Zum Tag der Freundschaft
Freundschaft gehört zum Leben - seit 2011 ist der 30. Juli Internationaler Tag der Freundschaft. © IMAGO / imagebroker / IMAGO / imageBROKER / Oleksandr Latkun
Betrachtungen über ein inniges Gefühl
Wir können mit ihnen über alles reden und lieben sie - auch wenn sie uns manchmal auf die Nerven gehen: Gute Freunde sind das Salz in unserer Lebenssuppe. Das war seit Menschengedenken so. Seit 2011 ist der 30. Juli Gedenktag für die Freundschaft.
Vor ein paar Tagen habe ich mich mit einer guten Freundin in einer unserer alten Lieblingsbars getroffen. Sie lebt seit vielen Jahren schon in Frankfurt, einmal im Jahr besucht sie mit ihrer Familie Berlin. Und fast ebenso regelmäßig besuche ich sie in Frankfurt. Beim Anstoßen mit einem Gläschen Crémant stellten wir fest: „Hey, nächstes Jahr feiert unsere Freundschaft Silberhochzeit!“ 25 Jahre - das ist eine lange Zeit.
Wir lernten uns Ende der 90er-Jahre auf der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes kennen. Fingen an zu quatschen, quatschten vier Stunden durch und quatschten auf der Heimfahrt in ihrem Auto weiter. Es war Freundschaft auf den ersten Blick. Wir haben in vielem einen ähnlichen Blick auf die Welt und es gibt kaum ein Thema, über das wir nicht miteinander reden können. Dabei sind wir durchaus nicht immer einer Meinung.
Konstante menschlichen (Zusammen-)Lebens
Ein auf gegenseitige Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander - so definiert der Duden etwas sperrig die Bedeutung von Freundschaft. Geprägt wird dieses Verhältnis neben Sympathie aber vor allem auch durch gegenseitiges Vertrauen. Und fest steht auch: Freundschaft ist eine feste Grundkonstante menschlichen (Zusammen-)Lebens.
Ihre Bedeutung ist so groß, dass sich Mensch zu allen Zeiten Gedanken zu ihr und über sie gemacht haben. Zeugnis davon geben Mythen, religiöse Schriften und theoretische Betrachtungen - angefangen bei den Philosophen - und in unserer Zeit auch wissenschaftliche Studien.
So untersuchte etwa ein Forscherteam der University of Kansas im Jahr 2018, wie lange es dauert, bis sich Freundschaftsgefühle gegenüber einem anderen Menschen einstellen. Das Ergebnis: Menschen brauchen in der Regel rund 40 bis 60 gemeinsame Stunden, um sich unverbindlich anzufreunden. Eine echte Freundschaft kann nach 80 bis 100 Stunden daraus werden. Richtig gut befreundet ist man der Studie zufolge nach etwa 200 gemeinsam verbrachten Stunden. Das sind gut acht Tage.
Aber auch in Musik, Literatur, darstellender und bildender Kunst ist Freundschaft ein wichtiges, immer wieder aufs neue behandeltes Thema. Auch die Kinogeschichte ist voll von emotionalen Filmen über Freundschaften: „Thelma und Louise“, „Winnetou und Old Shatterhand“, „Ziemlich beste Freunde“, „Butch Cassidy und the Sundance Kid“, „Grüne Tomaten“... Zumeist erzählen sie eine Gemeinsam-gegen-den-Rest-der-Welt-Story von miteinander Verbündeten.
Ein Tag für die Freundschaft
Angesichts ihrer außergewöhnlichen Bedeutung erschien es lange überfällig, dass die Vereinten Nationen einen Internationalen Tag der Freundschaft ausriefen - den 30. Juli. Erinnern soll dieser Tag seit dem Jahr 2011 nicht nur an die Freundschaft zwischen Personen, sondern ausdrücklich auch an die zwischen Länder und Kulturen: für ein gutes und oft vertraglich geregeltes politisches Verhältnis zwischen Völkern oder Nationen.
Beispiel: Die deutsch-französische Freundschaft, 1963 besiegelt durch einen Vertrag. Angesichts all der gewalttätigen, verstörenden und zerstörerischen Konflikte überall auf der Welt wirkt dieser Freundschaftsbund zweier einstmals verfeindeter Länder fast wie ein beruhigender Monolith in der Brandung - seit immerhin 60 Jahren.
Aristoteles und drei Arten von Freundschaften
Das ist doppelt so lang wie durchschnittliche "Herzensfreundschaften" halten. Deren Dauer liege bei gut 30 Jahren, sagt der Psychotherapeut Wolfgang Krüger. Zurückgehend auf den antiken griechischen Philosophen Aristoteles unterscheidet Krüger zwischen drei Arten von Freundschaften: „Herzensfreundschaften“, „Alltagsfreundschaften“ und „Freunden in sozialen Netzwerken“.
"Herzensfreunde" seien jene, denen man absolut vertraue, auf die man sich verlasse und mit denen man alles teilen könne, so Krüger. Und meistens habe jeder Mensch von dieser Sorte nur maximal drei. „Die Freunde, die man um vier Uhr morgens anrufen kann, die zählen“, so hat die Schauspielerin Marlene Dietrich dies Art von Freunden einmal charakterisiert.
Von Dietrich heißt es, sie sei selbst eine sehr treue und verlässliche Freundin gewesen. So pflegte sie unter anderen eine innige Freundschaft mit dem US-Schriftsteller Ernest Hemingway. Er nannte sie liebevoll „Kraut“, sie ihn „Papa“. Die Öffentlichkeit hielt die beiden für ein Paar. Und in gewisser Weise waren sie das auch – nur eben kein Liebes- sondern ein Freundespaar.
Wobei – und das weiß, wer wirklich gute, enge Freunde hat - eine innige Freundschaft auch eine Art von Liebe ist. Deshalb schmerzt ein ernstes Zerwürfnis mit der besten Freundin, dem besten Freund fast ebenso wie Liebeskummer.
„Alltagsfreunde“ wiederum seien die, „die man zum Geburtstag einlädt“, aber denen man vielleicht nicht unbedingt alles anvertraue, sagt Therapeut Krüger. „Darüber hinaus gibt es die sozialen Netzwerke.“ Er meint damit nicht Facebook, Instagram und Co., sondern: „Das sind die Nachbarn, die Kollegen, die Sportvereine. Und alles drei zusammen ergibt ein soziales Dorf.“
Der Mensch braucht ein soziales Dorf
Gibt es auch Menschen, die ohne dieses soziale Geflecht – ohne jede Freundschaft - durchs Leben gehen und alleine klarkommen? Krüger bezweifelt dies: Ein Leben ohne das soziale Dorf bedeute Einsamkeit – und die mache letztlich krank.
Ergebnisse des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 2013 und 2017 legen nahe, dass zu dieser Zeit ungefähr 14 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen zumindest manchmal einsam waren. Es überrascht nicht, dass dieser Wert während der Corona-Pandemie, in der Isolation der Lockdowns, stark stieg: So gaben im SOEP aus dem Jahr 2021 rund 42 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen an, sich einsam zu fühlen.
Dass Freundschaft wie ein Nährboden wirkt, der seelisches wie körperliches Wohlbefinden fördert – das bestätigen immer wieder wissenschaftliche Studien. Auch die Philosophen in der Antike sinnierten bereits darüber. Von römischen Denker und Schriftsteller Cicero etwa stammt der Satz: „Freundschaft verdoppelt unsere Freude und halbiert unseren Schmerz.“ Jede und jeder, der schon einmal bei Liebeskummer, Krankheit, Ärger im Büro oder anderem Schmerz von einem guten Freund oder einer guten Freundin getröstet wurde, würde dieser Aussage vermutlich zustimmen.
Zeitlos schön wirkt auch Aristoteles Definition: „Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern.“ Deshalb sprechen wir von Seelenverwandtschaft, wenn wir Menschen begegnen, von denen wir uns sofort verstanden fühlen, deren Humor wir teilen, die Werte oder auch die Dinge, für die wir uns begeistern können.
Voltaire: Freundschaft braucht Pflege und Nachsicht
Auch Voltaire, französischer Philosoph der Aufklärung, stellte viele Jahrhunderte später fest: „Ein guter Freund ist mehr wert als aller Ruhm der Welt.“ Der Franzose betonte, dass in guten Freundschaften, ebenso wie bei Liebespaaren, eine Mischung aus Sorgfalt und Nachsicht unverzichtbar seien: „Das erste Gesetz der Freundschaft lautet, dass sie gepflegt werden muss. Das zweite lautet: Sei nachsichtig, wenn das erste verletzt wird.“ Auf heute übertragen: Führe keine Strichliste, wer wen häufiger angerufen oder sich zuverlässiger per WhatsApp gemeldet hat.
Voltaire selbst pflegte eine Freundschaft zu König Friedrich II. von Preußen. Über 42 Jahre und zahllose Briefe lang währte ihre Beziehung. Es gab auch mehrere persönliche Begegnungen. Der Monarch und der Philosoph und Schriftsteller verehrten einander und erzürnten einander – und blieben trotz allem bis Voltaires Tod 1778 einander freundschaftlich verbunden.
Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller soll ebenfalls eine enge Freundschaft verbunden haben – eine Doppelstatue in Weimar erinnert an die gemeinsame, kreative Zeit der beiden Dichter. Doch auch diese Beziehung war nicht unkompliziert und sicherlich auch von Konkurrenz geprägt: "Schiller war mir verhasst", urteilte Goethe nach dem ersten Zusammentreffen.
Das änderte sich später grundlegend, als beide gemeinsam die Literaturzeitschrift „Die Horen“ herausbrachten und sich wechselseitig inspirierten. Am Ende war ihre Verbindung mehr als eine kreative Arbeitsbeziehung. Als er von Schiller Tod erfuhr, soll Goethe geklagt haben, er habe nun „die Hälfte seines Daseins verloren“.
Freundschaft unter Politikern?
Auch unter Politikerinnen und Politikern - selbst aus unterschiedlichen politischen Lagern – gibt es bisweilen echte Freundschaften. Auch wenn der Politikwissenschaftler Claus Leggewie bezweifelt, dass dies möglich ist. Denn Beziehungen in der Politik seien „immer utilitär“, sprich: ausschließlich vom Nutzen bestimmt, also eine Zweckgemeinschaft auf Zeit.
Volker Kauder (CDU) und der 2012 verstorbenen Peter Struck (SPD) haben das Gegenteil bewiesen. Beide waren Bundesfraktionsvorsitzende ihrer Parteien während der ersten Großen Koalition unter Angela Merkel, 2005 bis 2009. Aus dem gemeinsamen Interesse, die schwarz-rote Regierung vier Jahre lang zusammenzuhalten, wurde eine herzliche Freundschaft. Das kann man unter anderem in Strucks 2010 veröffentlichtem Buch „So läuft das: Politik mit Ecken und Kanten“ nachlesen. Doch solche Freundschaften sind in der Politik sicherlich selten.
Freunde fürs Leben
Ungeachtet dessen: Wirklich gute Freundschaften halten oft ein Leben lang, auch das belegen immer wieder Studien. Ich kann das bestätigen. Meine älteste Freundin, mit der ich Abitur gemacht habe, kenne ich seit 44 Jahren. Sie lebt in England, und selbst wenn wir uns bisweilen lange Zeit nicht treffen, sind wir uns bei Wiedersehen sofort wieder nahe. Sie wird irgendwann, wenn die Elterngeneration nicht mehr da ist, einer der wenigen Menschen sein, die mich schon als Kind gekannt haben. Und das ist ein gutes Gefühl.