Bei der Bildung sparen? Ja, unbedingt!

Von Konstantin Sakkas |
Selten zuvor hatten die Menschen in Deutschland so viel Zeit, sich selbst um ihre Kinder zu kümmern. Sie von anderen betreuen zu lassen, ist eine relativ junge Modeerscheinung. Noch in den Achtziger Jahren blickten Mütter immer etwas herablassend auf jene, die ihre Kinder in die Krippe oder in den Hort gaben, weil sie arbeiten gehen mussten.
Heute hat die reiche Anwaltsgattin, aber auch die arme Hartz-IV-Empfängerin nichts Eiligeres zu tun, als für ihr Kind so früh wie möglich einen Betreuungsplatz zu suchen, obwohl sie doch beide zu Hause sind, und beide wären in der Regel sicher keine schlechten Erzieherinnen und Nachhilfelehrerinnen für ihre eigenen Kinder.

Warum dann Betreuung? Weil in unserer Gesellschaft vor allem zwei Dinge als Schande gelten: Armut und Reichtum. Die Porsche-Cayenne-Fahrerin und die Wohngeldempfängerin geben ihr kleines Kind weg, um der Welt zu beweisen, dass sie trotz Erwerbslosigkeit immer noch so sehr beschäftigt sind, dass Erziehung daheim für sie nicht infrage kommt. Doch das ist verrückt. Denn in Wahrheit gilt doch längst: Vollbeschäftigung ist in der hyperindustriellen Gesellschaft endgültig zur Utopie geworden. Arbeitslosigkeit ist nicht nur keine Schande, sondern mehr und mehr die Normalität.

Die Betreuungsplatzoffensive kommt einfach 50 Jahre zu spät. Die bestehende Nachfrage nach Hort- und Krippenplätzen dürfte sich auch ohne große Neuinvestitionen leicht befriedigen lassen, sobald wir von der irrigen Mentalität Abschied nehmen, wonach junge Frauen und Männer, die zu Hause sitzen und sich um ihre Kinder kümmern, Versager seien. In Wahrheit leisten sie einen kolossalen, unschätzbaren Dienst an der Gesellschaft. Denn jeder weiß doch: Wenn ein Erstklässler schon bei der Einschulung perfekt lesen kann, hat er dies mit Sicherheit nicht vom Kindergarten, sondern von den Eltern oder vom privaten Nachhilfelehrer.

Wenn wir heute unter Schulabgängern ein arges Bildungsproblem haben, so liegt das nicht etwa am Bildungsangebot, sondern an der Bildungsvermittlung. Wie aber soll ein Lehrer Bildung richtig vermitteln, wenn er sich – so auf dem Gymnasium – stundenlang vor der Klasse für sein Curriculum rechtfertigen muss, oder aber – so auf der Hauptschule – von seinen Schülern verbal beleidigt und körperlich angegriffen wird? Staat und Schule müssen ganz einfach autoritärer auftreten, müssen sich auch trauen, gegen gewalttätige Schüler adäquate Strafen auszusprechen, damit sich die Bildungsvermittlung in geregelten Bahnen vollziehen kann. Dazu braucht man nicht mehr Geld.

Und wie steht es um unsere Universitäten? Die Universitätslandschaft ist die letzte Domäne des Spätabsolutismus in Deutschland; das gilt für den Habitus, aber vor allem fürs Finanzielle. Hier liegen immense Sparpotenziale: Die Millionen, die etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft jährlich in oft verschrobenen Projekten verheizt, die am Ende kaum jemand zur Kenntnis nimmt, wären viel sinnvoller in neue Klassenzimmer und Turnhallen investiert. Die Universitäten müssen ihre feudalen Ausgaben endlich rationalisieren; und sie sollten ihre Finanzierung viel mehr aus privaten Zuwendungen bestreiten, so wie in den USA. Dann würden die immensen, oft unsinnigen Ausgaben auch viel effizienter kontrolliert. Die Universitäten brauchen nicht mehr Geld, sondern mehr Einsparungen. Und zwar vor allem in der Forschung. Ein guter Forscher kommt allemal auch ohne staatliche Alimente aus.

Die Bildung ist nicht nur die heilige Kuh, sondern auch das Goldene Kalb Deutschlands. Inmitten der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg müssen wir darüber nachdenken, ob wir uns dieses Goldene Kalb noch länger leisten können. Denn eines ist klar: Bildung hängt primär von drei Dingen ab - Leidenschaft, Talent, Disziplin. Das Geld kommt erst an letzter Stelle.


Konstantin Sakkas, freier Autor, Jahrgang 1982, schloss 2009 das Studium in den Fächern Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte an der Freien Universität Berlin ab. Er arbeitet seit mehreren Jahren als freier Autor für Presse und Rundfunk.