Eine Revolution auf der Kippe
Januar 1919: Hunderttausende gehen gegen die SPD-geführte Revolutionsregierung auf die Straße, Spartakisten stürmen Zeitungshäuser. Der Aufstand wurde mithilfe der Freikorps brutal niedergeschlagen. Ein verhängnisvoller Fehler?
Jede Revolution kommt an den Punkt, an dem es gefährlich wird: Vor hundert Jahren war das auch in Deutschland der Fall, als im Januar Hunderttausende gegen die SPD-geführte Revolutionsregierung demonstrierten und kleine Trupps von Spartakisten die großen Zeitungshäuser besetzten.
Drohte damals ein bolschewistischer Umsturz? Oder haben die Sozialdemokraten die deutsche Revolution verraten, als sie rechtsradikale Freikorps gegen die Aufständischen in Stellung brachten?
Ein Konflikt im linken Spektrum bis heute
Am Ende wurden die kommunistischen Heroen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet. Der Umgang mit diesen Morden und die Bewertung der Revolution spalten das sozialdemokratisch-sozialistische Spektrum in der deutschen Politik.
Hinter diesem Konflikt steckt die Frage, was in der Revolution 1918/19 möglich war und umgekehrt: was damals drohte. Haben die Sozialdemokraten die Chance auf eine sozialistische, eine Räterepublik verspielt? Oder drohte ein Putsch nach dem Vorbild Lenins, eine bolschewistische Schreckensherrschaft, ein Bürgerkrieg? Oder war die Revolution erfolgreich – mit der Gründung der Weimarer Republik?
Wenn sich revolutionäre Energie entlädt
Arno Orzessek fragt nach dem gefährlichen Punkt einer Revolution: Wenn revolutionärer Furor die Vernunft verdrängt und die Erwartungen der radikalen Kräfte hochschießen.
Veränderte Perspektiven auf die Revolution 1918/19
Heute feiern wir die Novemberrevolution als Durchbruch zur Demokratie in Deutschland. Vor 50 Jahren fragten die 68er nach verpassten Chancen für einen demokratischen Sozialismus. Mathias Greffrath: Wie sich der Blick auf ein Ereignis verändert.
Ein sozialdemokratischer Blick auf den Januaraufstand
Die SPD war 1918/19 verantwortlich für die Entwicklung der Revolution, die am 9. November den Kaiser gestürzt hatte. Jahrzehnte lang hat sie Schwierigkeiten im Umgang mit dem historischen Erbe dieser Revolution. Winfried Sträter fragt Bernd Faulenbach nach der heutigen sozialdemokratischen Sicht auf die Revolution. Der Bochumer Historiker war – bis zu deren Auflösung im vorigen Jahr – Vorsitzender der Historischen Kommission der SPD.