Körpertraining

Der Sound einer Beinbewegung

Überprüfung der Eigenschaften von Laufschuhen an einem Laufband.
Vertonte Bewegungen können für Sportler hilfreich sein, um Abläufe optimal trainieren zu können. © picture-alliance/ ZB / Ronald Bonß
Von Silvia Plahl |
Sportwissenschaftler und Mediziner nutzen die Sonifikation, um motorisches Training gezielt zu unterstützen. In Klänge umgesetzt lassen sich auch komplizierte Bewegungsabläufe leichter nachahmen, lernen oder optimieren.
So klingt es, wenn wir uns die Zähne putzen. (Atmo) Und so hört sich das Zähneputzen bei Sonifikationsforschern an (Atmo).
Alfred Effenberg: "Das bedeutet nichts anderes, als dass wir versuchen, Bewegungstechniken systematisch in Klangfolgen umzusetzen. Hier die Bewegung zur Zahnbürste vom Rumpf weg macht den Ton etwas tiefer, etwas dumpfer. Wenn Sie dann den Arm zum Mund hin nehmen oder die Zahnbürste zu den Zähnen führen, dann haben Sie eben diese beschleunigte Bewegung, die in die Höhe gerichtet ist. Und das eigentliche Putzen wird hier als relativ hochfrequente Tonhöhen- und Lautstärke-Veränderung wahrnehmbar."
Der Sportwissenschaftler Alfred Effenberg vertont Bewegungen. Es entsteht eine Klangfolge, die der Körper selbst erzeugt. Der Professor an der Leibniz Universität in Hannover untersucht, wie solche Bewegungsabläufe optimal gelernt und trainiert werden können. Das ist für Sportler hilfreich, kann aber auch Schlaganfallpatienten zugute kommen, die versuchen, die Kontrolle über ihre Arme und Beine zurückzugewinnen.
Die Sonifikationsforschung ist ein relativ junges Gebiet. Erst Ende des letzten Jahrhunderts gründeten Künstler, Musiker, Naturwissenschaftler und Techniker neue Institute und internationale Fachgesellschaften. Man untersucht Klänge, die den Dax-Kurs veranschaulichen und ihn mit dem Dow-Jones-Index vergleichbar machen. Töne, die ein Erdbeben typisieren können. Oder wie in unserem Fall den Sound einer Armbewegung.
Die Sonifikation verstärkt also die Sinneswahrnehmungen und optimiert durch das zusätzliche Trainingsorgan Ohr die Körperbewegungen. Das Team der Universität Hannover hat in einer Hock-Streck-Sprung-Studie gezeigt, wie dieser Vorgang wirkt.
Genauigkeitsgewinn von 20 Prozent
Alfred Effenberg: "Das ist einfach ein Vokal, der hier über die Bodenreaktionskraft dieser Bewegung moduliert wird. Und man hört halt diese Pause, die charakterisiert die Flugphase, (Atmo) also jetzt springt er ab, da fliegt er kurz und dann landet er wieder."
Sportstudenten sollten beim Hock-Streck-Sprung die Sprunghöhe eines Vorspringers möglichst exakt treffen. Die Aufgabe lautete, entweder nur den visuellen, oder neben dem visuellen auch den akustischen Ablauf in der Bewegung nachzuahmen. Tatsächlich konnten die sehenden und hörenden Studenten den vorgeturnten Hock-Streck-Sprung zeitlich und auch in der Höhe präziser imitieren. Sie hatten einen Genauigkeitsgewinn von 20 Prozent. Die Sportwissenschaftler wollen jetzt zeigen, dass die Sonifikation auch Personen unterstützen kann, die ihre Bewegungen nicht mehr unter Kontrolle haben.
Im Frühjahr 2013 starteten sie eine Pilotuntersuchung in einer niedersächsischen Reha-Klinik und begleiteten in einer ersten Stichprobe zehn Schlaganfallpatienten zwischen 40 und 70 Jahren während der Ergotherapie. Die Patientinnen und Patienten hatten nach einem Schlaganfall einseitige Lähmungen in den Armen.
"Und wir haben diesen Patienten sowohl die betroffene wie die nicht betroffene Seite akustisch dargestellt. Und sie haben darüber zunächst einmal also überhaupt wieder sensorisches Feedback in Abhängigkeit zu der Bewegung auch der betroffenen Extremität."
Welches Prinzip aber steckt dahinter? Eine Erklärung können Tests von Forschern aus Hannover, Lübeck und Erlangen geben, die Messungen in einem vergleichbaren Versuch durchführten: 17 Schwimmerinnen und Schwimmer bekamen die Brustschwimmbewegung gezeigt und mittels Sonifikation zu hören. Dies führte zu einer verstärkten Neuronenaktivität im Gehirn. Die Wissenschaftler folgern daraus: Die doppelte Sinnesaufnahme und die ständige Wiederholung einer Bewegung bilden sich auch im Gehirn ab.
Eine kontrollierte Studie soll folgen
Marc Harenkamp ist Therapieleiter der neurologischen Abteilung der Reha-Klinik im niedersächsischen Hessisch-Oldendorf. Erste Erfahrungen mit der Sonifikation sind für ihn vielversprechend:
"Wir versuchen ja ihr Gehirn mit zahlreichen Bewegungen zu stimulieren. Wir nehmen Bewegungen mit konkretem Alltagsbezug: Kleidung anziehen, Gurken schneiden, Schreiben. Jetzt bekamen die Rehabilitanten also auf drei Kanälen ein Feedback darüber, was für eine Bewegung sie gerade machten: Sie sehen, wie sie die Arme bewegen, sie hören, wie sie die Arme bewegen und sie fühlen es. Sie fühlen die Muskelspannung oder die Gelenkstellung."
Welche Muskeln angespannt sind, in welchem Winkel die Gelenke stehen, wird in der Tonfolge des gesunden Armes abgebildet. Damit der Patient diese Klangfolge verinnerlicht und letztlich selbst erzeugt. Und wieder lernt, auch mit dem erkrankten Arm aus einem Glas zu trinken.
Nach den ersten Erfolgen will das Team um Alfred Effenberg nun eine kontrollierte Studie mit Schlaganfallpatienten durchführen.
"Die Stichprobe ist einfach zu klein, um da jetzt mit statistischen Verfahren nach signifikanten Unterschieden zu anderen Methoden oder Ähnlichem zu schauen. Aber das sollte in der Zukunft jetzt passieren, jetzt in nem größeren Umfang nach der Wirksamkeit solcher zusätzlichen Bewegungsakustik zu forschen."
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