1. Norddeutsche Kunsthochschulen-Bar-Meisterschaft

Der Tresen als Gesamtkunstwerk

Kunstwerke gab es, und getrunken wurde auch.
Vier mehrdimensionale Bar-Kunstwerke kämpften in Hamburg um den Titel. © imago / Westend61
Von Axel Schröder |
Eine feucht-fröhliche Performance: Im Foyer des Hamburger Kunsthauses wurde die Erste Norddeutsche Kunsthochschulen-Bar-Meisterschaft ausgetragen. Vier sehr unterschiedliche Konzepte traten gegeneinander an – darunter ein Tresen auf einem Baugerüst.
Aus sechs Wasserhähnen tropft unablässig der Absinth auf Zuckerwürfel, lässt sie zerfallen, tropft weiter in die Gläser darunter. Für den Wettbewerb um das beste Bar-Konzept haben die HFBK-Studentin Lies Müller und ihre Kommilitonen die Apparatur im Foyer des Hamburger Kunsthauses aufgebaut, in Anlehnung an die schon 400 Jahre alte Idee der "Absinth-Fontänen":
"Eine Absinth-Fontäne kommt aus Frankreich. Das ist eigentlich ein Glasbehälter, den man auf den Tisch stellen kann mit zwei bis vier Hähnen. Absinth ist ja auch mythisch und wir sind ja auch im Kunsthaus - und van Gogh soll sich das Ohr abgeschnitten haben im Absinth-Rausch. Also fanden wir das auf der Ebene auch passend."
Die Absinth-Fontäne ist eins von vier Bar-Konzepten, die im Kunsthaus vorgestellt wurden. Am späten Abend, beschallt von einem DJ. Konzipiert und organisiert hat diese Ersten Norddeutschen Kunsthochschul-Bar-Meisterschaften der Hamburger Künstler und Betreiber des Projekts "noroomgallery" Jan Holtmann*):
"Es geht nicht mehr darum, ein Werk zu präsentieren - wenn man die Bar als Galerie sehen würde, wäre das Werk ja das Getränk - sondern es sind eigentlich Gesamtkunstwerke, bei denen Inszenierung, Installation, Performance, Einbeziehung des Publikums, Begehbarkeit und die Kostüme eine Rolle spielen.

Ein mehrdimensionales Kunstwerk

Und diese Mehrdimensionalität der Bar als Kunstwerk führt am Ende zu einem erstaunlichen Ergebnis, erklärt Jan Holtmann:
"...dass 'Bar' mehr ist als ein bestimmter Zeitpunkt an einem Ort."
Jan Holtmann muss es wissen. Er hat schon in den 90er Jahren die Mobile Bar ins Leben gerufen. Er rettete kurz vor dem Abriss einen anderthalb Meter langen Original-Tresen-Abschnitt aus seiner einstigen Lieblings-Bar, aus Heinz Karmers Tanzcafé. Der Tresen wurde in Baulücken, Hinterhöfen und Privatwohnungen aufgebaut und verlängerte das Leben des alten Tanzcafés. Bis das Möbelstück, das so viele Gelage erlebt, so viele Geschichten belauscht hatte, über das Unmengen von Alkohol gereicht wurden, nach einem Gastspiel in Hamburgs Kulturfabrik Kampnagel aus Versehen verschrottet wurde. Ein Verlust, der Jan Holtmann noch heute schmerzt. Dafür stehen jetzt gleich vier Bars im Foyer des Kunsthauses, eine davon auf einem Baugerüst, erreichbar nur über eine schmale Alu-Treppe.
Hinterm Tresen steht Florian Schott, Kunst-Student aus Kiel, mit oranger Warnweste über dem freien Oberkörper:
"Die Bar? Wie sieht die aus? Die Bar ist wahrscheinlich relativ protzig so im Raum. Ist letztendlich eine Holzkonstruktion, die ummantelt ist von einem Baugerüst, wie man das vom Bau kennt. Und so haben wir ein bisschen Baustelle in dieses minimalistische schicke Foyer gebracht."
Hinter ihm an der Wand hängt das Poster einer barbusigen Schönheit, umrahmt von einer Hawaii-Kette in Schwarz-Rot-Gold. Auf der handgeschriebenen Getränkekarte stehen: Bier für 1,50 Euro, Korn Kola für 2,50 Euro, Korn Kaffe ein Euro, halbes Mettbrötchen zwei Euro.
"An der Baustelle finden wir einfach die Materialien interessant: OSB, Folien, unterschiedliche Netze. Ist einfach der Look, der uns einfach anspricht."

Die intimste Bar gewinnt

Kurz vor ein Uhr verkündet dann Jan Holtmanns das Ergebnis der Ersten Norddeutschen Hochschul-Bar Meisterschaft:
Den Jury-Preis gewinnt ein kleiner schwarzer, von maximal vier Personen begehbarer Kubus. Nichts für Klaustrophobiker, dafür mit einer unschlagbar intimen Atmosphäre. Den Publikumspreis bekommt die Bar auf dem Baugerüst.
"Auffällig ist ja, dass der Gewinner des Jury-Preises schon die Bar ist, die am wenigsten besucht wird. Was auch daran liegt, dass sie am kleinsten ist, den kleinsten Raum anbietet, dunkel ist. Vom Publikum wird die nicht angenommen.
Das Publikum drängt sich auf dem schmalen Baugerüst, Flaschenbier in der einen, die Zigarette in der anderen Hand. Diskutiert werden auch die Ungereimtheiten bei der Auszählung der Stimmen. Die Kieler Studenten hätten geschummelt, heißt es, und schon ausgefüllte Stimmzettel unter die Leute gebracht. Am Ende ist der Ärger schnell vergessen, verschwimmt im Strom der Gespräche, geht unter in den Bässen der Musik, verdünnt sich mit viel Absinth und Bier und Korn. Und wandelt sich mit etwas Glück in neue Ideen, neue Begegnungen und Inspiration, mindestens aber in einen Kater am morgen danach.
*) Richtigstellung: Jan Holtmann ist Künstler und nicht Kulturaktivist
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