Sein Realismus verstörte die Pariser Salons
Obwohl er drei Mal an der Kunstakademie abgelehnt worden war, wurde Auguste Rodin so etwas wie der Superstar der Bildhauerei. Die Expressivität seiner Figuren fasziniert auch noch heute. Vor 100 Jahren starb er in Meudon bei Paris.
"Er schuf Körper, die sich überall berührten und zusammenhielten wie ineinander verbissene Tiere, die als ein Ding in die Tiefe fallen. Ich fühle deutlicher als je, dass in diesen Dingen die Skulptur unaufhaltsam zu einer Macht angewachsen ist, wie niemals seit der Antike."
Mit diesen Worten verneigte sich Rainer Maria Rilke vor der Kunst, aber auch vor der Persönlichkeit des fünfunddreißig Jahre älteren Bildhauers Auguste Rodin, den er 1902 in Paris kennenlernte und dem er später kurzzeitig als Sekretär dienen sollte. Rodin war damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere, den Aufstieg zum Bildhauerstar der Epoche hatte er sich hart erkämpft.
Rodin wurde dreimal von der Kunstschule abgelehnt
Auguste Rodin, 1840 in kleinbürgerlichen Verhältnissen in Paris geboren, besuchte als Jugendlicher den Louvre, zeichnete nach den Alten Meistern und wagte es, sich an der Ecole des Beaux-Arts, der renommiertesten Kunstschule des Landes, zu bewerben, die ihn im Fach Bildhauerei jedoch dreimal ablehnte.
1875 reiste er auf den Spuren Michelangelos nach Italien. Dessen Kunstgriff des Non-Finito, bei dem die Skulptur nur unvollständig aus dem Steinblock herausgeschält zu sein scheint, faszinierte ihn und sollte später viele seiner eigenen Werke kennzeichnen.
1877 schuf Rodin "Das Eherne Zeitalter", einen lebensgroßen männlichen Akt aus Gips, dessen Realismus das Publikum des Pariser Salons verstörte. Die Direktorin des Rodin-Museums Catherine Chevillot:
"Rodin war an der menschlichen Figur interessiert. In seinen Skulpturen ging es ihm aber nicht nur um die Oberfläche, sondern auch um das Innere, um die Leidenschaften, die er durch Gesten zum Ausdruck bringen wollte. Die Thematik war ihm völlig gleichgültig. Er bettete seine Figuren nicht in einen antiken, mythologischen, religiösen oder historischen Kontext, wie es die Kunstakademie damals forderte. Man warf ihm vor, dass er sich über sein Publikum lustig machte. Es war an die Formen der strengen akademischen Kunst gewöhnt, es konnte seine Skulpturen nicht verstehen."
Viele falsche Annahmen über die Beziehung zu Camille Claudel
Trotz aller Kritik überzeugte Rodin durch künstlerisches Talent und bildhauerische Kraft. 1882 erteilte ihm der Staat den Auftrag zu einem monumentalen Eingangstor für das neue Musée des Arts décoratifs in einem der Louvreflügel. Inspiriert von Dante Alighieris Göttlicher Komödie entstand das "Höllentor", Rodins Hauptwerk:
"Das Höllentor nimmt einen sehr wichtigen Platz in seinem Werk ein, nicht nur, weil er so lange daran arbeitete, sondern weil es auch Vorbild für andere Skulpturen war. Er steigerte nicht nur die Expressivität seiner Figuren, sondern ließ eine Figur gleich mehrmals auftreten. Dies war neu in der Bildhauerei. Er ging dann sogar soweit, einzelne Details des Höllentors zu isolieren. Sie tauchten später als eigenständige Werke, meist in vergrößertem Maßstab, wieder auf."
"Der Denker", der zu Rodins bekanntesten Plastiken zählt, war ursprünglich auch Bestandteil des Höllentors. 1883 lernte Rodin die begabte, 24 Jahre jüngere Bildhauerin Camille Claudel kennen, zu der er eine Beziehung entwickelte:
"Über seine Beziehung zu Camille Claudel wurde viel Falsches erzählt. Dass Rodin sie ausgebeutet und ihre Ideen gestohlen hat, ist völliger Unsinn. Ganz eindeutig ist allerdings, dass die Leidenschaft dieser Liebesbeziehung ihm neue Horizonte eröffnete, eine Sinnlichkeit, die er ohne Camille für sein eigenes Werk sicher nicht entdeckt hätte."
Für die Weltausstellung von 1889 entwickelte Rodin die bereits im Höllentor vorbereitete Darstellung eines sich innig umarmenden Paares zur lebensgroßen Marmorskulptur "Der Kuss". Ohne Camille Claudel und die Technik des Non-Finito eines Michelangelo wäre dieses Werk vielleicht nicht denkbar gewesen.
Doch es gab wohl noch andere Einflüsse, denn Rodin, der am 17. November 1917 in Meudon bei Paris starb, hatte in seinem Buch über die französischen Kathedralen bekannt:
"Wo habe ich die Skulptur verstehen gelernt? Unterwegs, wenn ich die Bäume im Wald betrachtete oder die Wolkenbildungen verfolgte; im Atelier beim Studium des Modells, überall, nur nicht in den Schulen."