Am Anfang wurde gern gebrüllt
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Dass das Radio einmal so erfolgreich sein würde, habe vor hundert Jahren niemand geahnt, berichtet der Medienwissenschaftler Golo Föllmer. Seiner Ansicht nach hat das Radio neben seiner bedeutenden Vergangenheit auch jede Menge Zukunft.
Meilenstein der Mediengeschichte: Vor hundert Jahren wurde die erste Rundfunksendung in Deutschland übertragen. Damals rauschte es noch sehr, und das gesendete Weihnachtskonzert klang blechern. Nach dem ersten "Hallo, hallo!" ertönte schließlich das Weihnachtslied "Stille Nacht".
Als es am 22. Dezember 1920 losging, habe es nur eine kleine Zahl von Hobbyfunkern gegeben, die diese erste Übertragung überhaupt empfangen konnten, berichtet der Medienwissenschaftler Golo Föllmer.
Als es am 22. Dezember 1920 losging, habe es nur eine kleine Zahl von Hobbyfunkern gegeben, die diese erste Übertragung überhaupt empfangen konnten, berichtet der Medienwissenschaftler Golo Föllmer.
Der Einfluss des Militärs
"Der primäre Nutzer und primäre Finanzier der ersten technischen Entwicklung war das Militär", sagt Föllmer. Das sei bei vielen neuen Kommunikationstechnologien so, auch beim Internet. "Von daher war das anfänglich nicht auf eine Rundfunkidee angelegt."
Doch habe es damals bereits Abonnements gegeben, bei denen über die Telefonleitung Informationen, Musik oder literarische Rezitationen gesendet wurden: "Eigentlich war die Idee in der Luft."
Musik im Schützengraben
Den Erfolg, den das Radio später haben sollte, habe damals niemand vorhergesehen, so Föllmer. Ab 1923 sendete in Deutschland dann der offizielle Rundfunk aus dem Berliner Voxhaus.
Föllmer erinnert an eine Anekdote über den damaligen Staatssekretär im Postministerium, Hans Bredow. Dieser hatte angeblich bereits im Ersten Weltkrieg beobachtet, wie die militärischen Funker in den Schützengräben Musik spielten. Er habe damals verstanden, dass sich da etwas Gemeinschaftsbildendes und Beseelendes ereignete: "Man sagt, dass er die Idee daher hatte."
Brüllen und Deklamieren
Trotz der erfolgreichen technischen Umsetzung habe anfangs manches noch nicht so geklappt, sagt Föllmer. "Am Anfang wurde ins Radiomikrofon noch reingebrüllt, da wurde deklamiert."
Heute werde im Radio hingegen eher intim und nah gesprochen: "Die Radiomacher heute verstehen, dass sie die einzelnen Menschen in ihrer Küche, in ihrem Privatraum adressieren", so der Medienwissenschaftler. "Das hat man damals nicht verstanden - man dachte, man wäre auf einer Massenveranstaltung."
Blick in die Zukunft
Was die Zukunft des Radios angeht, ist Föllmer optimistisch. Das Medium werde auch seinen 200. Geburtstag noch feiern.
Es habe sich ein Formenrepertoire entwickelt, was sich heute auch in den Podcasts zeige. Die Online-Formate entwickelten allerdings zunehmend Eigenheiten, bei denen das Radio aufpassen müsse, bestimmte Wünsche des Publikums ausreichend zu berücksichtigen, warnt der Medienwissenschaftler.
(gem)