„Und so war die Plumpe eben im Prinzip auch eingebaut zwischen Millionenbrücke Gesundbrunnen, ein heutiger Teil von Mitte und damals ein Teil von Wedding. Absolutes Arbeitermillieu. Und direkt am S- und U-Bahnhof Gesundbrunnen gelegen.“
100 Jahre Plumpe
Legendäre Heimstätte: Die Plumpe war ein reines Fußball-Stadion und bis 1974 das Zuhause von Hertha BSC Berlin. © Deutschlandradio / Sören Kablitz-Kühn
Herthas Suche nach einer neuen Stadion-Identität
07:08 Minuten
Bereits seit Jahren diskutieren Hertha BSC und seine Fans über ein eigenes Stadion. Eines wie die Plumpe - die bis Mitte der siebziger Jahre Herz und Identität des Vereins war.
Eigentlich hätte ich gerne meinen Großonkel Rainer gefragt, wie das an und mit der Plumpe war. Er war Hertha-Fan durch und durch und hat mich mit neun Jahren zu meinem Verein gebracht. Doch dazu ist es leider nie gekommen. Als Kind und Jugendlicher war Rainer öfter an der Plumpe. Auch mit seinem älteren Bruder Uli, der noch heute zu Hertha geht. Die Plumpe war ein Sportplatz inmitten von Wohnhäusern.
Das Stadion am Gesundbrunnen nannten die Berliner deshalb die Plumpe, weil es in der Stadt damals zahlreiche Wasserpumpen gab. Eine davon in der Nähe des Sportplatzes war mit einer Heilquelle im nahegelegenen Luisenbad verbunden.
Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte das Stadion ein Fassungsvermögen von 35.000 Zuschauern und war oft ausverkauft.
„Die beiden Geraden, wo normalerweise die Massen sind, waren eigentlich mehr oder minder nur so ein paar kleene Bänke oder sowat. Die Seite zur Straße waren angeblich 3.000 Sitzplätze. Und das Dickste und Fetteste waren halt der Uhrenberg und der Zauberberg. An dem einen Berg war eine Riesenuhr, das war der Uhrenberg und an dem anderen hatten alle den Eindruck, wenn Hertha auf diesen Berg zuspielte, dann fingen sie an brasilianisch Fußball zu spielen, deswegen Zauberberg.“
Hanne Sobek führte Hertha zu zwei Meistertiteln
Seine größten Zeiten an der Plumpe erlebte Hertha BSC Ende der zwanziger bis Anfang der 1930er-Jahre. Sechsmal in Folge erreichte der Berliner Sportklub das Endspiel um die deutsche Meisterschaft. 1930 und 1931 holte die Mannschaft um Vereinslegende Hanne Sobek die bis heute einzigen Meistertitel für den Verein.
Damals als Zwölfjähriger mit dabei der ehemalige Sportjournalist Heinz Beyer: "Als die vom Bahnhof Friedrichstraße im Autokorso kamen, da sind wir barfuß, konnten in den Wagen steigen. Und da bin ich da mitgefahren. Ich kam mir vor, wie ein gefeierter Held. Dabei wollte ich nur ein Autogramm haben."
Familie Beyers Herz schlägt für Hertha BSC
Seine Begeisterung für die Blau-Weißen hat Heinz Beyer an seine drei Kinder weitergegeben. Die Beyers waren und sind eine Hertha-Familie. Auch sein Sohn Knut war schon früh Herthaner.
„Meine Mutter, die hat alles mitgemacht, was da mit Hertha in Verbindung zu sehen war. Also angefangen davon, dass sie uns alles gestrickt hat, was man aus Blau-Weißer Wolle stricken konnte. Damals. Vom Pulswärmer, Schal, Pullover. Die hätte mir wahrscheinlich auch meine erste eigene Wohnung gestrickt, wenn ich sie drum gebeten hätte.“
Nach dem Krieg wird die Plumpe wieder aufgebaut
Diese innige Verbindung mit Hertha war bei den Berlinern auch zu spüren, als der Verein 1950 an die in Teilen wieder aufgebaute Plumpe zurückkehrte. Die Sportanlage war im Krieg stark zerstört worden. Nach der Sanierung hatte sie nur noch 20.000 Plätze. Voll besetzt waren die Tribünen allerdings nur noch bei den Spielen gegen die zugkräftigen Lokalrivalen Tennis Borussia, Tasmania und den Spandauer SV.
„Und dann ging richtig die Post ab. Und ohne Dach entwickelten die beiden Berge, wenn es voll war, eine schöne Dynamik.“
Die Plumpe - ein Ort für Legenden und Anekdoten
Nach dem Krieg hatte die Plumpe längst nicht mehr die Aura wie vorher. Etwas Besonderes hatte das Stadion aber immer noch.
"Umso länger man einen Mythos nicht bedient, ja dann beginnt auch die Legendenbildung. Ich liebe gut erzählte Anekdoten und gut erzählte Legenden, die auch 80 Prozent absoluter Wahrheit und 20 Prozent Interpretation bestehen."
Als Indien in der Plumpe spielte
Geschichten über Menschen die an der Plumpe waren, und Spiele, die dort stattfanden, gibt es reichlich.
„Es gab in Helsinki Olympische Spiele. Da gab es dann auch Fußball als olympische Sportart. Und da ist Indien angereist. Eine Besonderheit an Indien war, die spielten barfuß und hatten keine Fußballschuhe an. Sie hatten in Helsinki auch richtig schön auf die Nase bekommen. Und um die Fahrt einigermaßen zu finanzieren, sind sie dann auf dem Rückweg durch Europa getingelt. Und dann sind sie nach Berlin gekommen zur Plumpe. Und haben an der Plumpe gegen Hertha BSC gespielt, und das war großartig! Hertha BSC hat dann gegen die barfußspielenden Inder 2:1 verloren.“
Umzug ins Berliner Olympiastadion
Als Hertha dann 1968 in die Bundesliga zurückkehrte, wurde das Olympiastadion endgültig zur Spielstätte des Vereins. An der Plumpe bestritt der Klub fortan nur noch Freundschaftsspiele. Nach dem Bundesliga-Skandal 1971 war Hertha einmal mehr finanziell äußerst klamm.
Und so blieb nichts Anderes übrig, als das Gelände an der Plumpe zu verkaufen. Immerhin, danach war der Verein zumindest für kurze Zeit schuldenfrei. Seitdem trägt er im Olympiastadion seine Heimspiele aus, ist dort aber nur Mieter.
Die Plumpe war die Identität der Hertha
Und sucht weiter nach einem Stück Identität, wie es die Plumpe einmal war. „Hertha BSC war nur im Grunde genommen ein Verein jahrzehntelang auf Wanderschaft in Westberlin. Mal da gespielt, mal da gespielt. Wir rennen unserer Identität hinterher, aber wir haben es jetzt begriffen.“
Der Traum vom eigenen Hertha-Stadion
Dort setzt seit 2019 auch die Initiative „Blau-Weißes Stadion“ an. Aus der Idee, so wie früher an der Plumpe, wieder ein eigenes Stadion zu haben, ist inzwischen ein Projekt mit Perspektiven geworden.
„Darauf arbeiten wir zu, dass es auch Tatsache auf dem Olympiagelände realisiert wird. Und es sieht auch sehr gut aus. Wir haben momentan halt auch die politischen Verhältnisse, sodass wir also mit einer Sportsenatorin uns unterhalten, diskutieren, austauschen, ganz eng, die absolut gewillt ist, Hertha BSC diesen Traum auch zu ermöglichen. Aber wir kommen nicht drum herum, wir müssen alle mitnehmen. Weil letztendlich muss das Abgeordnetenhaus in der Mehrheit dahinterstehen, das wir als Berliner Verein in Berlin auf dem Olympiagelände bauen dürfen.“