100 Jahre politischer Mord in Deutschland
Eine Sendereihe über mörderische Demokratiefeindschaft und ihre Hintergründe
Zeitfragen, immer mittwochs gegen 19.25 Uhr
Eine Kooperation von Deutschlandfunk Kultur mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam)
100 Jahre politischer Mord in Deutschland
Ludwig III. von Bayern im Jahr 1913: Die Überführung seines Leichnams von Ungarn nach München im Jahr 1921 feierten die Monarchisten. © picture-alliance / akg-images / Gebr. Haeckel
Sehnsucht nach der Monarchie
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In der jungen Weimarer Republik werden demokratische Politiker vielfach angefeindet und bedroht. Eine romantische Verehrung hingegen erfahren Vertreter der 1918 untergegangenen Monarchie.
So kommentiert eine Zeitung namens "Bayern-Warte" am 29. Oktober 1921 die Überführung des letzten bayerischen Königs aus dem ungarischen Exil auf den Münchner Friedhof:
"Die feierliche Beisetzung des Königs Ludwigs III. zeigt ostentativ die wahre Gesinnung der Münchner, die durch die Revolution nur neu gestärkt wurde. Alle Kreise der Bevölkerung beteiligen sich an der Leichenfeier, nur die bewussten Elemente bleiben grollend fern, ohne zu ahnen, welches Armutszeugnis sie sich dadurch ausstellen."
Huldigung für den einstigen Wittelsbacher Monarchen
In der Novemberrevolution 1918 war auch der Wittelsbacher Monarch Ludwig III. gestürzt worden, am 18. Oktober 1921 ist er in Ungarn gestorben. Nun regt sich die Sehnsucht nach der geordneten Welt der Monarchie – gespeist von dem "parteilosen Wochenblatt", das sich dem "Schutz des Bayerntums" verpflichtet fühlt.
"Man lasse das Bayernvolk abstimmen, welche Regierungsform es will, und das Resultat wird ein Überraschendes sein. Noch hängt die Frucht unreif auf dem politischen Baume, aber sie reift langsam, die jetzigen Zustände im Lande sind die Sonnen, die sie sicher zeitigen werden."
Als schauriger Kontrast zur monarchischen Vergangenheit erscheint in der "Bayern-Warte" die republikanische Gegenwart: "Die Parteien (…) gleichen den wilden Tieren, sie zerfleischen sich gegenseitig. Eine feste Hand ist notwendig und diese wird die wahre Freiheit bringen. Abwarten und Tee trinken."
Bei der Überführung der sterblichen Überreste hatten schon an der Bahnstrecke Hunderte von Menschen dem einstigen Wittelsbacher Monarchen gehuldigt. Aber selbst wenn die Zeitung für den "Schutz des Bayerntums" besonders deutliche Worte findet, steht sie mit ihrer monarchistischen Gesinnung keineswegs allein.
Ähnliche Ereignisse in Preußen und Württemberg
Ein halbes Jahr zuvor war in Potsdam Auguste Victoria von Preußen, die populäre Frau Wilhelms II. und letzte deutsche Kaiserin, ebenfalls unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt worden. Der Trauerzug mit vielen Tausend Menschen glich einer Manifestation für die Monarchie.
Im Oktober 1921 wird in Ludwigsburg der ehemalige württembergische König Wilhelm II. beerdigt – zwar "ohne großes Gepränge", wie der "Badische Beobachter" berichtet, aber:
"Als die Angehörigen dem Toten den letzten Gruß gebracht hatten, zogen Tausende und Abertausende am Grab vorüber, um ihrem einstigen, aufrichtig verehrten König das letzte Geleit zu geben."
Ob in Bayern, Württemberg oder Preußen – viele Deutsche trauern offen der untergegangenen Monarchie nach. In Aachen scheitert der Versuch der sozialdemokratischen Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, die Vergangenheit aus dem Stadtbild zu verbannen.
Kaiserbilder und Straßennamen bleiben
Über die Entfernung der Kaiserbilder und die Umbenennung von Straßen wird im Oktober 1921 nicht einmal diskutiert. In Berlin scheitert die USPD 1922 bei der Planung der Trauerfeier für den ermordeten Außenminister Walther Rathenau mit ihrer Forderung, das Standbild Kaiser Wilhelms I. aus der Wandelhalle des Reichstags zu entfernen.
In den Gerichtssälen, in denen sich die Attentäter verantworten müssen, blicken die gekrönten Häupter vergangener Jahrhunderte auf die Richter herab, die im Sinne der republikanischen Verfassung entscheiden sollen. Die fühlen sich jedoch einem imaginären "Volkswohl" mehr verpflichtet als den Gesetzen der Republik.
Die Entfernung aller nicht loyalen Beamten und die Demokratisierung des Verwaltungsapparats sei ein Gebot der Stunde, fordert nach dem Rathenau-Attentat 1922 der sozialdemokratische "Lübecker Volksbote".
Ein Kommentar wie ein Kassandraruf: "Und dann muss rücksichtslos Schluss gemacht werden mit den Prinzenparaden, mit den Regimentsfeiern und dem Kriegervereinswesen. Solange diese Klimbimrummel nur Hetzzwecke gegen die Republik verfolgen, müssen sie rücksichtslos unterdrückt werden."