Was der Satiriker noch zu sagen hätte
Vor 125 Jahren wurde Kurt Tucholsky geboren - für viele Leser sind seine Texte frisch wie am ersten Tag und haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Peter Böthig vom Kurt-Tucholsky-Museum in Rheinsberg ist überzeugt: Auch heute hätte "Tuchos" spitze Feder viel zu tun.
"Ein kleiner dicker Berliner wollte mit einer Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten", so beschrieb Erich Kästner den Schriftsteller-Kollegen Kurt Tucholsky. Wie sehr er damit Recht hatte, fühlte auch Tucholsky selbst, als er die Machtergreifung der Nationalsozialisten, 1933, erlebte und zugleich die eigene Ohnmacht, weil er mit seiner spitzen Feder nichts dagegen ausrichten konnte.
Vor 125 Jahren wurde Kurt Tucholsky in Berlin geboren. Er schreibe, um die Welt zu verändern, sagte der promovierte Jurist, der bald auf Schriftsteller und Journalist umsattelte, von sich selbst. Umso mehr frustrierte es Tucholsky, als ihm dies nicht gelang und er sich nach Schweden ins Exil zurückziehen musste, wo er 1935 an einer Medikamenten-Überdosis starb.
Wie hätte "Tucho" auf den Anschlag auf "Charlie Hebdo" reagiert?
Dass "Tucho" - so sein Spitzname - Lesern auch heute noch viel zu sagen hat, davon ist Peter Böthig überzeugt. Böthig ist Leiter des Kurt-Tucholsky-Museums in Rheinsberg in Brandenburg. In seinem Museum hört er oft, dass Besucher "ihren" Tucholsky nach wie vor gerne lesen: Weil er mit scharfem Witz begeistert und weil viele seiner brillanten Formulierungen haften bleiben, so Böthig im Deutschlandradio Kultur. "Er war ein Seismograf seiner Zeit" - die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging, habe er früh erkannt.
Tucholsky hätte wohl auch auf den Terroranschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" oder auf die Pegida-Demos mit spitzer Feder reagiert, glaubt Böthig: Seine Spitzen würde er heute wohl gleichmäßig gegen radikale Islamisten wie gegen radikale Anti-Islamisten richten. Und der Ausspruch des ermordeten "Charlie Hebdo"-Chefredakteurs Stéphane Charbonnier - 'Ich ziehe es vor, aufrecht zu sterben als auf Knien zu leben' - hätte auch von Tucholsky stammen können, davon ist Böthig überzeugt.
"Tucholsky war auch so einer, der für seine Haltung eingestanden ist, immer, und sich nicht hat einschüchtern lassen. Er kannte das ja selbst ganz genau. Er hat ja selbst Morddrohungen empfangen, immer wieder ... - das hat ihn nicht daran gehindert, seine Position polemisch und deutlich und zugespitzt vorzutragen."
Meister kleiner Formate
Seine satirischen Artikel und Essays veröffentlichte Tucholsky unter anderem in der Zeitschrift "Weltbühne", deren Herausgeber der später von den Nazis verfolgte Carl von Ossietzky war. Tucholsky schrieb auch unter den Pseudonymen Ignaz Wrobel, Peter Panter, Theobald Tiger und Kaspar Hauser und galt in der Zeit der Weimarer Republik schnell als Meister der kleinen Formate, weniger der Romane, die er auch schrieb ("Rheinsberg", "Schloss Gripsholm").
Umso bedauerlicher ist es für die Nachwelt, dass Tucholsky nach 1932, im schwedischen Exil, verstummte. Es war wohl die tiefe Frustration über die politische Entwicklung in Deutschland und der Abscheu vor den Nationalsozialisten, die ihn lähmte.