Die Ausstellung "Rotopol Mystery Show" läuft noch bis zum 27. April 2018.
Ein Verlag erfindet den Comic neu
Die deutsche Indie-Comicszene blüht in Kassel. Vor zehn Jahren entstand dort Rotopol – der Verlag für grafisches Erzählen. Heute ist er international vernetzt und spielt eine wichtige Rolle in der Szene – nicht nur als Verlag, sondern auch als Plattform für die Zeichner.
Ein Beamer projiziert blaue, gelbe und orangefarbene Kästen auf die Leinwand – Panels aus Paula Bullings kürzlich erschienenem Comic "Lichtpause". Leere Panels, die nur noch das Versprechen enthalten, dass sie etwas abbilden könnten, mit Texten wie aus der Bildbeschreibungs-Software von Facebook für Blinde. Zu sehen ist auf dieser Comicseite außer Farben nichts – ein Ausbruch aus dem Kerngeschäft der visuellen Narration.
Paula Bullings erster Comic "Im Land der Frühaufsteher" erschien 2012 im Avant Verlag. "Lichtpause" passte besser zu Rotopol.
Paula Bulling: "Ich hatte vor allen Dingen total große Freiheit, außerhalb sozusagen eines Konventionsrahmens des Buchhandels irgendwie das Buch zu gestalten, also das Buch hat ja nur 40 Seiten, es hat ein komisches Format, ist bisschen größer als A4, das hat jetzt keine sozusagen Story, die man in so einem kurzen Pitch irgendwie zusammenfassen kann, es ist nicht besonders gut vermarktbar aus diesem Grund."
Bei Rotopol kommt vieles zusammen, das quer geht zu den gewohnten Kategorien von Vertrieb und Buchhandel. Der Verlag ist eine Schnittstelle zwischen Graphikdesign, Comic, Buchkunst und Illustration.
Paula Bullings erster Comic "Im Land der Frühaufsteher" erschien 2012 im Avant Verlag. "Lichtpause" passte besser zu Rotopol.
Paula Bulling: "Ich hatte vor allen Dingen total große Freiheit, außerhalb sozusagen eines Konventionsrahmens des Buchhandels irgendwie das Buch zu gestalten, also das Buch hat ja nur 40 Seiten, es hat ein komisches Format, ist bisschen größer als A4, das hat jetzt keine sozusagen Story, die man in so einem kurzen Pitch irgendwie zusammenfassen kann, es ist nicht besonders gut vermarktbar aus diesem Grund."
Bei Rotopol kommt vieles zusammen, das quer geht zu den gewohnten Kategorien von Vertrieb und Buchhandel. Der Verlag ist eine Schnittstelle zwischen Graphikdesign, Comic, Buchkunst und Illustration.
Grafische Poesie nennt das Rita Fürstenau, die den Verlag vor zehn Jahren gegründet hat: "Also es muss nicht alles ein Buch werden, wir haben auch zum Beispiel Leporellos, die sich dann auf 2,60 Meter auffalten, einfach weil die Erzählstruktur das braucht oder auch teilweise Ideen, die dann eben Papierspiele werden"
In der Ausstellung liegen die Buchprojekte auf im Raum verteilten Tischen aus. An den Wänden hängen Originale von Rotopol-Zeichnern wie Nadine Redlich, Anna Haifisch, Max Baitinger, Jesse Jacobs oder Alice Socal.
In der Ausstellung liegen die Buchprojekte auf im Raum verteilten Tischen aus. An den Wänden hängen Originale von Rotopol-Zeichnern wie Nadine Redlich, Anna Haifisch, Max Baitinger, Jesse Jacobs oder Alice Socal.
Festivals und viele internationale Kontakte
Einhergehend mit einem regelrechten Boom kleiner Indie-Comicfestivals kamen auch viele internationale Kontakte mit Zeichnern und Verlagen zustande. Gerade die letzte Dekade verzeichnete so etwas wie eine Blüte des Independent Comics: neben Rotopol feierten kürzlich auch andere Indie-Comicverlage wie "Koyama press" in Kanada, "2d Cloud" in den USA oder "kus! Comics" in Lettland ihre zehnjährigen Jubiläen. Rotopol ist proportional zu diesen Strukturen gewachsen, die Arbeit wird im Kollektiv aufgeteilt.
Rita Fürstenau: "Viele von den Zeichnern, mit denen wir zusammen arbeiten, die arbeiten auch im Verlag ab und zu mal mit und übernehmen auch mal Reisen zu Messen oder organisieren Veranstaltungen oder arbeiten auch redaktionell bei einzelnen Projekten mit."
Auch alle Entscheidungen vom Cover über das Lettering bis hin zum Buchformat werden im Austausch mit den Autoren getroffen. Viel Herzblut, langsame Prozesse machen die Arbeit bei Rotopol aus – mitnichten geht es darum, nur immer neue Bücher zu produzieren, sagt Rotopol-Zeichnerin und -Verlegerin Carmen José: "Klar, die sind ja neu und die bewerben wir auch so, aber dass die alten Bücher noch trotzdem auf der gleichen Linie stehen, dass es schon ziemlich so horizontale Prozesse sind, weil diese Büchermarkt ist ja ziemlich verrückt manchmal"
Auch alle Entscheidungen vom Cover über das Lettering bis hin zum Buchformat werden im Austausch mit den Autoren getroffen. Viel Herzblut, langsame Prozesse machen die Arbeit bei Rotopol aus – mitnichten geht es darum, nur immer neue Bücher zu produzieren, sagt Rotopol-Zeichnerin und -Verlegerin Carmen José: "Klar, die sind ja neu und die bewerben wir auch so, aber dass die alten Bücher noch trotzdem auf der gleichen Linie stehen, dass es schon ziemlich so horizontale Prozesse sind, weil diese Büchermarkt ist ja ziemlich verrückt manchmal"
Experimente statt Markterfolg
Gegen jedes Gesetz des Marktes entstehen bei Rotopol gewagte experimentelle, avantgardistische, poetische Comics – ein Freiraum für Comiczeichner, den man nicht nur in Kassel findet. Die Szene floriert, nicht zuletzt dank der selbstausbeuterischen Arbeit von Verlagen wie Rotopol. Institutionelle Förderung? Fehlanzeige.
Auch Paula Bulling wünscht sich mehr Stipendien für Comiczeichner und Verlage, empfindet die Situation aber ambivalent: "Weil ich einerseits natürlich das Anarchische und Unbürgerliche am Comic total liebe, gleichzeitig sind natürlich die ökonomischen Bedingungen ziemlich schwierig."
"Man kann natürlich im Comic alles machen, was man auch in anderen Medien machen kann, und die Leute machen das ja auch, es gibt total fantastische Reportagen, es gibt ganz viel, ganz ernsthafte Bücher und toll erzählte Geschichten, und es gibt aber natürlich auch immer noch total viele Leute, die vor sich hin spielen, oder irgendwas machen, was nie 'ne große Leserinnenschaft kriegen wird und das ist gut, so muss es bleiben."