Schönste unkomponierte Oper aller Zeiten

Das Schlimmste musste verhindert werden: "Keine Oper und keine Heirat versuchen" – dies die altersweisen Prinzipien des Johannes Brahms. Und doch hat der produktive Liedkomponist eine Art Oper hinterlassen: die Kantate "Rinaldo". Die Berliner Philharmoniker führen Brahms’ Opus 50 jetzt zum ersten Mal überhaupt auf – und am Pult steht kein Geringerer als Claudio Abbado.
Natürlich: Längst prangt im Online-Kartenbüro der Berliner Philharmoniker das rote "Ausverkauft"-Etikett über den drei Konzerten, die Claudio Abbado wie jeden Mai in der Berliner Philharmonie gibt. Der ehemalige Chefdirigent des Hauses entfesselt nach wie vor die gewaltigste Kartennachfragewelle des hauptstädtischen Klassiklebens. Keine Karte? Kein Problem! Deutschlandradio Kultur überträgt den ersten Auftritt Abbados live, und wie immer kann man sich nicht nur auf ein besonders schön musiziertes, sondern generell auf ein besonders schönes Programm freuen.

Der inzwischen 76 Jahre alte Maestro gehört ja nicht zu jenen Kapellmeistern im (Un-) Ruhestand, die sich einmal im Jahr mit ihrer jeweils liebsten Bruckner- oder Mahler-Sinfonie hören lassen. Nein, er liebt es, sich selbst und das Publikum mit ungewöhnlichen Werken und ungewöhnlichen Zusammenhängen zu konfrontieren. Wie maßgeschneidert passt Abbados neuester Streich zum Brahms-Schönberg-Schwerpunkt dieser Saison: Nach drei prominent orchestrierten Schubert-Liedern kommen kammerorchestrale Auszüge aus den "Gurreliedern" von Arnold Schönberg, gefolgt von Brahms’ Kantate "Rinaldo" für Tenor-Solo, viele Männerstimmen und Orchester.

Abbados Programm entwirft eine imaginäre Oper, die sich aus dem Herzen des Lied-Repertoires heraus entwickelt. Dieser Abend bringt drei Großmeister des Liedes zusammen, die mit der Gattung Oper nicht zurecht kamen. Jeder scheiterte auf seine Weise: Schubert mangelte es an guten Libretti; Schönberg mangelte es an Kraft, sein eigenes, hochabstraktes "Moses und Aron"-Libretto fertig zu komponieren; Brahms hatte eben so seine Prinzipien (siehe oben). Wenn Brahms Claudio Abbado und Jonas Kaufmann gekannt hätte – er hätte es sich gewiss noch einmal überlegt…



Live aus der Philharmonie Berlin


Franz Schubert
"Gretchen am Spinnrade" D 118
(bearbeitet für Stimme und Orchester von Max Reger)

"Nacht und Träume" D 827
(Bearbeitet für Stimme und Orchester von Max Reger)

"Erlkönig" D 328
(bearbeitet für Stimme und Orchester von Hector Berlioz)

Arnold Schönberg
Orchester-Zwischenspiel und "Lied der Waldtaube" aus: "Gurrelieder"
(Version für kleines Orchester)

ca. 20:45 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
Backstage philharmonisch - Rundgang durch die Berliner Philharmonie
Von Eva Blaskewitz
Johannes Brahms
"Rinaldo", Kantate für Tenor-Solo, Männerchor und Orchester op. 50


Christianne Stotijn, Mezzosopran
Jonas Kaufmann, Tenor
Herren des Rundfunkchors Berlin
Herren des Chors des Bayerischen Rundfunks
Berliner Philharmoniker
Leitung: Claudio Abbado