Alles über Vincent
Ein Jahr van Gogh für alle: Mit einem üppigen Kulturprogramm erinnern England, Frankreich, Belgien und die Niederlande an den 125. Todestag von Vincent van Gogh. Ein Höhepunkt ist die Eröffnung eines ganz besonderen Radweges zu Ehren des Künstlers.
Kalt ist es an diesem Abend auf dem funkelnagelneuen Radweg, der zwischen Wiesen und Weiden ins Nichts zu führen scheint, irgendwo bei Eindhoven, im Süden der Niederlande. Kalt und bis auf den einsamen Scheinwerfer, unter dem sich eine Gruppe Neugieriger fröstelnd und erwartungsvoll zusammengeschart hat, auch finster. Dann endlich ist es soweit:
"...to open the van Goghbicyclepath… right now!..."
Der Lichtkegel erlischt. Jetzt ist es wirklich stockdunkel. Aber nicht lange. Denn auf einmal beginnt der Radweg wie von Zauberhand berührt zu schimmern: Hunderttausende speziell entwickelter Glassteinchen, die in den Asphalt eingearbeitet wurden und tagsüber Licht aufsaugen, leuchten auf – in den Farben gelb und blau. So wie auf der berühmten "Sternennacht" von Vincent van Gogh.
"Es funktioniert!" freut sich Daan Roosegaarde. Denn von diesem Meisterwerk hat sich der niederländische "Technikpoesie-Designer", wie sich Roosegaarde selbst nennt, bei seinem selbstleuchtenden Radweg inspirieren lassen.
"Now it is for everyone!"
Niederländer machen die meisten Veranstaltungen
Wie ein funkelnder Teppich mäandert er durch die Nachtlandschaft – rechtzeitig zum Van-Gogh-Jahr 2015, wenn mit Sonderausstellungen, Lesungen und Filmen des 125. Todestages des großen Malers gedacht wird: in den Niederlanden natürlich, wo er 1853 geboren wurde. In St. Rémy, in Arles und Auvers sur Oise, wo er 1890 starb. Aber auch in Mons in Belgien, wo ab Ende Januar die Schau "Van Gogh im Borinage" zu sehen ist, benannt nach der gleichnamigen Bergbauregion, die als van Goghs künstlerische Geburtsstätte gilt: Als Prediger hatte er sich 1879 in dieses Gebiet begeben, um seine eigentliche Bestimmung zu entdecken: die Malerei.
Den grössten Programmanteil aber bestreiten die Niederländer, angefangen bei seinem Geburtsort Zundert bis hin zu Nuenen, auch "aardappeleter-Dorf" genannt. Denn hier entstanden die berühmten "Kartoffelesser", erzählt Hans Keijzer, der Besucher auf einem speziellen van Gogh-Spaziergang durch Nuenen führt:
"Vincent kam im Dezember 1883 nach Nuenen, nirgendwo sonst ist er so lange geblieben wie bei uns, nämlich 23 Monate. Er kam aus Drenthe, einem Gebiet im Osten der Niederlande, dort hatte er Landschaften malen wollen, aber alles lief schief: Er wurde krank, hatte kein Geld. Da beschloss er, wieder bei seinen Eltern anzuklopfen, und die wohnten inzwischen hier in Nuenen."
Wander- und Radtouren zu van Goghs Wohnorten
Der van Gogh-Spaziergang führt zu der kleinen Kirche, wo sein Vater predigte, und dem Friedhof, auf dem der Vater begraben liegt. Zum Pfarrhaus, in dem Vincent mit seinen Eltern lebte, dem Atelier, das er sich mieten konnte, und zur Post, wo er fast täglich Briefe an seinen Bruder Theo abgab. Fast 140 hat er in den knapp zwei Jahren in Nuenen geschrieben – und mehr als 500 Werke geschaffen: gut ein Viertel seines gesamten OEuvres, betont Hans Keijzer voller Stolz.
Wander- und Radtouren führen zu den Orten, wo der Künstler einst seine Staffelei aufstellte, etwa um die Wind- und Wassermühlen am Dorfrand zu malen. Und im Dokumentationszentrum "Vincentre" können Interessierte nachvollziehen, wie Nuenen damals aussah und der Maler hier lebte.
Treffen von van Gogh und Edvard Munch
Wieder zu Kräften kommt der müde Besucher bei speziellen van Gogh-Menus. Restaurants im ganzen Land bieten sie an – Motto: "the taste of van Gogh". Um dann das Kröller-Müller Museum bei Arnheim in Angriff zu nehmen, das den Maler mit einer Ausstellung über seine Zeitgenossen ehrt. Und, nicht zu vergessen, das Amsterdamer van Gogh-Museum: Es konfrontiert den Künstler Ende September erstmals mit seinem norwegischen Kollegen Edvard Munch. Weil die beiden als Säulen der modernen Kunst gelten, so Museumsdirektor Axel Rüger:
"Und die Parallen und Unterschiede ihrer Entwicklung und so, die wollen wir aufzeigen, vor allem auch, da Munch deutlich angibt, dass eben auch van Gogh eine Inspirationsquelle für ihn war."
Wobei das Museum dann auch mit einem neuen Eingang aufwarten kann, ganz ohne ellenlange Warteschlangen, und einer völlig neuen Hängung auf bunten statt bisher weißen Wänden. Auch van Goghs Briefe werden nun einbezogen, Fotos sowie persönliche Gegenstände wie seine letzte Palette. Alles, um den Menschen hinter dem Künstler zum Vorschein kommen zu lassen.