Gina Meyer: "Die Schwimmerin"
HarperCollins, 2020
352 Seiten, 22 Euro
Bedrückendes Thema, eindrucksvoll erzählt
09:37 Minuten
Betty war als Heranwachsende in einem Fürsorgeheim untergebracht. Die Scham darüber lässt sie nicht los. Gina Mayer erzählt Bettys Geschichte auf fesselnde Weise und nah an der Realität der jungen Bundesrepublik.
Eine Zeitreise ins Wirtschaftswunder-Deutschland der 60er-Jahre: Betty hat geheiratet und ist zu Wohlstand gekommen. Doch sie trägt ein dunkles Geheimnis in sich. Darum geht es in Gina Mayers "Die Schwimmerin".
Gewalt in der Frühsorgeerziehung
Über 50 Bücher für Kinder und Jugendliche hat die Bestsellerautorin geschrieben, vor allem Krimis und historische Romane. "Die Schwimmerin" war eines ihrer schwierigsten, sagt sie.
Das hat mit dem bedrückenden Thema des Romans zu tun: Als junge Frau war Betty in einem Heim der Diakonie eingesperrt. Mayer verarbeitet in ihrem Buch auf fesselnde Weise die Geschichte der Heimkinder und der Gewalt in der Fürsorgeerziehung der jungen Bundesrepublik.
Das Schwimmen bietet Trost
"Ich wusste gleich, dass ich darüber etwas schreiben möchte", sagt Mayer. "Ich fand es schrecklich, wie dort ganz normalen Mädchen erklärt wurde, dass sie verwahrloste Mädchen seien. Und wie sie dann alle Rechte verloren haben. Die Mutter wird richtiggehend manipuliert und gibt dann ihr Fürsorgerecht an das Heim ab. Die hatten diese Mädchen dann total unter ihrer Kontrolle und konnten sie ausbeuten, wie sie wollten."
Mayer erzählt den Stoff auf mehreren Ebenen, auch mit Rückblenden in die Kindheit im Zweiten Weltkrieg: Bettys Stadt wird ausgebomt, sie kommt nach Schwaben, wo sie den Dialekt nicht versteht. Trost findet die Hauptfigur im Schwimmen. Daher auch der Titel.
Opfer fühlen sich wie Schuldige
Persönliche Gespräche mit Betroffenen der Heimerziehung dieser Jahre habe sie leider nicht führen können, sagt Mayer.
Es sei schwer jemand zu finden, wegen der Scham, die auch Betty quält. "Das ist heute noch in vielen Betroffenen drin", sagt die Autorin. "Obwohl sie die Opfer sind, fühlen sie sich wie Schuldige."
(huc)