Der Nestbeschmutzer als Patriot

Von Jörg Taszman |
Oliver Stone ist einer der streitbarsten, schillerndsten und bekanntesten US Regisseure, der sich vor allem mit seinen kritischen Vietnam-Filmen "Platoon" und "Geboren am 4. Juli" einen Namen machte. Sein neuer Film "World Trade Center" ist filmisch und inhaltlich eine einzige Enttäuschung und schwankt zwischen Katastrophen-, Helden-, und christlichem Erbauungsfilm.
Er ist kein leichter Interviewpartner und reagiert auf Kritik an seinen Filmen auch schon mal empfindlich. Beim letzten Gespräch zu "Alexander" stellte er gerne Gegenfragen und konnte sich verbal geschickter aus der Affäre ziehen als mit seinem doch misslungenen Epos.

Diesmal ist Oliver Stone entspannter. Sein Film "World Trade Center" wurde in den USA mit einem Einspiel von 70 Millionen Dollar nicht nur ein kommerzieller Erfolg, sondern erhielt auch die positivsten Kritiken eines Oliver Stone Films seit "Platoon". Der Titel "World Trade Center" trifft jedoch den Kern des Films eher ungenau. Eigentlich geht es nur um den Überlebenskampf zweier verschütteter Hafenbeamter, die helfen wollten, aber nicht konnten. Stone behauptet dann auch, keinen politischen Film gedreht zu haben.

"Die Ereignisse des 11.September hat man weltweit zu Tode politisiert: Pro oder Anti-Bush, Pro oder Anti-Irak; Verschwörungstheorien. Wenn man das Thema nur erwähnt, reagieren die Menschen mit dieser Schwere. Für mich ist dieser Film ein Versuch mit einer gewissen Frische zu zeigen, was an diesem Tag passiert ist. Diese beiden Männer sind ganz gewöhnliche Arbeiter, die keine politischen Beweggründe hatten und innerhalb ihrer eigenen Welt lebten. Ich weiß, auf was Sie zusteuern: Warum gibt uns der Mann, der 'JFK' machte, nicht die politischen Theorien mit, die hinter dem 11.September stehen? Aber das ist ein anderer Film, den ich vielleicht eines Tages einmal drehe, aber nicht hier und nicht jetzt."

"World Trade Center" ist filmisch und inhaltlich eine einzige Enttäuschung und schwankt zwischen Katastrophen-, Helden-, und christlichem Erbauungsfilm. Seltsam unreflektiert, bildet der Film einfach nur die Geschehnisse ab und Oliver Stone versteckt sich als Filmemacher ganz hinter der angeblichen Authentizität der Geschichte. Und doch sieht er keinen Widerspruch darin, den Helden seines Films ein Denkmal zu setzen und die amerikanische Folgepolitik des 11.September stark zu kritisieren.

"Ich glaube, wir wurden politisch schlecht geführt. Wir hatten einen unreifen Präsidenten, eine radikale Regierung, die diese tragischen Ereignisse für ihre politischen Ziele ausnutzte. Für mich war der Krieg in Afghanistan eine angemessene Antwort, den man hätte beenden müssen. Aber 2002 wurde dann etwas anderes wichtig: der Irak. Heute, 5 Jahre danach, haben wir mehr Terror, mehr Angst, mehr Tote und mehr Krieg, einen völligen Bankrott und Verfassungsbrüche. Das ist ein schlimmer Wendepunkt und ich hoffe, gewisse Dinge können wieder geändert werden, hin zu einem Amerika, dass ich von früher kannte. Ich möchte mein Amerika wiederhaben, dass man uns im Jahr 2000 gestohlen hat."

Auch wenn Oliver Stone einen Film gedreht hat, der nicht überzeugen kann, erweist er sich im Interview als interessanter, leidenschaftlicher Gesprächspartner. Es tut seinem Selbstbewusstsein sichtlich gut, diesmal mehr als nur einen kommerziellen Erfolg gelandet zu haben. Gerade die Überlebendenverbände, die ihm zunächst misstrauisch gegenüber standen, loben seinen Film. In den Augen vieler Amerikaner ist Oliver Stone nun wieder ein echter Patriot. Kann für den Sohn einer Französin und eines Amerikaners, der mit einer koreanischen Frau zusammen lebt, Patriotismus auch etwas Positives sein?

"Mir gefällt weder das Konzept von Patriotismus noch von Nationalismus. Ich habe das immer verurteilt und halte es für überflüssig. Diese Haltung, Egos zu vergleichen oder welcher Schwanz der größere ist, führt nur zu Kriegen. Patriotismus, die Liebe zum eigenen Land, sollte auch die Liebe zur Erde, zu anderen Menschen beinhalten. Wäre die Welt ein idealer Ort, gäbe es keine Kriege. Und leider benehmen wir uns wie Kinder, dabei gibt es Themen wie die globale Erwärmung, die wirklich lebensbedrohend sind. Und wir streiten hier über völlig unwesentliche Dinge!"

Das Spannende an Oliver Stone bliebt seine Zwiespältigkeit. So warben die scheinbar US-kritischen "Anti-Kriegsfilme" "Platoon" und "Geboren am 4.Juli" für das bessere Amerika. Bei "JFK" und "Nixon" vermisste man die kritische Distanz gegenüber den beiden Präsidenten.

In seinem Dokumentarfilm "Commandante" waren die Fragen und Antworten weniger interessant, als das Verhältnis zwischen Oliver Stone und Fidel Castro. Drei Tage lang durfte der Filmregisseur mit Castro essen, Limousine fahren und dessen öffentlichen Auftritte begleiten. So wurde "Comandante" unfreiwillig ein Film über die Eitelkeit eines Filmregisseurs, der, wenn er historischen Figuren zu nahe kommt, wohlwollend und milde wird.

Zyniker behaupten, Stone habe mit "World Trade Center" nur einen kommerziellen Erfolg benötigt, um wieder einen persönlicheren, radikaleren Film zu drehen. Wer sich jedoch das Gesamtwerk des Amerikaners genauer anschaut, weiß, dass diese einfache Unterstellung der komplexen Persönlichkeit eines Oliver Stone nicht gerecht wird. Er wird auch in Zukunft mit seinen Filmen polarisieren und die Zuschauer ebenso beeindruckt wie ratlos zurück lassen.