Justiz geht gegen "TikTok-Mädchen" vor
07:57 Minuten
In Ägypten sitzen neun Influencerinnen im Gefängnis, weil sie im Internet gesungen und getanzt haben. Eine von ihnen, Hanin Hossam, steht nun vor dem Berufungsgericht. Die Politologin Hoda Salah befürchtet eine mehrjährige Haftstrafe.
Die Influencerin Hanin Hossam ist in Ägypten sehr populär. Sie inszeniert sich in kurzen Internetvideos auf TikTok oder Instagram. Doch seit dem Frühjahr sitzt die 21-jährige Archäologiestudentin aus Kairo wegen ihrer Netzaktivitäten im Gefängnis. Sie ist eine von neun inhaftierten Influencerinnen. Im Volksmund werden sie "die TikTok-Mädchen" genannt. Am heutigen Dienstag beginnt das Berufungsverfahren gegen Hossam.
"Für uns hier in Europa ist das alles harmlos, was sie macht", sagt die ägyptische Politologin und Menschenrechtlerin Hoda Salah. In ihren Videos sei Hossam etwas körperbetont angezogen, aber mit Kopftuch. "Sie inszeniert bestimmte Tänze oder sie macht Filme nach." Die junge Frau tue das, was Jugendliche eben so täten: singen und tanzen. "Aber anscheinend ist das für die Justiz in Ägypten zu viel", so Salah.
Verstoß gegen "Familienwerte"
Hossam und den anderen Influencerinnen werde vorgeworfen, gegen ein Gesetz von 2018 verstoßen zu haben, sagt die Politologin. Darin heiße es, dass Internetnutzer mit mehr als 5000 Followern nicht gegen die Werte der ägyptischen Gesellschaft und Familie verstoßen dürften. Den Frauen werde eine Form der Prostitution und Unmoral vorgeworfen.
Salah macht die Widersprüche in der ägyptischen Gesellschaft deutlich. Seit dem Arabischen Frühling gebe es einerseits mehr Frauenrechte und eine aktive Frauenbewegung, aber andere Teile der Gesellschaft seien sehr reaktionär. Dabei gehe es oft um den Schutz sogenannter Familienwerte.
Salah macht die Widersprüche in der ägyptischen Gesellschaft deutlich. Seit dem Arabischen Frühling gebe es einerseits mehr Frauenrechte und eine aktive Frauenbewegung, aber andere Teile der Gesellschaft seien sehr reaktionär. Dabei gehe es oft um den Schutz sogenannter Familienwerte.
Politische Frauen
Auch innerhalb der ägyptischen Justiz gebe es große Unterschiede. Ein Richter in Kairo könne sich zur Freilassung entschließen. "Das ist ein Kampf alte gegen neue Werte", sagt Saleh. Auch in der Gesellschaft gebe es unterschiedliche Strömungen. Mit einer Kampagne setzten sich Teile der Zivilgesellschaft für die Influencerinnen ein, andererseits seien konservative Kräfte gegen diese Frauen.
Es seien sehr politische Frauen, die eine Wirkung in die Gesellschaft hätten, sagt Saleh. "Mal sehen, was jetzt passiert mit diesen 'TikTok-Frauen', ob sie eine harte Strafe bekommen oder eine mildere." Sie habe allerdings Angst um die Frauen. Der Richter in dem Berufungsverfahren habe in einem ähnlichen Fall bereits einmal eine dreijährige Haftstrafe verhängt.
(gem)