Neuanfang nach der Katastrophe
24:23 Minuten
Seit der Nuklearkatastrophe in Fukushima ist viel passiert: Städte wurden wieder aufgebaut, Schutzmauern errichtet, die Arbeiten in dem havarierten Kernkraftwerk fortgesetzt. Die Region möchte Vorreiter sein in Sachen erneuerbare Energien. Aber reicht das?
Der Deutsche Jürgen Oberbäumer merkt an jenem 11. März sofort: Das ist keines der üblichen Beben. Es ist stärker, länger. Der heute 66-Jährige lebt rund 30 Kilometer südlich des Kernkraftwerks Fukushima.
Damals unterrichtet er gerade eine Englischschülerin.
"Hier stand mein Auto auf dem Parkdeck, das war ungefähr fünf Minuten nach dem Beben. Zwischendurch haben wir noch in dem Raum alles klargemacht. Ein Fenster war geborsten, das haben wir überklebt. Der Raum hatte ein schönes, großes Aquarium gehabt, das umgekippt war. Die Fische sind da alle gestorben oder erstickt. Das habe ich gar nicht bemerkt, so war man in der Wahrnehmung auch eingeschränkt", erzählt Jürgen Oberbäumer.
Er springt ins Auto, will nach Hause fahren zu seiner Frau. Ein Handy hat er damals noch nicht. Im Radio und auf den Straßen wird bereits vor dem Tsunami gewarnt.
"Wir gehen jetzt die Treppe hoch, die ich damals mit meinem kleinen Rucksack mit den Wertsachen auch gegangen bin. Dies ist ein kleiner Hügel hinter meinem Haus, da ist ein kleiner Tempel, den ich gut kannte. Und das war meine Idee: Gehst da mal rauf, da biste sicher."
Nach dem Beben, der Tsunami
Eine richtige Entscheidung des Ostwestfalen aus dem Kreis Herford. Auch einige Japaner haben dort Zuflucht gesucht. Durch die Bäume kann man das Meer sehen, alle gucken ängstlich dorthin.
"Und dann sagte einer von denen, das ist mir unvergesslich. Jetzt ist es gekommen. Da unten bis zur Augenklinik. Die Stimmung war schon ziemlich bedrückt."
Der Tsunami wird insgesamt etwa 20.000 Menschen in den Tod reißen, Tausende müssen ihre Heimat verlassen. Auch im Atomkraftwerk Fukushima Daichii spielen sich derweil dramatische Szenen ab. 50 Minuten nach dem Seebeben trifft die gewaltige Flutwelle auf das Kraftwerk. Der komplette Strom in den drei Reaktoren, die zurzeit am Netz sind, fällt aus. Mitarbeiter von Tepco haben die Szene später nachgestellt.
Als das Unglück passiert, sind sie völlig überfordert, eine solche Situation haben sie nie simuliert. Radioaktivität tritt aus. Alle Häuser im Umkreis von 3 und dann 10 Kilometern werden evakuiert.
Japans damaliger Regierungschef, der Demokrat Naoto Kan, fliegt zum Atomkraftwerk: Vier Tage später sagt er auf einer Pressekonferenz: "Nach den Wasserstoff-Explosionen in Block 1 und 3 steht Block 4 in Flammen. Die Radioaktivität in der Umgebung ist ziemlich hoch."
Trotz Katastrophe - die Atmokraft bleibt
Der Evakuierungsradius wird auf 20 Kilometer ausgeweitet, betroffen sind 160.000 Menschen. In Deutschland wird die Katastrophe der Anfang vom Ende der Atomkraft sein, in Japan nicht. Das ostasiatische Land hätte ein Pionier werden können, sagt Oberbäumer, der die Katastrophe in mehreren Büchern aufgearbeitet hat. Doch die fast durchgängig regierenden Liberaldemokraten seien zu eng mit der Atomwirtschaft verbunden. So wie mit der Bauwirtschaft.
Der Buchautor fährt zum Meer, er sei lange nicht mehr hier gewesen, sagt er. Der wunderschöne Sandstrand ist breit und schließt mit einer hohen Mauer ab. Beton, wo früher Bäume standen. So sieht es inzwischen an vielen Orten an der Pazifikküste aus.
"Mauern schützen ja nicht wirklich. Die Mauern werden letzten Endes überspült und von der Landseite dann instabil gemacht, das ist ja ein bekanntes Phänomen. Das ist ja auch hier passiert. Die Mauern, die 2011 da waren, haben bis auf eine eigentlich nichts gebracht", sagt Oberbäumer.
Nun wurden viele neu und nochmals höher gebaut, kleine Buchten sind weitgehend verschwunden. Man hätte Dämme bauen, Flüsse sanft umleiten können, doch in Japan kenne man eben immer nur Beton, bedauert der Ostwestfale. Dass er damit nicht falsch liegt, kann man in Rikuzentakata sehen. Der Tsunami zerstörte fast alle Häuser des damals 25.000 Einwohner zählenden Ortes.
Der Neuaufbau der Städte
Der 70 Jahre alte Fumiaki Konno stand damals auf einer Anhöhe, 27 Meter über dem Meeresspiegel. "Man sieht hier, wie der bis zu 16 Meter hohe Tsunami die Stadt schluckt, und man sieht noch das letzte Stockwerk eines vierstöckigen Gebäudes."
Er zeigt ein Video auf seinem Laptop. Das Gebäude wird binnen Sekunden vom Wasser verschluckt.
Fumiaki Konno holt aus einer großen Reisetasche ein altes Fotobuch. Am Strand stehen gelb-rote Sonnenschirme, dahinter ein dichter Kiefernwald. Davon ist nur eine einzige Kiefer übriggeblieben.
Für mehr als eine Milliarde Euro wurde Rikuzentakata wiederaufgebaut, allerdings nicht am Meer da ist jetzt der Betonwall.
Der überwiegende Teil der Menschen wohnt jetzt 50 Meter über dem Meeresspiegel auf einem Berg. In dem zweiten Gebiet, das auf neun Meter aufgeschüttet wurde, steht auch zehn Jahre nach dem Tsunami noch mehr als die Hälfte der Flächen leer, die Einwohnerzahl liegt 20 Prozent unter der von 2011.
Versuch der Wiederbelebung
Makoto heißt ebenfalls Konno mit Nachnamen und arbeitet in der Stadtverwaltung. Er räumt ein, dass man schon weiter sein wollte, er versucht aber optimistisch zu bleiben. "Wir haben einige Neuansiedlungen von jungen Leuten, die das Leben hier attraktiv finden und aus der Großstadt gekommen sind, und die sich am menschlichen Wiederaufbau der Stadt beteiligen."
Dazu gehört der Patissier Juichiro.
"Noch wohnen wir in einer städtischen Unterkunft, aber ich baue gerade hier unten mitten in der Stadt. Bald ziehen wir um."
Im Geschäft des 45-Jährigen duftet es nach Butter. In den Auslagen liegen liebevoll verpackte Kekse, in der Vitrine steht frischer Kuchen. Immer wieder kommen Kunden.
"Den Stadtkern hier unten gibt es ja erst seit drei Jahren, die neue Stadt ist noch gar nicht geboren. Aber wir wollen es sozusagen mit in die Hand nehmen, dass die Stadt attraktiver und lebendiger wird. Und mein Geschäft trägt bestimmt auch dazu bei."
Vor seinem Geschäft sieht es indes ein bisschen traurig aus. Der Spielplatz ist verlassen, trotz Mittagszeit sind die Geschäfte leer. Abends wirkt die ganze Gegend fast gespenstisch. Auch zehn Jahre nach dem Tsunami gibt es nicht genügend Kinder in Rikuzentakata für einen Schulbetrieb. Zurückgekommen sind meist alte Menschen, jüngere haben sich anderswo etwas aufgebaut. Manche haben auch einfach Sorge vor einem weiteren Tsunami an der japanischen Pazifikküste – und in der Region Fukushima, die weiter südlich liegt, auch vor der radioaktiven Strahlung.
Wohin mit den Abfällem?
Wer sich über die aktuelle Lage in dem Atomkraftwerk einen Eindruck verschaffen will, kann das im Informationszentrum des Kernkraftbetreibers Tepco tun, nur wenige Kilometer vom AKW entfernt.
Den ersten Überblick über das damalige Geschehen gibt ein Film. Ansonsten geht es in der Ausstellung um die aktuellen Herausforderungen in dem havarierten Kraftwerk. Etwa die mehr als 1000 Tanks mit Tritium belastetem Wasser auf dem Gelände. Es ist das Kühlwasser aus den geschmolzenen Reaktoren. Nächstes Jahr werden sie voll sein. Doch wohin damit? Die Regierung kam zu dem Schluss, die günstigste Variante sei ein Ablassen ins Meer.
Ausstellungsleiter Jun Tsuruoka: "Von den zwei Möglichkeiten der Wasserentsorgung – es verdunsten oder verdünnt ins Meer abzulassen, glauben wir nach der wissenschaftlichen Untersuchung, dass es den Menschen weniger schadet und die realistischere Variante ist, es ins Meer einzuleiten. Aber natürlich bereitet das den Fischereibetrieben Sorgen, die um ihren Absatz bangen. Deshalb wird darüber noch diskutiert."
Eigentlich hatte die Regierung ihre Entscheidung bereits bekanntgeben wollen, diese dann jedoch kurzfristig zurückgezogen ohne einen neuen Termin zu nennen. Nach Informationen des ARD-Hörfunks gibt es jetzt auch die Option, weitere Tanks aufzustellen, obwohl das bislang nie zur Debatte stand.
Fischer wünscht sich unabhängige Kontrollinstanz
Ruhig schaukeln die Schiffe im Hafen von Onahama. Heute sind nur die Küstenfischer rausgefahren, deshalb ist in der Fischverarbeitungshalle nicht viel los.
Um Punkt 11 Uhr wird mit der Glocke gebimmelt, dann versammeln sich ein Dutzend Männer um die blauen und orangefarbenen Kisten. Toshihito Ono hat ein Unternehmen für Fischverarbeitung und leitet auch eine entsprechende Genossenschaft. Dass die Regierung ihre Entscheidung über das Wasser nochmals vertagt hat, sieht er als gutes Zeichen.
"Wir waren ja auch erst davon ausgegangen, dass sich die Regierung schon entschieden hat. Aber im Laufe der Gespräche haben sie gemerkt, dass der Widerstand gegen das Ablassen des Wassers größer ist als sie erwartet hatten. Vielleicht besinnen sie sich deshalb noch."
Und selbst wenn es eingeleitet würde, möchte er, dass man statt von kontaminiertem von "behandeltem" Wasser spricht. Anderenfalls würde der Ruf Fukushimas noch schlechter, sagt er.
"Wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann sollte das Wasser von unabhängigen Experten nachgeprüft werden, zum Beispiel von den Vereinten Nationen", sagt Toshihito Ono. "Denn weder wir Fischer noch die Bevölkerung haben ausreichend wissenschaftliche Kenntnisse, um die Qualität des Wassers zu beurteilen. Deshalb braucht es da eine Kontrollinstanz."
Neben der Frage, was mit dem tritiumhaltigen Wasser passiert, steht Kernkraftbetreiber Tepco auch beim Rückbau des AKW vor enormen Herausforderungen. Unter anderem muss die Kernschmelzmasse untersucht und dann irgendwann entfernt werden. Zuletzt versuchten Mitarbeiter am AkW herauszufinden, wie es um die nicht geschmolzenen Brennstäbe steht, so der Leiter des Tepco-Informationszentrums Tsuruoka.
"Derzeit werden aus den Reaktoren 1 und 2 die Trümmer entfernt, die durch die Explosion entstanden sind. Und es wird die radioaktive Belastung untersucht. Das dient der Vorbereitung, um die Brennstäbe herauszuholen."
Läuft alles nach Plan, soll das 2027 passieren und bis 2031 abgeschlossen sein.
Wer mit dem Auto in Fukushima unterwegs ist, wird sich garantiert mindestens einmal verfahren. So viele Straßen sind neu entstanden, dass die Navigationsgeräte kaum hinterherkommen. Und einige Ortsteile sind wegen hoher Strahlenwerte nach wie vor Sperrzone.
Es ist ein beklemmendes Gefühl durch die verlassenen Gegenden zu fahren, fast so als bewege man sich in einer Filmkulisse. An einer Ecke steht ein Elektronikmarkt. Er hätte einen Tag nach der Reaktorkatastrophe eröffnen sollen.
An einer anderen ein bunt bemalter VW-Bus - seit 10 Jahren.
Die Rückkehrer
Zu den Orten, in denen erst in den letzten beiden Jahren überhaupt Teile freigegeben wurden, gehört Okuma, rund sieben Kilometer südwestlich vom Atomkraftwerk Fukushima Daichii.
Im Supermarkt sind die Regale vor allem mit zwei Dingen gut gefüllt: Alkohol und Instant-Suppen-Nudeln. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass in Okuma vor allem männliche Singles leben. Konkret sind das 600 Arbeiter von Tepco, die den kontaminierten Müll entsorgen. Insgesamt leben in ganz Okuma nicht einmal 1000 Menschen. Vor der Katastrophe waren es zehnmal so viel.
Und auch hier: Zurückgekommen sind vor allem ältere Menschen. So wie Hideatsu Matsunaga und seine Familie. Er hat durch den Tsunami sein altes Haus am Meer verloren und nun in Okuma-Stadt neu gebaut.
Im Garten wachsen Gemüse und Mandarinen, in einem Teich schwimmen Koi-Karpfen.
"Sicher, früher haben wir an der Küste gewohnt, am Meer, aber andererseits fühlen wir uns inzwischen auch hier wohl. Wir haben einen Fluss in der Nähe, so wie früher. Also es ist doch Heimat geworden", sagt Hideatsu Matsunaga.
Obwohl Hideatsu früher selbst politisch für die Liberaldemokraten, die Japan seit Jahrzehnten fast durchgängig regieren, aktiv war, fühlt er sich in gewisser Weise betrogen.
"Wir sind aufgewachsen in dem Glauben, dass ein AKW eine supersichere Sache ist, das war sozusagen wie eine Art Gehirnwäsche. Bloß diese Sicherheit ist zusammengebrochen. Heute sage ich. Dieses Wundermittel Atomkraft von Null auf sofort sehr viel Energie zu produzieren, ist vielleicht attraktiv, aber die Sicherheit geht vor. Das sollten wir laut weitersagen."
Es sei schon verrückt, dass Deutschland danach den Atomausstieg erklärt habe und Japan immer noch weiter auf Atomenergie setze, findet der 68-Jährige.
Imageproblem der Lebensmittel aus Fukushima
Das sehen seine Freunde Hideto und Hiromi Tachibana, die gerade zu Besuch sind, ähnlich.
"Die nationale Energiepolitik setzt auf Atomkraft. Dennoch: Trotz dieses Unfalls hat sich die Regierung bis heute nicht bei uns entschuldigt. Ich habe kein Vertrauen mehr in die Regierung", sagt Hideto Tachibana.
Diese habe auch viel zu wenig getan, um das Image der Region zu verbessern. Die Menschen seien weiter misstrauisch.
"In einem Gemüsegeschäft lagen zwei Sorten Paprika nebeneinander, die einen kamen aus China und die anderen aus Fukushima. Letztere waren sogar billiger, aber ein Kunde sagte trotzdem: 'Ah, aus Fukushima, nein Danke, ich nehme lieber Paprika aus China'", erzählt Hiromi Tachibana.
Immer noch sind die Vorbehalte innerhalb der japanischen Bevölkerung gegenüber Lebensmitteln aus Fukushima groß, obwohl Japan inzwischen Produkte fast überallhin exportieren darf.
Georg Steinhauser ist Professor für Radioökologie an der Leibniz Universität Hannover. Lebensmittelsicherheit in Fukushima ist eines seiner Spezialgebiete.
"Der Verzehr von Produkten aus Fukushima ist meines Erachtens völlig unproblematisch. Die Lebensmittelsicherheit in Japan hat ein Maß an Sicherheit erreicht, dass es weltweit wahrscheinlich kein zweites Mal gibt."
Der Radioökologe hatte bereits 2014 einen Selbstversuch gemacht und sich während eines Japanaufenthalts drei Monate lang nur von Produkten aus Fukushima ernährt. Als er wiederkam, war er selbst überrascht, dass er keinerlei erhöhte Werte aufwies.
Doch es gibt auch immer wieder Ausreißer. So wurden im Februar bei einer Fischart fünffach erhöhte Cäsiumwerte festgestellt.
Das Misstrauen gegenüber der Regierung und dem Energiebetreiber Tepco und anderen aus der Branche ist aufgrund zahlreicher Versäumnisse groß.
Prämien für Umzugswillige
Die Wahrheit wurde manches Mal erst auf öffentlichen Druck hin bekannt, immer wieder kamen Bestechungsskandale ans Licht.
Fukushima wiederzubeleben ist da doppelt schwer. Die Bevölkerungszahl in den Gemeinden rund um das havarierte AkW liegt weit unter der von 2011.
Die Regierung pumpt deshalb Milliarden in die Region. Ab diesem Frühjahr zahlt sie Umzugswilligen Prämien von bis zu 16.000 Euro.
Und sie setzt auf Spitzentechnologie, damit Fukushima zu dem wird, was der Name bedeutet: "Glücksinsel" oder "Insel der Freude". Für Takahide Matsuura ist die Region das schon auf gewisse Art und Weise. Er hat hier auf dem Robotertestfeld beste Bedingungen für seine Firma Terra Labo vorgefunden.
"Wir entwickeln Dronenflugzeuge, und um die zu testen braucht es eine Lande- und Startbahn von einer bestimmten Länge. Und die gibt es für industrielle Zwecke in ganz Japan nur in Fukushima. Deshalb haben wir uns direkt nachdem es ausgeschrieben war, beworben und den Zuschlag bekommen."
Der Hüne steht in seinem Hangar. Als das Robotertestfeld 2018 eröffnet wurde, war es das erste weltweit mit einem Dronentestgelände. Auf der 500 Meter langen Startbahn wartet bereits der Stolz von Firmenchef Matsuura.
Ein Dronenflugzeug hebt ab. Der Prototyp kann bis zu 140 Kilometer pro Stunde erreichen, ist aus Verbundwerkstoff und wiegt keine 20 Kilo. Weil die Drone kaum Metall enthält, könnte sie unter anderem gut für militärische Zwecke eingesetzt werden.
"Wir bekommen Zuschüsse von der Stadt, von der Präfektur. Es sind Fördermittel für den Wiederaufbau von Fukushima vorhanden. Und es gibt weitere, sehr günstige Bedingungen für uns. Und da wir jetzt hier sind, können wir auch leichter neue Investoren suchen und finden", sagt Matsuura.
Neue Leuchtturmprojekte
Ähnlich ist die Situation beim Fukushima Hydrogen Energy Research Field. Auf einer Fläche von 22 Hektar wird dort zur Wasserstoffproduktion geforscht. Fünf Unternehmen haben sich unter dem Dach der staatlichen Organisation für Forschungs-und Entwicklungsprojekte, kurz NEDO, zusammengeschlossen. Alles ist streng geheim, die Anlage darf nur von außen besichtigt werden.
Eiji Ohira arbeitet bei NEDO, er hat den etwas umständlichen Titel: Generaldirektor der Abteilung "Batterie für die nächste Generation und Wasserstoff".
Er führt herum und bleibt vor mehreren Tanks stehen.
"Das sind Speichertanks. Wir haben acht davon, jeder ist achtzehn Meter hoch und kann etwa bis zu 5 Kilo Wasserstoff aufnehmen."
Die Anlage, die erst vor einem Jahr eröffnet wurde, gilt als Leuchtturmprojekt, auch weil sie mit Solarstrom betrieben wird. Sie passt gut zu den Klimazielen Fukushimas. Bis 2040 soll sämtliche Energie erneuerbar gewonnen werden. Die Präfektur nimmt in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle in Japan ein. Und: Der Ausbau des Wasserstoffs ist eins der zentralen Ziele der japanischen Regierung. Ohira fährt in Japanisch fort.
"Forschungen zu Wasserstoff sind ja schon mehrere Jahre alt, aber unsere Technologie steckt noch in den Kinderschuhen."
Ziel müsse es zudem sein, grünen Wasserstoff zu produzieren. Das bedeutet: Wasserstoff, der durch Wasserspaltung aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenenergie oder Wasserkraft gewonnen wird.
"Um die Energiestruktur eines Landes zu verändern braucht es Jahrzehnte. Forschung und Entwicklung ist die eine Sache, wir müssen auch das Vertrauen der Bevölkerung für Wasserstoff gewinnen. Und es müssen junge Leute ausgebildet werden, die unsere Systeme weiterentwickeln können."
Noch sei das Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber Wasserstoff sehr groß, so der Generaldirektor. Interessant ist: Wie beim Robotertestgelände geht es auch beim Wasserstoffzentrum momentan weniger darum, Arbeitsplätze zu schaffen und Menschen dauerhaft an die Region zu binden. Vielmehr müsse das angekratzte Image Fukushimas aufpoliert und das Bild der Reaktorkatastrophe durch etwas Neues, Fortschrittliches ersetzt werden, sagt Ohira.
Dabei sollen im Sommer die Olympischen Spiele helfen. Sie sollen im Zeichen des Wasserstoffs stehen.
Olympia soll es richten
"Wir hoffen, dass für die Sommerspiele unser Wasserstoff für das Olympische Feuer verwendet wird, gerade weil der hier in Fukushima mit Strom aus erneuerbaren Energien produziert wird."
Das wäre sicher ein wichtiges Signal für die Menschen in Fukushima. Olympia, so wird die japanische Regierung nicht müde zu betonen, soll ein Zeichen für den gelungenen Wiederaufbau 10 Jahre nach der Katastrophe sein.
Ob diese Rechnung aufgegangen ist, darüber gehen die Meinungen der Menschen in und um Fukushima auseinander. Der Rentner Fumiaki Konno aus dem vom Tsuanami schwer getroffenen Rikuzentakata ist skeptisch.
"Die Olympischen Spiele finden ja alle vier Jahre statt, aber die Region hat sich von dem Tsunami dieser Größe noch nicht erholt. Was ist wichtiger? Und überhaupt ist auch kein Olympia in Japan, sondern in Tokio, das hat mit uns nichts zu tun. Im Gegenteil, durch Olympia hat sich der Aufbau hier sogar verlangsamt und ist doppelt so teuer geworden, weil Gelder und Arbeiter erstmal nach Tokio gegangen sind."
Das sieht sein Namensvetter Makoto von der Stadtverwaltung ein bisschen anders.
"Wir hatten zunächst die Sorge, dass sich durch Olympia alles nur noch um Tokio und die damit verbundenen Neubauten dreht. Doch von diesem ganzen negativen Effekt haben wir Gott sei Dank relativ wenig gespürt. Unsere Stadt wird Athleten aus Singapur aufnehmen, und darauf freuen wir uns alle."
Ob das so kommt, wird man erst noch sehen. In der japanischen Bevölkerung gibt es große Vorbehalte gegenüber Olympia, eine Mehrheit ist dagegen. Ebenso wie gegen die Fortführung der Atomkraft. Dennoch wird sie mit aller Macht vorangetrieben. Kurz vor Jahresende gab der Gouverneur einer der am schlimmsten vom Tsunami betroffenen Regionen grünes Licht für das Wiederanfahren eines AKWs im kommenden Jahr.
Japan hat viel geschafft in den zehn Jahren seit dem 11. März 2011, aber eines hat sich nicht geändert. Was die Bevölkerung will, interessiert die Regierung wenig. Sie macht einfach weiter wie immer.