühne nachgebaut. In der Mitte liegt ein monumentales bleiernes Buch. Grauer Ascheregen rieselt auf die Ruinenlandschaft.
Anselm Kiefer: "Im ganzen Alten Testament ist der Anfang immer ein Ende. Weil der rächende bösartige Gott zerstört ja immer sein Volk und lässt immer nur einen ganz kleinen Rest übrig. Das fängt ja schon an mit Noah, mit der Arche Noah. Er lässt also immer nur einen kleinen Rest übrig, der sich dann wieder weiter vermehrt, und dann werden die wieder zerstört. Es ist also ein andauerndes Auf und Ab. Es ist nicht so wie in der christlichen Religion, wo's immer die Linie hinaufgeht bis zum Paradies und dann die Geschichte aufhört, sondern in dem Alten Testament - und deswegen fasziniert mich das so - ist das immer eine Kreisbewegung. Aus dem ganz kleinen Anfang entsteht wieder eine neue Welt."
Trümmerfrauen in grauen Gewändern schichten auf beiden Seiten der Bühne langsam Steine zu neuen Mauern aufeinander, während zwei biblische Frauengestalten zwischen den ruinösen Türmen umherirren: Lilith und Schechina - Figuren der jüdischen Mythologie, die in Kiefers Werk - in Bilderzyklen und Installationen - schon seit langem wichtige Rollen spielen. Mit dem Musikstück "Am Anfang" erweist sich Anselm Kiefer also einmal mehr als intellektueller Mystiker, als lesender Künstler und Mythenerforscher, einer, der - so hat es der Kunsthistoriker Werner Spies einmal formuliert - "seine Zeit mit der störenden moralischen Botschaft vom Ruinösen und Vergänglichen konfrontiert".
Kiefer: "Also ich bin kein politischer Künstler, wenn man so will. Aber wenn man sich mit der Geschichte beschäftigt, dann beschäftigt man sich automatisch auch mit der Zukunft, und das geht dann in die Politik hinein. Ich bin nicht politisch, aber es wirkt sich immer politisch aus. Automatisch. Also zum Beipiel hab ich ja vor Jahren, bevor das World Trade Center zusammengebrochen ist, hab ich ein Bild gemacht, wo ein Flugzeug in so Wolkenkratzer hineinfährt. Also das fasse ich nicht als Prophetie auf, aber man kann ja nicht umhin, dass das, was man macht, dann in der Zukunft Folgen hat."
Insofern könnte auch "Am Anfang" ein Stück sein, das in die Zukunft weist. Denn die ruinöse Monumentalität von Kiefers Kunst gewinnt durch die Musik von Jörg Widmann eine neue, fast schon hoffnungsvolle Dimension.