Regalmeter für Propaganda?
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Bücher aus China – das bietet Thalia neuerdings in einigen Filialen. Dass das Sortiment von Chinas Führung ausgewählt wird, sei ungewöhnlich, sagt unser Kritiker - und ein Versuch der chinesischen Machthaber, im hiesigen Buchmarkt präsent zu werden.
Die Buchhandelskette Thalia stellt dem Buchimporteur China Book Trading Regalflächen zur Verfügung. Dort soll das Unternehmen Bücher seiner Wahl ausstellen können. Aus kaufmännischer Sicht sei dies unproblematisch, sagt Literaturkritiker Jörg Plath. Doch auf Twitter werde vor allem kritisiert, dass Thalia nicht klarmache, "dass diese Titel von China ausgewählt worden sind", so Plath. Denn vieles deute darauf hin, dass die Buchgesellschaft von China aus gesteuert werde.
Kinderbücher, Politik und Science-Fiction
Bei seinem Besuch in der Thalia-Buchhandlung am Berliner Alexanderplatz habe es drei Regale gegeben, die ausschließlich mit chinesischen Büchern belegt gewesen seien: "Von Kinderbüchern über chinesische Kampfkunst und Gesundheitstechniken bis hin zur Politik und Wirtschaft. Zur Politik, da ist Xi Jinping vertreten, der Leiter der Kommunistischen Partei und der Präsident Chinas ist." Das Sortiment umfasse auch Themen zur Seidenstraße und zu den Schnellverkehrszügen. Neben deutschen Übersetzungen und Titeln auf Englisch gebe es auch chinesische Originalausgaben.
Thalia beruhige in einer Pressemitteilung, dass dies auch ein Test für das Unternehmen sei: Ein Service für die wachsende chinesische oder an China interessierte Community in Deutschland. Zudem wähle China Book Trading – eine GmbH, mutmaßlich gegründet und geleitet von Chinas kommunistischer Partei – ein Sortiment aus, das von den Thalia-Buchhändlern geprüft und dann freigegeben werde.
Kritisches als Feigenblatt?
Plath sagt, er habe in der Thalia-Filiale auch noch andere Bücher gefunden, mit denen "eine kritische Auseinandersetzung mit dem großen Land" möglich sei, etwa von Alexander Görlach oder Kai Strittmatter, aber auch Science-Fiction aus China. "Unverfängliches und Kritisches – vielleicht ein Feigenblatt der Thalia-Buchhandlung."
Für das Engagement Chinas hat Plath eine Erklärung: "Die chinesischen Machthaber versuchen, auch im Buchmarkt hier präsent zu werden. Und dass sie das sonst nicht schaffen, ist, glaube ich, unmittelbar einsichtig."
(mle)