100 Jahre politischer Mord in Deutschland
Eine Sendereihe über mörderische Demokratiefeindschaft und ihre Hintergründe
Zeitfragen, immer mittwochs gegen 19.25 Uhr
Eine Kooperation von Deutschlandfunk Kultur mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam)
Die Folgen bis Jahresende:
25.08.21 Der Erzberger-Mord
[AUDIO]
25.08.21 Reaktionen auf den Mord
01.09.21 Verbot der Hass- und Hetzpresse
[AUDIO]
08.09.21 Umkämpfte Erinnerung an das Mordopfer Erzberger
[AUDIO]
15.09.21 Bayern als Rückzugsraum für Republikfeinde [AUDIO UND TEXT]
22.09.21 Rechte Netzwerke
29.09.21 Spektakuläre Rücktritte an der Polizeispitze in München
06.10.21 Der Mythos Hindenburg und die Dolchstoßlegende
13.10.21 Die Gewalt von links und die Presse
20.10.21 Der Deutsch-Völkische Schutz- und Trutzbund
27.10.21 Brennpunkt Oberschlesien
03.11.21 Sehnsucht nach der Monarchie
10.11.21 Umkämpfte Erinnerung an die Revolution
17.11.21 Polizei als Sicherheitsrisiko
24.11.21 Die Besetzung des Rheinlandes durch alliierte Truppen
01.12.21 Das erfolglose Verbot der Freikorps
08.12.21 Fememorde
15.12.21 Der Niedergang des Linksliberalismus
22.12.21 Die juristische Aufarbeitung des Kapp-Putsches
29.12.21 Schwarz-Rot-Gold und Schwarz-Weiß-Rot: der Flaggenstreit
100 Jahre politischer Mord in Deutschland
Während des Kapp-Putsches 1920 auf dem Potsdamer Platz. © picture-alliance / dpa / Röhnert
Die Bildung rechter Netzwerke
04:43 Minuten
Vor 100 Jahren wurden Politiker von Rechtsradikalen gezielt ermordet: der erste Anschlag gegen die junge deutsche Demokratie. Die Reichsregierung versuchte, gegen die Putschisten vorzugehen. Doch längst hatten sich rechtsradikale Netzwerke gebildet.
"Ich bin höchst erstaunt, in einigen Blättern Einzelheiten über monarchistische Umtriebe im Schloß Neubeuern und meine und meiner Frau Beteiligung daran zu finden. Dazu bemerke ich, daß weder ich noch meine Frau die Herren von Horthy, Ehrhardt und Pabst je gesehen, noch auch die geringsten mittelbaren oder unmittelbaren Beziehungen zu ihnen haben."
Mit dieser Erklärung bestreitet ein hochdekorierter Militär und Diplomat im "Rosenheimer Anzeiger" am 22. September 1921, in die rechte Szene verwickelt zu sein. Hans Wolfgang von Herwarth arbeitet seit dem Ersten Weltkrieg als Verlagsleiter für den Räder-Verlag, der vor allem die Publikationen der Technischen Nothilfe verbreitet.
Mit dieser Erklärung bestreitet ein hochdekorierter Militär und Diplomat im "Rosenheimer Anzeiger" am 22. September 1921, in die rechte Szene verwickelt zu sein. Hans Wolfgang von Herwarth arbeitet seit dem Ersten Weltkrieg als Verlagsleiter für den Räder-Verlag, der vor allem die Publikationen der Technischen Nothilfe verbreitet.
Nach dem 1920 gescheiterten Kapp-Putsch ist es für Herwarth heikel, in die Nähe der ehemaligen Reichswehroffiziere Bauer, Ehrhardt und Pabst gerückt zu werden – denn die werden wegen ihrer maßgeblichen Rolle beim Putsch steckbrieflich gesucht. Politisch und geistig steht Herwarth ihnen trotzdem nahe. Als Publizist verteidigt er das "Deutschtum", später, ab 1933, wird er sich für die "Rassereinheit" begeistern.
1921 aber ist erst einmal Vorsicht geboten. Auch der ehemalige Chef der Obersten Heeresleitung, Erich Ludendorff, ist im März 1920 nach Bayern geflüchtet und hat sich dort unter dem Schutz einer "Einwohnerwehr" in Sicherheit gebracht. "Er wurde dann unter Umfahrung von Rosenheim per Auto auf ein Schloß südlich von Rosenheim gebracht: Neubeuern." Also auf Herwarths Schloss.
"Er reiste unter einem angenommenen Namen. Selbst der Besitzerin des Schlosses wurde er nur unter diesem Namen vorgestellt." Das berichtet der sozialdemokratische "Vorwärts". Auf der einen Seite gibt es Leute wie von Herwarth, der seine engen Verbindungen zur rechten Szene leugnet, auf der anderen Seite gibt es aber auch Persönlichkeiten aus dem konservativen Lager, die öffentlich für ehemalige Freikorpsangehörige, Verschwörer und sogar Fememörder eintreten.
Die "Schwarze Reichswehr" entsteht
In Brandenburg residiert Wilhelm von Oppen auf Schloss Tornow in der Nähe von Buckow in der Mark und dort unterstützt er Angehörige des Freikorps Roßbach. Major a. D. Ernst Buchrucker und Oberleutnant a. D. Paul Schulz, organisieren von hier aus im Auftrag der Reichswehrführung ab Sommer 1921 sogenannte Arbeitskommandos, aus denen ab 1923 die "Schwarze Reichswehr" entsteht, eine illegale Schattenarmee neben der legalen Reichswehr.
Buchrucker und Schulz entziehen sich zunehmend der Kontrolle der Reichswehrführung. Als die Ende September 1923 Haftbefehl gegen die beiden ehemaligen Offiziere erlässt, versucht Buchrucker, die illegalen Truppen in Küstrin gegen Berlin zu mobilisieren – allerdings erfolglos.
Schulz wird aus Haft entlassen
Die geheime Aufrüstung, die die Arbeitskommandos beim Einsammeln von verstreutem Kriegsgerät betrieben haben, wird öffentlich bekannt. Buchrucker wird auf Schloss Tornow festgenommen. Selbst jetzt distanziert sich Schlossherr Wilhelm von Oppen nicht von den Putschisten: weder von Buchrucker noch von Paul Schulz, dem Mann, der in den Arbeitskommandos für die Disziplinierung Abtrünniger zuständig ist. Schulz wird 1927 wegen der von ihm befohlenen Fememorde zum Tode verurteilt. Das Urteil wird aber in eine Zuchthausstrafe abgemildert.
Auch während der Haftzeit setzt sich von Oppen für Schulz ein und gründet im Juni 1928 die "Nationale Nothilfe". Die Aktivitäten von Oppens und zahlreicher Politiker der Deutschnationalen Volkspartei und der NSDAP zur Befreiung von Schulz zeigen Wirkung: "Feme-Schulz" wird im Frühjahr 1930 aus der Haft entlassen und kann sich fortan wieder in die Reihen derer eingliedern, die die Weimarer Republik bekämpfen.
Auch während der Haftzeit setzt sich von Oppen für Schulz ein und gründet im Juni 1928 die "Nationale Nothilfe". Die Aktivitäten von Oppens und zahlreicher Politiker der Deutschnationalen Volkspartei und der NSDAP zur Befreiung von Schulz zeigen Wirkung: "Feme-Schulz" wird im Frühjahr 1930 aus der Haft entlassen und kann sich fortan wieder in die Reihen derer eingliedern, die die Weimarer Republik bekämpfen.