Börsenpflicht für Finanzprodukte

Von Uto Baader |
Wenn ich die Proteste gegen die Auswüchse des Finanzsystems betrachte, ärgert mich vor allem eins: Börsen und Banken, Hedgefonds und Spekulanten, Optionsscheine und Swaps, Derivate und Zertifikate - die Akteure der Finanzwirtschaft werden ebenso wie deren Produkte über einen Kamm geschoren.
Im Zweifel wird "den Märkten" die Schuld an ihrer eigenen brenzligen Lage zugeschoben. Ich sage nicht, dass die Banken unschuldig sind an ihrer Misere. Sie tragen selbst ein großes Stück Verantwortung bei der Auswahl ihrer Schuldner. Aber im Kern war und ist es der Staat, der die falschen Anreize setzt.

Weil Staatsanleihen im Gegensatz zu Firmenkrediten nicht mit Eigenkapital abgesichert werden müssen. Weil es dadurch für jede Bank billiger und scheinbar risikoärmer war, den Staaten Kredite in Form von Anleihekäufen zu geben.

Eine zukunftsträchtige Regulierung muss verzerrende Eingriffe des Staates ausschließen und das Prinzip der Preisbildung an freien Märkten schützen - so, wie es seit 1896 das Deutsche Börsengesetz auf bewährte Weise regelt. Börsliche Transaktionen sind vor allem dreierlei: transparent, nachvollziehbar und überwacht.

Am Beispiel der strukturierten Schrottprodukte wurde deutlich, was passieren kann, wenn das Korrektiv der Börse umgangen wird. Hätte man diese Papiere börslich handelbar gemacht, wären die Geschäfte transparent geworden. Ein Wertpapierprospekt, das allen zugänglich ist, hätte offenbart, welch' toxische Anlagen hier angeboten wurden.

Außerdem hätte ein wunderbarer Mechanismus gegriffen, der den eigentlichen Sinn einer Börse darstellt: Der Markt hätte ihnen das Preisschild verpasst, das sie verdient gehabt hätten. Ein solches Alarmzeichen hätte die vornehmlich staatlichen Banken wahrscheinlich frühzeitig davon abgehalten, sich mit Lehman-Papieren vollzustopfen.

Hätte man das Schundzeug an den Börsen handeln können, wäre uns der dadurch entstandene Schaden vielleicht nicht gänzlich erspart geblieben. Aber eins ist sicher: Er wäre wesentlich geringer ausgefallen.

Anstatt die existierenden Börsen aber zu stärken, wurde in den vergangenen Jahren auf europäischer Ebene das Gegenteil betrieben. Unter der Flagge der Deregulierung wurde auf EU-Ebene der Wettbewerb unter den Handelsplattformen zwar angeheizt. Dies aber hat dazu geführt, dass sich Schattenmärkte gebildet haben. Umsätze sind dorthin abgewandert, Liquidität wurde zersplittert - mit dem Resultat, dass eine faire Marktpreisbildung erschwert worden ist.

Nun nimmt die Europäische Kommission einen zweiten Anlauf, die Spielregeln und Anreizsysteme an den Finanzmärkten neu zu definieren. Aber nur wenn sichergestellt ist, dass Liquidität gebündelt wird und sich das Korrektiv des Marktes entfalten kann, darf der Anleger gewiss sein, einen fairen Marktpreis zu erhalten. Und sofern auch toxische Papiere börslich gehandelt werden müssten, würden sie ihrer Sprengkraft beraubt.

Der Staat hätte dann durch die Erweiterung der börslichen Spielregeln auf neue Produkte entscheidende Akzente gesetzt, würde aber die Preisbildung wieder den Marktkräften überlassen. Denn der beste Regulierer ist immer noch der Markt selbst, deckt er doch Stärken und Schwächen einer Investition stets auf - schonungslos und frühzeitig.

Uto Baader ist Gründer und Vorsitzender des Vorstands der Baader Bank AG in Unterschleißheim. Geboren 1944 in Asbach-Bäumenheim bei Augsburg, studierte er Volkswirtschaftslehre und arbeitete anschließend bei der Bayerischen Landesbank. Seine Zulassung zum Börsenmakler an der Bayerischen Börse in München bedeutete 1983 den Grundstein für die Baader Bank AG, einem mittlerweile börsennotierten Spezialinstitut für den Wertpapierhandel. Als Münchner Bankier sitzt er im Aufsichtsrat der Bayerischen Börse.
Uto Baader, Vorsitzender des Vorstands der Baader Bank AG
Uto Baader, Vorsitzender des Vorstands der Baader Bank AG© privat