Zoe Beck und ihr neuer Roman

Drogendealer in den Zeiten des Brexit

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Die Schriftstellerin Zoe Beck im Studio von Deutschlanfunk Kultur © Deutschlandradio/Karoline Scheer
Moderation: Christine Watty |
Zoe Beck beschreibt in ihrem Thriller "Die Lieferantin" ein London nach dem Brexit. Gerne hätte sie sich die Arbeit gemacht, den Roman umzuschreiben, doch leider sei der Brexit nun Realität, sagt Beck, die für ihre Recherche in das Darknet eintauchte.
Wohl noch nie hat sich die Autorin Zoe Beck so sehr gewünscht, sie müsse nachträglich noch Änderungen an ihrem Roman-Manuskript vornehmen, wie bei ihrem neuesten Werk, dem Post-Brexit-Thriller "Die Lieferantin". Beck, die viele englische Freunde hat, sagt:
"Ich kenne niemanden, der glücklich darüber ist in meinem persönlichen Umfeld. Und die, mit denen ich gesprochen habe, die glücklich darüber sind, die haben sehr krude Ansichten. Ich wünschte, ich würde mal ein paar Leute kennenlernen, die irgendwo dazwischen sind und mir das erklären können. Ich habe leider noch niemanden getroffen. Und das macht mir eben tatsächlich große Sorge."

Das Szenario ist leider eingetroffen

Und sie selbst hätte sich sehr gewünscht, mit dem im Roman beschriebenen Szenario daneben zu liegen. Aber das sei leider nicht der Fall – "und da dann so ein paar Jahre in die Zukunft zu gehen und einfach die Dinge noch mal zu verstärken, was die Ausländerfeindlichkeit angeht, was die Feindlichkeit gegenüber Obdachlosen, gegenüber sozial Schwächeren angeht und dieser EU-Hass, da musste ich nicht besonders viel an der Schraube drehen."
In ihrem Buch, das in London nach dem vollzogenen Brexit spielt, geht es um ein neues Referendum der Regierenden – den Druxit, den Ausstieg aus den Drogen und den rigorosen Verbot von Drogenkonsum und –handel. Eine Drogendealerin handelt per App mit Heroin und anderen Dingen und liefert diese per Drohne. Sie gerät damit ins Visier der Fahnder, aber auch der konkurrierenden Unterwelt.
Was sie bei ihren Recherchen über das Darknet für den Roman am meisten fasziniert habe:
"Dass es aufgebaut ist wie zum Beispiel ein Ebay oder ein Dawanda, also wie ein ganz normaler Shop, wo es verschiedene Anbieterinnen, Anbieter gibt. Und da kann man dann auch Kundenrezensionen abgeben und sich mit anderen austauschen, wie fandest du es, als du da eingekauft hast, und, ach, die sind ja doof, die liefern da nicht rechtzeitig."
Das habe so eine seltsame, etwas verstörende Normalität.

Das Interview im Wortlaut:

Christine Watty: Während wir noch überlegen, wie die immer mehr technologisierte Welt unser Alltagsleben bequemer macht und wie wir das eigentlich finden, hat die preisgekrönte Schriftstellerin Zoe Beck längst weitergedacht. Auch der Drogenhandel könnte Vorteile haben, und so entwarf sie für ihren neuen Krimiroman "Die Lieferantin" das perfekte Startup. Über eine App bestellt man dort Drogen höchster Qualität. Ausgeliefert wird der Stoff dann per Drohne. Das ist natürlich supersicher, superanonym und vor allem zeitgenau und punktgenau organisierbar.
Das ist also möglich in einem bisher noch fiktiven London der Zukunft, das Beck beschreibt und in dem der neue Roman stattfindet. Und ich freue mich sehr, dass Zoe Beck heute bei uns zu Gast ist. Schönen guten Morgen, herzlich willkommen!
Zoe Beck: Guten Morgen, ich freue mich auch sehr.
Watty: Ohne zu viel zu verraten, kann ich schon sagen, da auch am Ende der Drohnenwege und des Drogenhandels Menschen sitzen, ist auch der sehr moderne Drogenhandel per App nicht ungefährlich. Mindestens die Traditionalisten finden, so geht das nicht, das Geschäftsmodell samt der Erfinderin sollte sterben. Und das fand ich fast lustig, weil sich so auch in diesem Bereich in Ihrem Buch die alte Schule gegen die neuen technischen Entwicklungen durchsetzt, also wurscht, ob es am Ende um Zeitungsverlage geht oder um Drogendealer, alle müssen mit der Zeit, mit der neuen Zeit klarkommen und schaffen es eben aber gar nicht so schnell, wie sich die Dinge verändern. Ist das tatsächlich auch eine Botschaft Ihrer Geschichte?

Wie ein ganz normaler Shop

Beck: Ich habe einfach das abgebildet, was natürlich so jetzt um mich herum auch geschieht. Aber die alte Garde versucht es ja auch im Internet. Und die haben ja dann auch im Darknet so ihre Shops. Aber die einen verstehen es eben besser und haben die besseren Marketingleute und die anderen eben nicht so. Und was ich daran eben so faszinierend fand, als ich mir das im Darknet tatsächlich angeschaut habe, dass es aufgebaut ist wie zum Beispiel ein Ebay oder ein Dawanda, also wie ein ganz normaler Shop, wo es verschiedene Anbieterinnen, Anbieter gibt. Und da kann man dann auch Kundenrezensionen abgeben und sich mit anderen austauschen, wie fandest du es, als du da eingekauft hast, und, ach, die sind ja doof, die liefern da nicht rechtzeitig.
Dass da so eine seltsame Normalität dann auch mit dabei war. Und das hat mich dann wiederum fasziniert. Und eigentlich dann an Drohnenlieferung zu denken, was ja ohnehin schon diskutiert wird, natürlich für andere Dinge als für Drogen, das war der natürliche nächste Schritt.
Watty: Das ist echt interessant, weil wirklich diese Gegensätze immer so ähnlich sind. Also die einen sitzen irgendwie vor ihrer Plattform im Internet und kaufen dort Drogen oder eben Bücher oder irgendwas, und die anderen stehen im Park unterm Baum oder verstecken sich irgendwo, so, wie es früher war und jetzt natürlich immer noch ein bisschen ist. Diese ganze Geschichte haben Sie in das Post-Brexit-London versetzt, also das London nach dem Brexit, das schon existiert, aber Sie sind noch ein bisschen weiter in die Zukunft gegangen. Und Sie haben den Menschen dort noch ein neues Referendum übergeholfen, den Druxit. Die Leute sollen weg von den Drogen?
Beck: Ja. Ich habe mir eine konservative Regierung ausgedacht, was ja nun auch nicht so weit von der Realität entfernt ist. Ich nenne da keine Parteien, weil an Frankreich sieht man ja auch, was noch alles geschehen kann, womit man nie gerechnet hat oder noch vor wenigen Jahren nicht gerechnet hätte. Und diese sehr konservative Regierung merkt natürlich, wie sehr Menschen emotional beeinflussbar sind, und sagen sich dann, ach, so ein Referendum ist doch eine Supersache, die haben dann das Gefühl, sie machen was total Demokratisches, und wir lenken das dann so im Hintergrund so ein bisschen.

Das Ziel: eine drogenfreie Gesellschaft

Und das Ziel ist, eine möglichst drogenfreie Gesellschaft zu haben mit ganz starken Restriktionen. Wer Drogen nimmt, bekommt keinen Versicherungsschutz mehr, keine Krankenversicherung mehr, hat Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden oder Arbeit zu finden, weil es gibt dann ein nationales Melderegister für diese Leute. Es wird also gar nicht als Krankheit behandelt, sondern wirklich als bösartige, egoistische Straftat. Und da sollen jetzt die Menschen drüber abstimmen, und es gibt natürlich eine ganz starke Gegenbewegung, die sagt, so geht das natürlich nicht.
Und nachdem das Brexit-Referendum ja schon Ergebnisse gebracht hat, die sehr oder fast ausschließlich von Emotionen geleitet waren, sagt sich die Regierung, das wird schon in unserem Sinne dann sein. Was wirklich dahinter steckt, welche Absichten die wirklich haben, sind natürlich ganz andere, sicherlich nicht die Volksgesundheit.
Watty: Wenn man diese Geschichte in die Realität spiegelt, dann muss man sich so vor einer komplett drogenfreien Welt, falls man sich darüber Sorgen macht, keine Sorgen machen. Die Drogenpolitik geht eher in eine andere Richtung. Allerdings, die Sache mit dem Brexit ist ja tatsächlich schon passiert. Was beunruhigt Sie selbst mehr? Diese Post-Brexit-Welt, die Sie schon mal weiter skizzieren und die relativ düster daherkommt, oder tatsächlich ein noch restriktiverer Umgang mit Drogen?
Beck: Nein, ich glaube, da gibt es ja tatsächlich ein Umdenken auf der ganzen Welt. Die Stimmen, dass der War on drugs nichts bringt, nichts gebracht hat, eigentlich nur zum Gegenteil geführt hat, die werden ja auch immer lauter, und ich hoffe, dass das nicht nur eine Tendenz ist, sondern dass da jetzt auch weltweit andere Beschlüsse gefasst werden.
Die Post-Brexit-Ära macht mir sehr viel mehr Sorgen. Ich weiß jetzt nicht, und das wissen andere Menschen, die viel mehr Ahnung davon als ich, auch nicht, wie diese Verhandlungen in den nächsten zwei Jahren überhaupt vonstatten gehen sollen, also wie das überhaupt möglich sein soll. Was ich bisher in Großbritannien mitbekommen habe, ich kenne niemanden, der glücklich darüber ist, also in meinem persönlichen Umfeld. Und die, mit denen ich gesprochen habe, die glücklich darüber sind, die haben sehr krude Ansichten.
Ich wünschte, ich würde mal ein paar Leute kennenlernen, die irgendwo dazwischen sind und mir das erklären können. Ich habe leider noch niemanden getroffen. Und das macht mir eben tatsächlich große Sorge.
Watty: Das heißt, wie die Situation für Kulturschaffende zum Beispiel in London ist, wissen Sie da oder haben Sie da schon mehr erfahren?
Beck: Die wissen es ja selber nicht, aber da sind viele, die wieder zum Beispiel zurückgezogen sind, oder die dann sagen, wir wissen nicht mehr, wie die Finanzierung weiter aussehen soll, weil wir haben zu einem ganz großen Teil EU-Förderungen bekommen. Also da ist im Moment tatsächlich ganz große Ratlosigkeit.
Watty: Interessant an dem Buch ist ja, dass Sie die Drogenproblematik, da haben Sie viel recherchiert und die verschiedenen Entwicklungen, die Sie da zusammengebracht haben, das ist das eine, ein großer Rechercheanteil, die Brexit-Geschichte ist auf einmal Realität geworden. Wie haben Sie diese beiden Teile zusammengebracht?

Hass gegen Ausländer, EU und Obdachlose

Beck: Ich hab das noch relativ zeitig vor der Drucklegung dann auch beendet. Und da war dann auch klar, dass es kein Zurück vom Brexit, keinen Exit vom Brexit mehr gibt. Da musste ich mir dann weniger sorgen. Ich hab mir das so gewünscht, dass ich wirklich einen totalen Blödsinn geschrieben habe mit dem Brexit, und dass ich es zurücknehmen muss und das Buch umschreiben muss.
Aber es ist halt leider nicht geschehen, und da dann so ein paar Jahre in die Zukunft zu gehen und einfach die Dinge noch mal zu verstärken, die im Moment auch, was die Ausländerfeindlichkeit angeht, was die Feindlichkeit gegenüber Obdachlosen, gegenüber sozial Schwächeren angeht und dieser EU-Hass, das musste ich einfach nur, da musste ich nicht besonders viel an der Schraube drehen. Da habe ich mir die Beispiele rausgesucht, die ich dann schon kannte und selbst erlebt habe und eben zusammengefasst.
Und das Drogenthema interessiert mich leider schon sehr lange, eben aus dem persönlichen Umfeld. Da gab es schon immer ein paar Fälle, und das ist was, was sich dann auch noch mal intensiviert hat in letzter Zeit mit der Recherche.
Watty: Aber es ist interessant, habe ich noch gar nicht bedacht, dass es hätte sein können, dass auch die Brexit-Geschichte eine vollkommen fiktive Idee ist, und jetzt hat sich alles gedreht.
Beck: Ich habe es mir gewünscht, ja.
Watty: Danke schön an Zoe Beck. Ihr neuer Roman "Die Lieferantin" ist gerade bei Suhrkamp erschienen, und ich bedanke mich sehr, dass Sie Zeit für uns hatten hier in "Studio 9"!
Beck: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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