Rappen fürs Vaterland
13:43 Minuten
Die Neue Rechte führt ihren Kampf um kulturelle Hegemonie inzwischen auch mit nationalistischem Hip-Hop – und verwischt dabei die Grenzen zwischen Musik und rechtsextremen Aktivismus.
Wenige Begriffe sind in Deutschland ähnlich vorbelastet wie der Begriff der Nation. Das Ringen der Gesellschaft um einen richtigen Umgang mit ihm zeigt sich auch in der Popmusik – so etwa am Wandel der Genrebezeichnung "Deutschrock".
War das Label "Deutschrock" ursprünglich Ende der 60er-Jahre für eher politisch linksstehende Bands reserviert, die auf Deutsch sangen, ließe sich seit Anfang der Nullerjahre eine Umwertung des Begriffs beobachten, so der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs. Zunehmend bemächtigte sich eine Szene des Begriffs, "die das Erbe der Böhsen Onkelz" angetreten habe – eine Band, die für ihre Nähe zum Rechtsrock in den 80er-Jahren viel kritisiert wurde.
"Nationaler Sprechgesang"
Dabei müsse man unterscheiden zwischen Musik, die von der extremen Rechten gemacht werde und Musik, die aus der Mehrheitsgesellschaft komme, aber zum Teil eben auch extreme rechte Positionen und Einstellungen bediene, so Hindrichs. Diese beschränke sich schon lange nicht mehr nur auf Rockmusik.
"Klassische rechte Parteien wie die NPD haben um 2010 angefangen mit 'nationalem Sprechgesang', wie sie es genannt haben, zu experimentieren. Vor dem Hintergrund, dass dies die Musik ist, die die Jugend in Deutschland am meisten hört. Sie wollten die Verbindung zur Jugend nicht verlieren."
Hip-Hop aus dem Umfeld der Identitären
Dieses Projekt sei jedoch gescheitert. Anders als die Versuche aus der Neuen Rechten. Im Versuch, sich als hippe Jugendkultur zu inszenieren, setze sie vermehrt auf Hip-Hop. Musiker aus dem Umfeld der Identitären Bewegung, wie der Rapper Chris Ares, machten "sich die Strategie der Metapolitik der Neuen Rechten" zu eigen, sagt Hindrichs. Über einen Kulturkampf von Rechts solle so kulturelle Hegemonie hergestellt werden.
Provokative Aussagen gehörten zwar schon immer zur Kultur des Gangsta-Rap. Einer der entscheidenden Unterschiede zwischen der Hip-Hop-Kultur der 80er- und 90er-Jahre in den USA und dem Rap der Neuen Rechten sei jedoch, dass der Unterschied zwischen Bühnenfigur und Privatperson bei den Rappern der Neuen Rechten aufgehoben werde:
Keine Trennung zwischen Bühnen- und Privatperson
"Die Interpreten und Interpretinnen haben damals nach außen hin immer sehr deutlich gemacht, dass sie in dem Moment, wo sie ihren Hip-Hop-Track performen, eine Rolle übernehmen. Diese Trennung zwischen Bühnen- und Privatperson nimmt jemand wie Chris Ares überhaupt nicht vor. Es ist nicht mehr ganz so einfach zu unterscheiden: Was ist zuerst, der Hip-Hopper oder der rechtsextreme Aktivist?"
Man müsse heute feststellen, dass eine genuin rechte Popkultur existiere, ausgehend von massenkompatibler rechter Popmusik: "Jede Gesellschaft macht die Musik, die ihrem inneren Einstellungspotential entspricht", sagt Hindrichs. Man könne von der Popmusik aber auch nicht erwarten, dass sie die Welt rette. "Das müssen wir dann schon selber machen."
(rod)