125. Geburtstag von Vita Sackville-West

Rebellische Aristokratin und leidenschaftliche Schriftstellerin

Die englische Autorin, Dichterin und Gartenarchitektin Vita Sackville-West im Jahr 1960.
Die englische Autorin, Dichterin und Gartenarchitektin Vita Sackville-West im Jahr 1960. © imago /United Archives International / Jane Bown
Von Ruth Rach |
Sie schrieb Romane, war eine leidenschaftliche Gärtnerin und führte ein höchst eigenwilliges Leben: Vita Sackville-West, Tochter aus englischem Hochadel, Architektin des legendären "Weißen Gartens" auf Schloss Sissinghurst in Kent. Die Schriftstellerin Virginia Woolf setzte der Geliebten in ihrem Roman "Orlando" ein Denkmal.
"Der schwere, goldene Sonnenschein beschenkte die alten Ziegel mit einer reichen Patina und verlieh dem Turm einen langen Schatten, der sich über den Rasen legte und wie der Zeiger einer gigantischen Sonnenuhr langsam mit der Sonne drehte. Alles war schweigsam und schlaftrunken und stumm, außer dem Gurren der weißen Tauben, die alleine zusammen auf dem Dach saßen."
Vita Sackville West über Sissinghurst, den berühmten Garten, den sie zusammen mit ihrem Mann, dem Diplomaten und Politiker Harold Nicolson, angelegt hat. Als sie das Anwesen 1930 kauften, war es eine historische Ruine tief im Herzen der südenglischen Grafschaft Kent.

Das Anwesen der Familie durfte sie als Frau nicht erben

Aristokratin, Gartengestalterin, Schriftstellerin. Rebellisch. Leidenschaftlich. Arrogant: Victoria Mary Sackville West. Am 9. März 1892 wurde sie in Knole House geboren, einem prächtigen Herrenhaus in Südengland, das sie abgöttisch liebte und dem sie ihr Leben lang nachtrauerte, denn der Familiensitz konnte nach den damaligen Erbschaftsbestimmungen nur einem Mann hinterlassen werden. Ihre Sehnsucht nach Knole House kommt immer wieder zum Ausdruck - in ihren Gedichten, ihren Romanen und vor allem auch in den Gebäuden und Gärten von Sissinghurst.
Wer hier arbeitet, hat immer noch das Gefühl, dass Vita und Harold präsent sind, sagt Josh Sparks, einer der zwölf Gärtner, die sich um Sissinghurst kümmern: Fünf Hektar Land haben die beiden mit alten Mauern und Hecken in zehn lauschige, halbverborgene "Rooms" unterteilt. Gartenräume, jeder mit eigenem Charakter. Am berühmtesten: der "Weiße Garten".

Sackville-West wollte einen grün-grau-silberfarbenen Garten

Vita wollte einen Garten schaffen, den sie bei Vollmond aufsuchen könnte. Das Licht des Mondes sollte auf die Blüten fallen und von ihnen reflektiert werden. Weiße Glyzinien, Lilien, Jasmin, Delphinium, tränende Herzen. Die Blumen verströmen einen besonders intensiven Duft, weil sie die Insekten ja nicht mit ihren Farben anlocken können. Vita sprach allerdings nie von einem weißen, sondern von ihrem grün-grau-silberfarbenen Garten.
Gleich hinter dem "White Garden": der Eibengang, von Harold Nicolson entworfen. Eine hundert Meter lange Doppelhecke, die einen engen, dunklen Korridor bildet und beim Besucher so große klaustrophobische Ängste auslöst , dass er die hellen, duftenden Gartenbereiche, die sich links und rechts eröffnen, umso mehr genießt, erklärt Josh Sparks.
"In diesem Garten gibt es keine vorgeschriebene Route. Jeder entscheidet, in welche Richtung er wandern will. Nach diesem Prinzip hat auch die Familie gelebt. Jeder hatte seinen eigenen Bereich. Die beiden Kinder von Vita und Harold wohnten im Cottage beim Weißen Garten, Vita im Cottage dort drüben. Und Harold im Hauptgebäude. Und am Morgen haben sie sich zum Frühstück irgendwo draußen getroffen."

Intensive Liebesbeziehungen, auch mit Frauen

Ein unkonventioneller Lebensstil. Und eine unkonventionelle Ehe am Rande des Bloomsbury Circle, einer Künstlergruppe, die für ihren freizügigen Lebensstil bekannt war. Immer wieder stürzte sich Vita in intensive Liebesbeziehungen – so auch mit Virginia Woolf. Die bekannte Schriftstellerin veröffentlichte 1928 ihren Roman "Orlando", der von Vitas Leben inspiriert war und von Vitas Sohn Nigel Nicolson später als der längste und charmanteste Liebesbrief in der Geschichte der Literatur bezeichnet wurde.
Vitas erfolgreichster Roman "The Edwardians" – Schloss Chevron – ein nostalgisch-ironischer Schlüsselroman über Knole – wird heute kaum mehr gelesen. Hier im Doppelturm von Sissinghurst hat sich Vita Sackville West zum Schreiben zurückgezogen. Wer die Wendeltreppe hochklettert, kann alte Tonaufnahmen hören – Vita Sackville-West in geschliffenstem Englisch, über die Freuden der Gartenkunst.

Sissinghurst wird in Stiftung überführt

Vita Sackville West starb im Juni 1962. Harold Nicolson folgte ihr sechs Jahre später, untröstlich und einsam. Kurz davor war Sissinghurst in den Besitz des National Trust, einer gemeinnützigen Kulturorganisation, übergegangen. Eine Entscheidung, die wieder mit dem britischen Erbrecht, aber diesmal mit den hohen Erbschaftssteuern zu tun hatte, und die Vita Sackville-West wohl das Herz gebrochen hätte.
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