Die Ausstellung "1000 Jahre Kaiserdom Merseburg" ist vom 10. August bis 9. November 2015 zu sehen, weitere Infos unter: www.merseburg2015.de.
"Anmutig und eindrucksvoll"
Er ist vielleicht nicht der schönste, aber mit Sicherheit einer der ältesten und geschichtsträchtigsten Dome in Deutschland: Der Merseburger Dom wurde vor 1000 Jahren erbaut. Über die Bedeutung des Bauwerks und über die Jubiläumsausstellung sprechen wir mit dem Kurator Holger Kunde.
Die mumifizierte rechte Hand des Ritters und Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden wird vermutlich zum Publikumsmagneten der Jubiläumsausstellung über die 1000-jährige Geschichte des Merseburger Doms. Sie wurde dem Adeligen 1080 in der Schlacht abgeschlagen. Aber auch weniger gruselige Ausstellungsstücke belegen die Bedeutung der Stadt in Sachsen-Anhalt für das mittelalterliche Deutschland.
Wichtige Kaiserpfalz
Die kulturhistorische Sonderausstellung "1000 Jahre Kaiserdom Merseburg" spiegelt eindrucksvoll die Rolle Merseburgs als wichtigste Kaiserpfalz im Osten des Reiches und die Bedeutung des Doms als kaiserlichen Erinnerungsort wider. Der ist einer der ältesten in Deutschland, wenn auch, wie einige Kunsthistoriker meinen, bei weitem nicht der schönste.
Für Holger Kunde, Direktor und Stiftskustos der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatsstiftes Zeitz, liegt dies allerdings im Auge des Betrachters. Der Kurator der Ausstellung schwärmt:
"Ich finde diesen Bau an sich außergewöhnlich. Es gibt schönere, sicherlich, aber er ist auch in jeder Hinsicht von einer Anmut. Gerade wenn man von Osten auf das Ensemble zufährt, also aus Richtung Leipzig, und plötzlich erhebt sich dann dieses Ensemble aus Dom und Schloss. Das ist eindrucksvoll und das ist in dieser Konstellation auch etwas Einzigartiges."
Bischof Thietmar von Merseburg, einer der berühmtesten Chronisten des Mittelalters, legte am 18. Mai 1015 die Grundsteine zum Bau des Merseburger Doms. Kaiser Heinrich II. selbst hatte den Auftrag zur Grundsteinlegung gegeben und sorgte zusammen mit seiner Gemahlin Kunigunde für eine prachtvolle Ausstattung der Kirche und des Domschatzes. Der Merseburger Dom zählt zu den herausragenden Baudenkmälern an der "Straße der Romanik".
Berühmte Schatzstücke
Zu sehen sind nun insgesamt 150 Exponate zur Reichsgeschichte ebenso wie zur Bau- und Schatzgeschichte – nicht nur aus Merseburg, sondern auch aus Xanten, Bamberg oder Berlin. "Wir haben nun eine gute Dokumentation seit dem 11. Jahrhundert über die Schatzstücke, die nach Merseburg gegeben worden sind", sagt Kunde
Die hier präsentierten Kunstwerke, darunter die berühmten Merseburger Zaubersprüche, sind Kunstwerke von großer kulturgeschichtlicher Bedeutung in Europa. Zu den Ausstellungs-Highlights zählen das kostbare Adelheidkreuz (11. Jh.), die aus Bergkristall gefertigte Öllampe der Heiligen Kunigunde (10. Jh.) und das aus Sevilla stammende Astrolabium(13. Jh.) sind einige Höhepunkte dieser besonderen "Schatzkammer auf Zeit".
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Es gibt Dome in Deutschland, die sind größer, es gibt welche, die haben eine höheren Turm, einige ganz, ganz wenige nur sind auch noch älter, aber kaum ein Dom ist so eng mit der deutschen Geschichte verbunden, nicht nur der kirchlichen Geschichte, wie der zu Merseburg. Das zeigt eine Ausstellung zu seinem 1000-jährigen Jubiläum, über die wir gleich reden werden, vorher aber blickt Gerhard Felber zurück auf die Geschichte dieses Doms in Merseburg, und er geht sogar noch ein bisschen mehr als 1000 Jahre zurück.
Gerhard Felber über den Merseburger Dom und seine Geschichte. Noch viel mehr über diese Geschichte kann man ab heute in der Ausstellung "1000 Jahre Kaiserdom Merseburgs" sehen. Verantwortlich dafür ist federführend Holger Kunde, er ist der Direktor und Stiftskustos der vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstiftes Zeitz. Schönen guten Morgen, Herr Kunde!
Holger Kunde: Guten Morgen!
Kassel: Nachdem, was ich jetzt schon weiß über die Geschichte des Merseburger Domes, erwarte ich eher eine fast schon weltliche Ausstellung, in der es stärker um Kaiser und Könige geht, als um Bischöfe. Ist das auch so?
Kunde: Es ist vielleicht zu gleichen Teilen verteilt – wir fangen an mit dem Teil, der die Reichsgeschichte betrifft, also die Freiheitsgeschichte von Merseburg, und wechseln dann über im Dom selbst zur Baugeschichte und zur Schatzgeschichte dieser Kathedrale und ihrer Bedeutung für den Kult um Heinrich II. Kunigunde.
Merseburgs besondere strategische Lage
Kassel: Umgekehrt kann man auch sagen, ihre Bedeutung für den Kult um die beiden, aber ohne die beiden hätte es wahrscheinlich den Dom auch gar nicht gegeben. Wie kam denn diese enge Verbindung zu Heinrich II. und Merseburg zustande?
Kunde: Merseburg hat eine besondere strategische Lage besessen, sozusagen an der Grenze vom Altsiedelland hin zu den slawischen Gebieten, und Heinrich II. ist bei seiner Königserhebung 1002 nach Merseburg gekommen, um sich von den Sachsen – er war ja aus der bayrischen Nebenlinie – noch einmal als König bestätigen zu lassen und hat dadurch scheinbar eine so enge Beziehung zu diesem Ort geknüpft, dass er dann diesen Ort als seine wichtigste Pfalz ausbauen ließ und den Plan fasste auch, das 982 aufgehobene Bistum wieder zu errichten, und er setzte dann alles in Bewegung, dass er kurz nach seiner Kaiserkrönung in Rom die Grundlagen für den jetzigen Dombau geliefert hat, die Grundsteinlegung dann 1015 im Mai. Und die kurze Bauzeit zeigt eben auch, dass er für die Ausstattung des Baus enorm viel beigetragen hat.
Kassel: Das, was Sie zeigen jetzt in dieser Ausstellung in Merseburg im Dom selber und im Schloss, das stammt natürlich teilweise auch daher, aber Sie haben auch eine ganze Menge an Leihgaben unter anderem aus Bamberg, aus Berlin, aus Xanten – was haben all diese Orte mit dem Merseburger Dom zu tun?
Kunde: Wir sind in Freundschaft miteinander verbunden, aber das ist nicht der Grund dafür. Wir versuchen gerade bei diesen Leihgebern, die Sie aufgezählt haben, den Domschatz – der auch mal zu den Bedeutenderen gehört hat, allerdings im schmalkaldischen Krieg 1547 eingeschmolzen wurde durch Vertreter aus diesen genannten Städten – wieder erstehen zu lassen für die Zeit der Ausstellung. Wir haben also eine gute Dokumentation seit dem 11. Jahrhundert bereits über die Schatzstücke, die nach Merseburg gegeben worden sind, und einige davon gibt es in vergleichbarer Anzahl oder Aussehen auch in anderen Sammlungen, die haben wir versucht sozusagen eins zu eins für diese Merseburger Stücke zusammenzubekommen.
Kassel: Ich glaube, man kann vorhersagen, in welchem Teil der Ausstellung es wohl am vollsten werden wird, also wo die Leute stehen bleiben und ziemlich viel gucken. Zu diesem Domschatz, über den Sie gesprochen haben, gehört ja auch eine mumifizierte Hand – das ist nun nicht die von Heinrich II., aber was ist das für eine Hand und wo kommt die her?
Kunde: Das ist die Hand des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden – zumindest glauben wir das und haben auch einige gute Argumente dafür. Das ist also die rechte Hand, die ihm in der Schlacht bei Hohenmölsen 1080 abgeschlagen worden ist, das war damals ein Ereignis, was durch das ganze Reich ging, denn es war ja die Schwurhand, mit der er Heinrich IV. Treue geschworen hatte. Er hatte die Schlacht selbst gewonnen, also Rudolf von Schwaben, aber eben mit dem Leben dafür bezahlt.
Rudolf von Rheinfeldne – Märtyrer der Kirche
Der Merseburger Bischof Werner war einer seiner besten und treusten Verbündeten und sorgte sozusagen mit den anderen sächsischen Großen dafür, dass der Gegenkönig prominent in der Vierung, also im Chor der Kathedrale Merseburg, begraben wurde. Und diese Hand deutet daraufhin, dass man doch so etwas wie eine heiligenmäßige Verehrung für diesen Gegenkönig vorhatte, denn auch die Inschrift auf der Grabplatte zeigt ja oder sagt ja, dass er als Märtyrer der Kirche gefallen sei, und das ist jetzt auch sehr schön, weil da steht dort, der so bedeutend gewesen wäre wie Karl der Große, wenn er nur lange genug regiert hätte. Diese Hand wurde untersucht von einem Anthropologen, Professor Alt in Mainz, und, in der Tat, lassen die Beschaffenheit eines Fingerbruchs und der Umstand, dass die Hand erst post mortem abgenommen wurde, doch darauf schließen, dass es sich wohl um die Hand dieses Gegenkönigs handelt.
Kassel: Das mit post mortem war gerade ein wichtiger Hinweis für mich – ich hatte schon gewisse Horrorszenarien im Kopf.
Kunde: Ja!
Kassel: Herr Kunde, vorhin hieß es beim Kollegen Gerhard Felber so ein bisschen en passant, aber doch recht deutlich, der Merseburger Dom sei nicht besonders schön, was auch, aber nicht nur, an der kurzen Ursprungsbauzeit von sechs Jahren liege. Wenn Sie heute auf den Dom gucken, würden auch Sie sagen, er ist sehr interessant, aber nicht besonders schön?
Kunde: Eigentlich nicht. Da muss ich Ihrem Kollegen etwas widersprechen, ich finde diesen Bau an sich außergewöhnlich. Vielleicht – gut, es gibt schönere, sicher, aber er ist in jeder Hinsicht auch von ungemeinem Anmut, also gerade wenn man vom Osten auf dieses Ensemble zufährt, also aus Richtung Leipzig und plötzlich erhebt sich dann dieses Ensemble aus Dom und Schloss, das ist eindrucksvoll und ist in dieser Konstellation eigentlich auch etwas Einzigartiges. Also Schönheit ist immer eine Relation, ja.
Kassel: Man sollte sich das selber angucken, Sie haben es ja schon gesagt. Es ist quasi um die Ecke von Leipzig, es ist nicht weit weg von Magdeburg und selbst von Berlin aus sind es nur 200 Kilometer nach Merseburg, wo man noch bis zum 9. November die Ausstellung "1000 Jahre Kaiserdom Merseburgs" sehen kann und den Dom natürlich auch später noch. Herr Kunde, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch und wünsche Ihnen, dass ab sofort ein bisschen mehr Leute in Merseburg vorbeischauen als bisher. Danke schön!
Kunde: Ich danke Ihnen!
Kassel: Tschüss!
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