Dana Ranga: Cosmos!
Matthes & Seitz, Berlin 2020
116 Seiten, 20 Euro
Auf der Suche nach einer Sprache der Raumfahrt
06:08 Minuten
Die Dichterin Dana Ranga beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Verhältnis von Wort und Weltraum. In ihren neuesten Gedichten bringt sie dies zum Glimmen.
Dass die Dichter den Mond und die Nacht besingen, zieht sich wie ein dunkler Faden von der Romantik bis in unsere Gegenwart. Flog beim Freiherrn von Eichendorff die Seele mit ausgespannten Flügeln durch die Nacht, so sind etwa bei Lutz Seiler die mondreisenden Raumfahrer ständige Begleiter auf den Fahrten durch die Abraumhalden der DDR: "wir hatten / gagarin, aber gagarin / hatte auch uns".
Doch was schreibt man über die "atemberaubenden" Erfahrungen der Raumfahrt, wie sie der Philosoph George Steiner einmal genannt hat? Neue "Hymnen an die Nacht"? Eine "Space Oddity" in Sonettform? Oder hatte Steiner recht mit seiner Behauptung, die Kunst habe es bis heute gar nicht geschafft, eine angemessene Antwort auf den Akt der Mondlandung zu geben?
Verhältnis von Wort und Weltraum
Die Dichterin Dana Ranga hat sich von diesen großen Fragen nicht beeindrucken lassen und einen ganzen Band über die Reise ins All geschrieben. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Verhältnis von Wort und Weltraum. Sie hat Filme verfasst, Hörspiele und Features.
Dazu ist Ranga in Archive gestiegen und hat sich die alten Originalfilme von Raumflügen angesehen, sie hat Studien und Berichte ausgewertet, Briefe und E-Mails mit Angehörigen gewechselt und Interviews mit Raumfahrern gelesen und auch selbst geführt. All diese Materialien hat sie jetzt neu zum Glimmen gebracht und in eine Sammlung von bildscharfen, bisweilen dokumentarisch anmutenden Gedichten verwandelt.
Raumfahrt kann nicht ohne Poesie vermittelt werden
"Raumfahrt kann nicht ohne Poesie vermittelt werden. Die Raumfahrt ist etwas sehr Neues und wir brauchen eine neue Sprache dafür", sagt nicht etwa die Dichterin, das sagt Story Musgrave, der vermutlich dienstälteste Astronaut der Welt. Er hat nach seinen Flügen durchs All selbst angefangen, Gedichte zu schreiben.
Musgrave ist eine der vielen Raumfahrerfiguren, die Ranga auf ihrer Suche nach einer "neuen Sprache" zu Wort kommen lässt. Ihre rund 70 Gedichte hat sie in drei Kapitel gefasst, deren Anordnung in der Trias "Prolog", "Cosmos!", "Epilog" und im Wandern von linksbündiger zu rechtsbündiger Versausrichtung überraschend linear wirkt.
So folgen wir Astronauten wie Kosmonauten auf ihrem Weg von der Rekrutierung bis zum Start. Wir fliegen mit ihnen durchs All, pendeln zwischen dem Lärm der Maschinen und der "Musik / des Weltraums", um am Ende wieder auf der Erde zu landen, versunken in die Frage nach dem Glück oder auch ziemlich ernüchtert.
Überhaupt bricht Ranga alle pathetischen Weltallvorstellungen immer wieder am harten Raumfahreralltag. Das betrifft gerade den Körper: Schwindelgefühle, Schlaflosigkeit, ein erhöhtes Krebsrisiko durch die Strahlung. Dazu kommen die vollkommene Abhängigkeit von der Technik und das große Arbeitspensum.
Unterschiedliche poetische Verfahren
So wie die Raumfahrer verschiedene Methoden haben, in ihren Schutzanzug zu steigen, verwendet Ranga unterschiedliche poetische Verfahren. Mal bricht sie den O-Ton eines Raumfahrers einfach auf Zeile. Dann wieder montiert sie mehrere Berichte oder dampft eine Anekdote zu einer kleinen Szene ein:
"Während eines Fluges // zur ,Mir’ / jauchzte / die Mannschaft vor Freude / sie hatten eine Fliege / (...) an Bord entdeckt / Sie hieß Njurka."
Nicht alle der arrangierten Stimmen entfalten die gleiche Strahlkraft. Mitunter hätte man sich beim Lesen auch gewünscht, dass jene "radikalen Umwälzungen" der Wahrnehmung stärker in der Sprache der Gedichte spürbar werden. Trotzdem folgt man Ranga auf ihren Wanderungen durchs All immer wieder mit großer Neugier und bewundert ihren Sinn für Komik.