Axel Dorloff über die Bemühungen des Malers, Grafikers und Bildhauers Markus Lüpertz, der in Peking nach seinen Werken sucht:
Audio Player
Einen Lüpertz verleiht man nicht per Handschlag
16:22 Minuten
300 Millionen Euro sollen die Werke deutscher Künstler wert sein, die in China vermisst werden. Wie können solche Schätze einfach verschwinden? Vieles an dem Fall sei äußerst dubios, sagen Kunstmarktexperten - etwa der angeblich mündliche Leihvertrag.
In China spielt sich ein echter Kunstkrimi ab: Deutsche Gegenwartskunst im Wert von 300 Millionen Euro ist dort verschwunden. Konkret handelt es sich um 152 Gemälde von Markus Lüpertz, 87 Werke des Malers und Bildhauers Anselm Kiefer und 103 Arbeiten der Fotografin Renate Graf.
Die Kunstsammlerin Maria Chen-Tu, eine in Taiwan geborene Millionärin mit deutschem Pass, ist die Eigentümerin der verschwundenen Werke. Diese hatte sie dem chinesischen Geschäftsmann Ma Yue mit seiner inzwischen abgewickelten Firma Bell Art geliehen. Der Vertrag über die Leihgabe wurde angeblich nur mündlich geschlossen, heißt es. Ma Yue sollte im Auftrag der Sammlerin Ausstellungen in China organisieren. Nach einigen Schauen bat sie ihn, alle Werke in ihr Lager nach Hongkong zu bringen.
Vorwürfe gegen Ma Yue
Der Geschäftsmann Ma Yue sagt nun, Maria Chen-Tu sei vertragsbrüchig geworden. Es sei vereinbart gewesen, dass er die Werke zehn Jahre lang ausstellen und auch zum Verkauf anbieten sollte. Sie bestreitet das. Gegen Ma Yue gibt es schon seit mehreren Jahren Vorwürfe. Chinesische und deutsche Künstler sagen, dass sie seiner Firma Werke für Ausstellungen geliehen, sie aber nie zurückbekommen und dafür auch kein Geld erhalten hätten.
Wo sind die Bilder nun? Der Großteil von Markus Lüpertz' Werken ist offenbar noch in Hongkong. Weil die Kosten für eines der Lager nicht bezahlt wurden, sind 90 Arbeiten angeblich gepfändet worden. Das ist aber nicht bewiesen. Ma Yue selbst sagt, die Arbeiten befänden sich in Shanghai, Shenzhen und Hongkong und seien für die Eigentümerin zugänglich. Andere Quellen sagen, ein Teil der Arbeiten stehe inzwischen in Taiwan zum Verkauf.
Chinas boomender Kunstmarkt
Warum wird hier ganz offensichtlich mit so vielen deutschen Kunstwerken gehandelt? Der Kunstmarkt in China boomt, das Land sei inzwischen unter den Top 3 der Kunstsammelnationen, sagt Kunst-Redakteur Stefan Koldehoff. Genau wie im Westen bedeute Kunstbesitz für reiche Menschen in China Sozialprestige: "Man schmückt sich mit der Bedeutung, die manche Kunstwerke haben."
Nach der Kulturrevolution sei es lange nicht möglich gewesen, westliche Kunst in China zu sammeln. Das erkläre auch das gesteigerte Interesse an ihr, wobei es aber in den vergangenen Jahren auch eine Rückbesinnung auf chinesische Werke gegeben habe, so Koldehoff: Manche Jadeschale oder Tuschezeichnung erziele auf dem chinesischen Markt zweistellige Millionenbeträge.
Ein inszenierter Skandal?
Die Sammlerin Maria Chen-Tu habe die Werke mit Sicherheit für Ausstellungen verliehen, um die Preise der gezeigten Kunst in die Höhe zu treiben, sagt Koldehoff. Das sei ein legitimes Interesse einer Sammlerin, die ihre Werke als Geldanlage betrachte. "Was ich mich eher frage, ist, warum sie das auf so eine komische Art und Weise macht, also an eine Firma verleiht, die dann Ausstellungen veranstalten soll", so der Kunst-Redakteur. "Da hätte es eigentlich geradere Wege gegeben, etwa über Galerien oder Auktionshäuser."
Durch den aktuellen Skandal könnten die Preise der verschwundenen Kunstwerke weiter steigen, schätzt Koldehoff. "Am Kunstmarkt werden nie nur Bilder verkauft, sondern immer auch Geschichten: Was steckt hinter dem Bild? Wo hat es mal gehangen? Wo ist es vielleicht mal gestohlen worden?"
Dennoch habe er nicht das Gefühl, dass das Verschwinden der Kunst inszeniert sei, um den Wert zu steigern. "Dafür gibt es im Moment zu viele empörte und zu viele geprellte Beteiligte", sagt Koldehoff.
Künstler behalten Rechte
Der Maler Markus Lüpertz ist extra nach China gereist, um sich an der Aufklärung zu beteiligen. Er sorgt sich, ob seine verschollenen Kunstwerke pfleglich behandelt werden. Aber hat er überhaupt noch ein Recht an den von ihm geschaffenen Werken, sobald jemand sie gekauft hat?
Der Künstler behalte auch nach dem Verkauf seine Urheberrechte. Der Eigentümer habe dann zwar das Recht, das Kunstwerk jederzeit auszustellen, sagt Gerhard Pfennig, Anwalt für Urheberrecht mit dem Schwerpunkt Kunst, sei ansonsten aber sehr beschränkt, wie er das Kunstwerk nutzen könne, das er besitze.
"Schon wenn ein Betrieb, der ein Kunstwerk kauft, seinen nächsten Geschäftsbericht mit diesem Kunstwerk auf der Titelseite schmücken will, muss er vorher bei dem Künstler die Reproduktionsrechte einholen."
"Schon wenn ein Betrieb, der ein Kunstwerk kauft, seinen nächsten Geschäftsbericht mit diesem Kunstwerk auf der Titelseite schmücken will, muss er vorher bei dem Künstler die Reproduktionsrechte einholen."
Bilder zerstören? - Erlaubt!
Dennoch haben die Käuferinnen und Käufer eines Kunstwerks weitgehende Rechte: Wenn sie wollen, dürfen sie es mit ins Grab nehmen - oder sogar vernichten. "Wenn man es total zerstört, kein Problem nach deutschem Recht", so Gerhard Pfennig. Das klinge brutal, sei aber weitgehend zulässig. Erst ein neues Gerichtsurteil relativiere das Recht auf Totalzerstörung ein wenig. Eigentümer dürften ein Werk allerdings nicht verändern oder zerteilen, sagt Pfennig: "Man muss das Kunstwerk in seiner Integrität achten."
Der Anwalt hält es für ein Ammenmärchen, dass Maria Chen-Tu und Ma Yue sich nur mündlich über die Leihverträge der millionenschweren deutschen Kunstwerke verständigt haben könnten. Das sei "absurd" bei so wertvollen Werken, denn Sammler hätten Angst, dass ihr Besitz beschädigt werden könne, sagt Pfennig: "Da werden ganz ausgefeilte Verträge gemacht zwischen dem Eigentümer und dem ausstellenden Museum: Da wird geregelt, wie das versichert wird, da wird geregelt, welche Beleuchtung angewendet wird, welche Luftfeuchtigkeit in dem Ausstellungsraum ist, und so weiter."
(jfr)