Anti-Nazi-Proteste

Kommune zwischen den Stühlen

Von Philipp Lemmerich |
Am 13. Februar, dem Jahrestag der Zerstörung Dresdens, werden wieder Neonazis durch die Straßen der Stadt ziehen. Wie man sie stoppen soll - darüber haben Stadtverwaltung und Bürgerrechtler verschiedene Ansichten.
Ein Veranstaltungssaal in der Dresdner Neustadt. Etwa zehn Personen sitzen am Boden, die Arme und Beine ineinander verhakt. Drei andere versuchen, sie wegzutragen. Nach wenigen Minuten geben sie erschöpft auf. Bei echten Polizisten gehe das sicher nicht so leicht, ruft einer schmunzelnd.
Es ist ein Blockadetraining des Aktionsbündnisses "Dresden Nazifrei". Im Rollenspiel wird hier der Ernstfall geprobt. Eine hagere Frau mit kurzen grauen Haaren feuert die Teilnehmer immer wieder an. Sie ist Mitglied bei "Dresden Nazifrei" und die Organisatorin des heutigen Abends.
"Heute Abend wollen wir uns konkret auf den 13. Februar dieses Jahr in Dresden vorbereiten. Wir wollen allen Teilnehmenden mitteilen: Wie ist die aktuelle politische Situation. Dann wollen wir nochmal darüber informieren, was Rechtliches man zu Blockaden wissen soll. Und schließlich wollen wir üben, was ist eine Bezugsgruppe, wie baut man ordentlich eine Blockade auf, sodass sich niemand verletzt."
Im Hintergrund wirft ein Beamer die aktuelle Homepage des Aktionsbündnisses an die Wand. "Dresden stellt sich quer", steht da in großen Lettern, und: "Widersetzen. Nazis Blockieren."
"Dresden Nazifrei" ist ein loser Zusammenschluss der linken Szene. Seit 2010 organisieren sie Proteste gegen die Demonstrationen von Rechtsextremen, die in Dresden Jahr für Jahr am 13. Februar stattfinden.
Im Raum herrscht eine lockere Atmosphäre. Auch dank Jojo, dem Trainer. Er gibt praktische Tipps für den Demonstrationstag. Wie lautet die Notfall-Hotline für den Rechtsbeistand? Was gehört in den Demo-Rucksack? Die Teilnehmer hören ihm interessiert zu, manche machen sich Notizen. Jojo selbst hat für den Abend große Ambitionen.
"Das Ziel ist, dass wir die Menschen befähigen, sich selbst zu ermächtigen und gemeinsam hierarchiefrei zu handeln und ihre Aktionen zu reflektieren und das gewaltfrei zu machen. Das Ziel der Methode ist, dass sich die Leute kennenlernen und das schon mal ausprobieren, was später auf der Straße umgesetzt werden sollte."
Eine ältere Teilnehmerin berichtet von den vergangenen Jahren. Im Polizeikessel wurde sie schon einmal für eine verwirrte Rentnerin gehalten. "Wenn die wüssten", ruft sie heiter. Die anderen lachen.
Bürgerlicher Widerstand zeigt Wirkung
Man kann die Geschichte vom 13. Februar in Dresden als Erfolgsgeschichte erzählen. Man kann darüber reden, wie Jahr für Jahr der einst größte Neonazi-Aufmarsch Europas zurückgedrängt wurde.
6500 Rechtsextreme marschierten 2005 durch die Stadt. Die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland JLO, eine rechte Nachwuchsorganisation, hatte Neonazis aus dem ganzen Land mobilisieren können. Auch in den Folgejahren wurde die Erinnerung an die Bombennächte im Februar 1945 für rechtsextreme Propaganda missbraucht.
Doch Jahr für Jahr wuchs auch der Widerstand. Im Februar 2010 nahmen über 15.000 Dresdner an einer Menschenkette gegen Rechts teil. Zeitgleich sorgten mehrere 1000 Blockierer aus dem linken Spektrum dafür, dass der Aufmarsch nicht stattfinden konnte.
In den Folgejahren fanden die Demonstrationen dank der Gegenproteste nur verkürzt statt oder wurden gänzlich verhindert. Die rechte JLO zog sich aus dem Versammlungsgeschehen zurück.
Petra Pau (Die Linke, r) und der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) nehmen am Samstag (19.02.2011) in der der Fritz-Löffler-Straße in Dresden an einer Blockade gegen eine Neonazi-Kundgebung teil.
Auch prominente Politiker wie Wolfgang Thierse (SPD) und Petra Pau (Linke) beteiligten sich an den Anti-Nazi-Blockaden - hier im Jahr 2011.© picture alliance / dpa / Arno Burgi
An ihre Stelle trat das sogenannte "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" – eine deutlich kleinere Initiative von einigen Kreisverbänden der NPD und freien Kräften. Ende Januar überraschte sie Beobachter der Szene mit einem gänzlichen Verzicht auf einen Aufmarsch am diesjährigen 13. Februar. In einer Pressemitteilung heißt es:
"Zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit unserer Teilnehmer, aber auch um den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Dresden, die entgegen den Verlautbarungen des Innenministers Markus Ulbig wie auch des Polizeipräsidenten Dieter Kroll eben keine 'Nazis' sind, die sichere Teilnahme an einer würdigen Gedenkveranstaltung zu ermöglichen, sehen wir uns zu einer Änderung der Versammlungsanmeldung veranlasst."
Das Alternativprogramm: Eine stationäre Kundgebung auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche. Dass kein rechtsextremer Fackelmarsch mehr stattfinden soll, halten viele für eine Sensation. Für die Aktivisten von "Dresden Nazifrei" liegt es auf der Hand, wem der Erfolg zu verdanken ist:
"Schauen Sie sich auch unseren Videoclip an. Da ist es ganz deutlich gezeigt, dass mit Beginn unserer Blockadetätigkeit ganz systematisch der Naziaufmarsch kleiner geworden ist. Und nur mit Beginn des Blockierens, und nicht vorher. Deshalb ist es ganz eindeutig auf das Blockadebündnis zurückzuführen."
Versäumnisse der Stadt Dresden
Man kann die Geschichte vom 13. Februar in Dresden als Erfolgsgeschichte erzählen. Man kann die Geschichte allerdings auch anders erzählen: als Trauerspiel. Weil die Stadt einen klaren Kurs gegen Rechts versäumte. Und dann mit brennenden Barrikaden fertig werden musste.
1998 wurde die erste rechte Demonstration angemeldet, 60 Neonazis kamen. "Das war kein Krieg, das war Mord", skandierten sie. Von Seiten der Stadt oder der Landesregierung gab es keine Reaktion. Zu unbedeutend schien der kleine Aufzug damals. Keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit – so der Tenor. 1999 kamen 150 Demonstranten, 2000 waren es bereits 500. Sie zogen unweit der 1938 zerstörten Synagoge vorbei.
Die Untätigkeit der Stadt traf auf eine untätige Zivilgesellschaft. Nur so konnte Europas größter Neonazi-Aufmarsch entstehen. Erst Mitte der 2000er erwachte der Protest in der Bevölkerung, zunächst in linken Antifa-Kreisen, später erst im bürgerlichen Milieu. Mit Blockaden auf der einen und einer Menschenkette auf der anderen Seite geboten sie den Rechtsextremen Einhalt. 2010 wollte die Polizeiführung den rechten Aufmarsch nicht mehr gewährleisten. Zu groß sei die Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
Das Verwaltungsgericht sah das anders. Mit Verweis auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit rügte es die Entscheidung der Polizei. In dem Gerichtsurteil heißt es:
"Es wird festgestellt, dass der Beklagte es rechtswidrig unterlassen hat, durch Einsatz geeigneter polizeilicher Mittel den Aufzug des Klägers am 13.2.2010 zu gewährleisten."
Das Urteil setzte die Polizei unter Druck. Die Aufmärsche der Rechtsextremen am 13. und 19. Februar 2011 wurden durchgesetzt. Die Blockierer hielten dagegen. Der Preis: Brennende Barrikaden, zahlreiche Verletzte und hunderte Festnahmen. Bürgerkriegsähnliche Zustände, so beschreibt der heutige Polizeipräsident Dieter Kroll die Situation. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen lenkten den Blick der bundesdeutschen Öffentlichkeit auf Sachsens Landeshauptstadt. Das Magazin "Der Spiegel" sprach von der "Härte des Systems"; Wolfgang Thierse äußerte seinen Vorwurf der "sächsischen Demokratie".
Der 13. Februar in Dresden ist ohne die Frauenkirche nicht zu denken. Während der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg brannte der barocke Prachtbau völlig aus. Den Wiederaufbau zwischen 1994 und 2005 finanzierten Spender aus der ganzen Welt.
Holger Treutmann ist seit 2006 Pfarrer in der Dresdner Frauenkirche. Seinen ersten Gottesdienst hielt er nur wenige Monate nach der feierlichen Wiedereröffnung:
"Zur Versöhnung und zum Frieden aufrufen. Dafür steht ja die Frauenkirche insgesamt. Sie ist das große Symbol der Versöhnung. Genau das ist die Botschaft, die an jedem 13. Februar von der Frauenkirche ausgehen soll. Sie will einerseits an die Grausamkeiten und Opfer des Krieges erinnern, auch an die Opfer in Dresden, aber das geht immer nur im Zusammenhang mit den Opfern, die der Zweite Weltkrieg insgesamt gefordert hat."
"Vater vergib", sprach der Pfarrer von Coventry in England, nachdem deutsche Bomben die Kathedrale der Stadt zerstört hatten. Aus diesen Worten ist heute ein Versöhnungsgebet entstanden. Häufig wird es in der Frauenkirche zitiert. Ausgerechnet hier soll die diesjährige Versammlung der Rechtsextremen also stattfinden.
"Wenn versucht wird, gerade an der Frauenkirche, diesem Symbol der Versöhnung, zu provozieren in der Weise, dass man dort rechtsradikales Gedankengut wiederaufleben lässt, dann ist das schwer erträglich. Natürlich wird es kein Zufall sein, dass gerade die Anmeldung am Neumarkt, dem neuralgischen Punkt, bewusst gewählt ist, und insofern die Provokation auch wieder verschärft wird."
Eine Frage der Grundrechte
Dresden und der 13. Februar – es geht dabei auch um Grundrechte; die Versammlungsfreiheit ist eines davon. Doch gilt sie auch für Gegner unserer Demokratie? Und was kann man ihnen entgegen setzen?
Das Augenmerk von "Dresden Nazifrei" liegt auf Blockaden. Nach allgemeinem Rechtsverständnis sind Blockaden nicht legal. Eine Ordnungswidrigkeit, sagen Juristen; andere sprechen sogar von einer Straftat. Ziviler Ungehorsam, sagt das Aktionsbündnis. Ein Gesetzesverstoß aus Gewissensgründen sei legitim. Und notwendig, um rassistisches Gedankengut zu bekämpfen.
Für Reiner Seidlitz sind die Blockaden eine lästige Angelegenheit. Drei Jahre in Folge war er als Einsatzleiter der sächsischen Bereitschaftspolizei am 13. Februar dabei. Das Aktionsbündnis übergehe immer wieder Mechanismen, die das Versammlungsrecht vorsieht, so Seidlitz:
"Man stellt im Internet einen Aufruf zu einer Ansammlung ein, hat gleichzeitig aber keine Anzeige bei der Behörde erstattet. Damit fehlt der Polizei der Gesprächspartner, mit dem man darüber reden kann, wie welche Abläufe sein könnten. Der fehlt. Was ist daran transparent?"
Polizei und Stadtverwaltung müssen sich vom Zivilen Ungehorsam des Aktionsbündnisses distanzieren. Denn ihre Aufgabe ist es, für Rechtssicherheit zu sorgen und die Versammlungsfreiheit zu garantieren. Darum rief die Stadtspitze die Aktion Menschenkette ins Leben: Ein symbolhafter Widerstand gegen die rechten Aufmärsche, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Für den Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel ist das eine klare Angelegenheit:
"Es gilt das Gebot versammlungsfreundlicher Entscheidungen. Grundsätzlich ist die Herangehensweise einer Behörde zu schauen, wie kann das, was gewünscht ist, am ehesten durchgeführt werden. Es muss also sichergestellt sein, dass die mit der Entscheidung befassten Menschen in der Versammlungsbehörde nicht nach ihrer persönlichen Überzeugung handeln, sondern sich strikt an Recht und Gesetz halten und in der Auslegung von Gesetz natürlich auch anerkannte Rechtsprechung achten."
Auch die Staatsanwaltschaft sieht das ähnlich. Sie muss Blockierer strafrechtlich verfolgen, um sich nicht selbst strafbar zu machen. Staatsanwalt Lorenz Haase:
"Wir haben den gesetzlichen Auftrag als Staatsanwaltschaft, beim Vorliegen von Straftaten zu ermitteln. Wir haben also kein Auswahlermessen, dass wir sagen können: Nazis mögen wir nicht, und wenn Straftaten zu deren Lasten begangen werden, dann ermitteln wir grundsätzlich nicht. Das können wir nicht machen, unabhängig von der politischen Couleur."
Dem Zivilen Ungehorsam von "Dresden Nazifrei" stellen Stadtverwaltung und Justiz das Recht gegenüber. Das Gesetz sei entscheidend, viel Handlungsspielraum gebe es nicht. Das klingt nach Formalismus, ist aber durchaus nachvollziehbar. Schließlich erwarten wir vom Staat, dass er sich strikt an seine Gesetze hält. Die Realität aber ist komplizierter.
Am Abend des 19. Februar 2011 durchsuchte die Polizei einige Büroräumen der Linken. Angeblich seien von dort aus Gewalttaten geplant worden. Der Durchsuchungsbeschluss war ungültig. Gegen gleich vier Fraktionsvorsitzende der gleichen Partei wurden wegen der Blockaden Strafverfahren eingeleitet. Auch die Abgeordneten Johannes Lichdi und André Hahn wurden angeklagt. Ihre Immunität hatte die schwarz-gelbe Mehrheit im sächsischen Landtag zuvor aufgehoben – unterstützt von den Stimmen der rechtsextremen NPD.
Im Juni 2011 wurde bekannt, dass die Dresdner Polizei bei den Februar-Demonstrationen eine sogenannte Funkzellenabfrage durchgeführt hatte. Über eine Millionen Daten von 54.000 Handynutzern wurden gesammelt; Informationen über Anrufe, SMS sowie den jeweiligen Standort der Besitzer wurden gespeichert. Sie sollten zur Aufklärung eines schweren Landfriedensbruchs dienen. Der Erfolg blieb aus. Das Landgericht erklärte das Vorgehen zwei Jahre später für rechtswidrig.
Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König hat im Gerichtssaal des Amtsgerichtes in Dresden seinen Platz eingenommen. Im Hintergrund Richter Ulrich Stein.
Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König vor Gericht.© picture alliance / dpa / Arno Burgi
Im August 2011 stürmten Polizeibeamte in Kampfmontur die Dienstwohnung des Jenaer Stadtjugendpfarrers Lothar König. Der Vorwurf: schwerer aufwieglerischer Landfriedensbruch. Der 59-Jährige solle Demonstranten zu Gewalttaten gegen die Polizei aufgehetzt haben. Nach einer Pannenserie wurde der umstrittene Prozess im Sommer 2013 auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Angeklagte dazu:
"Es geht hier nicht mehr um mich, um irgendeinen Freispruch von Lothar König, sondern es geht um viel, viel mehr. Es geht viel, viel tiefer. Es geht um Tim und all diejenigen, die für den 19.02.2011 angeklagt worden sind."
Geschichten wie diese werfen die Frage auf, welche Rolle Politik und Justiz in Sachsen wirklich spielen. Für die Medien ist es ein gefundenes Fressen. Sie übten zum Teil harsche Kritik an den "sächsischen Verhältnissen".
Eine Kriminalisierung linker Demonstranten, schreibt der "Spiegel". Ein unverdaulicher Skandal, schreibt die "Zeit". Weltfremd, meint die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Vermitteln zwischen Befürwortern und Gegnern der Blockaden
Der ehemalige Schützenhof im Villenviertel "Wilder Mann" im Dresdner Norden. Das prächtige Gebäude im Landhausstil war einst das Zuhause einer Schießgesellschaft. Heute hat hier die Landeszentrale für politische Bildung ihren Sitz.
Ihr Direktor Frank Richter ist in der jüngeren Stadtgeschichte kein Unbekannter. 1989 gründete sich um ihn die sogenannte Gruppe der 20, die mit Forderungen nach Freiheit und Demokratie die friedliche Revolution maßgeblich mitgestaltete:
"Irgendwie erwächst aus so einem Umstand eine gewisse Verantwortung. Und vielleicht auch eine gewisse Fähigkeit, genau hinzuschauen, sich den vordergründigen Polarisierungen nicht zu unterwerfen, sondern immer wieder Perspektivwechsel und Empathie aufzubringen - und damit Verständnis für die jeweils andere Seite."
Es war nur eine logische Konsequenz, dass Richter nach der Eskalation 2011 gebeten wurde, zwischen den Fronten zu vermitteln. In der Arbeitsgemeinschaft 13. Februar setzten sich Mitglieder der Stadtratsfraktionen, der Verwaltung und der Zivilgesellschaft an den runden Tisch. Das Ziel: Nie wieder sollte die Stadt solche Bilder erleben müssen. Richter moderierte. Anfangs habe eklatante Sprachnot geherrscht, erzählt er.
"Im Vorfeld lernen sie in solchen Prozessen, auf die jeweils anderen Verantwortungsträger einzugehen und deren Motive zu verstehen. Und das ist maßgebend dafür, dass an dem Tag selber dann auch ein entsprechendes Vertrauensverhältnis existiert und ein gutes Klima in der Stadt herrscht."
Es folgten regelmäßige Treffen, Diskussionen in Unterarbeitsgruppen und zahllose Gespräche. Nach wenigen Monaten konnte der heute 53-Jährige erste Erfolge verzeichnen. Der Dialog kam zustande, ein gemeinsames Grundsatzpapier wurde formuliert.
Die AG 13. Februar nahm etwas Öl aus dem Feuer. Die Hoffnung, dass der Burgfrieden hält, hat Frank Richter bis heute. Und dennoch mahnt er zur Kontinuität:
"Sobald man wieder auseinandergeht in die eigenen argumentativen Heimaten, die wir alle haben, kann dieses gemeinsame Verständnis wieder schwinden oder wenigstens bröckeln. Folglich gibt es niemals einen Zustand in einer städtischen Gesellschaft, und auch nicht in Dresden, in dem das wechselseitige Verständnis zweier unterschiedlicher Positionen, die so konträr sind, ein für alle Mal gegeben wäre und dann immer bleiben würde. Sondern es bleibt immer fragil und es bleibt immer gefährdet."
Frank Richter wirkt beinahe fröhlich, wenn er spricht. Bei ihm stehen nicht die Unterschiede der Beteiligten im Mittelpunkt, sondern die Gemeinsamkeiten: Das Bekenntnis zur Demokratie, das Engagement gegen Rechts.
Und dennoch: Einen echten Konsens kann es zwischen Verfechtern und Gegnern von Blockaden nicht geben. Zu gegensätzlich sind die Meinungen. Dieses Dilemma erkennt auch Frank Richter.
"Aber Dilemmata sind manchmal gar keine schlechten Lernsituationen, sondern es sind sogar sehr geeignete Lernsituationen für eine Gesellschaft, die dann begreifen muss: Wir müssen hier zwei Positionen nebeneinander stehen lassen. Wir können sie nicht einfach glattbügeln - und bewahren trotzdem den Respekt voreinander und den innerstädtischen Frieden."
Zu wechselseitigem Respekt hat Frank Richter in den vergangenen Jahren fraglos beigetragen. Ob er dies auch in Zukunft tun wird, ist unwahrscheinlich. Im vergangenen Oktober trat der 53-Jährige als Moderator der AG 13. Februar zurück. Er wollte die Kompetenz der Arbeitsgemeinschaft ausweiten, auch eine grundsätzliche Debatte über Dresdens Umgang mit der Erinnerung führen. Die Oberbürgermeisterin stellte sich quer, Richter nahm den Hut.
Ohne ihn schwindet die Hoffnung auf ein Ende der Polarisierungen. Raue Einsätze der Polizei; fehlende Kompromissbereitschaft beim Aktionsbündnis; Anschuldigungen in der Presse von allen Seiten – all das hat die Stimmung vergiftet. Die harte Linie der Justiz wurde in der Arbeitsgemeinschaft 13. Februar ohnehin nie thematisiert. Dresden wird den rabiaten Umgang der letzten Jahre erst verarbeiten müssen.
Die Kundgebung der Rechtsextremen vor der Frauenkirche hat das Verwaltungsgericht verboten. Die Anmelder haben bereits angekündigt, Widerspruch einzulegen. Aus ganz Deutschland werden Menschen nach Dresden reisen, um die Blockaden und die Menschenkette zu unterstützen. 28 Hundertschaften der Polizei werden im Einsatz sein.
Wenn Dresden einen friedlichen 13. Februar erleben soll, sind alle Beteiligten gefordert.