15. documenta in Kassel

Generaldirektorin denkt über Verschiebung nach

04:59 Minuten
Ein Wandbild mit dem neuen Logo der documenta fifteen ist am sogenannten "ruruHaus" vom indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa an einem ehemaligen Sportgeschäft in der Kasseler Innenstadt zu sehen.
Das neue Logo der documenta fifteen am "ruruHaus" des indonesischen Kuratorenkollektivs "ruangrupa". Zu sehen in der Kassler Innenstadt. © picture alliance/dpa / Swen Pförtner
Von Ludgar Fittkau |
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Eigentlich soll die 15. documenta 2022 stattfinden. Doch angesichts der Coronapandemie wachsen bei Generaldirektorin Sabine Schormann die Zweifel, ob der Termin gehalten werden kann. Eine Verschiebung um ein Jahr wird immer wahrscheinlicher.
Die documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann zweifelt zunehmend daran, dass die documenta 15 wirklich wie vorgesehen im kommenden Jahr in Kassel stattfinden kann. Die Coronapandemie stört nämlich die Vorbereitungen der Weltkunstausstellung erheblich.
Noch sei sie nicht so weit, dass sie das abschließend bewerten könne, so Sabine Schormann. Dafür sei auch noch Zeit bis zum Sommer. Aber sie sehe die Lage heute deutlich skeptischer als noch vor sechs Wochen:
"Eine Lösung könnte sein, doch verschieben zu müssen. Wir beobachten das natürlich laufend und bewerten das auch ständig neu. Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass es 2022 stattfinden kann. Gegebenenfalls angepasst an Regularien, die noch entstehen. Aber wenn das jetzt, wie einige spekulieren, bis Ende des Jahres so weitergeht, dass überhaupt nicht gereist werden kann und auch, dass zum Beispiel gar nicht organisiert werden kann, das hier vor Ort gearbeitet werden kann, dann ist es einfach nicht mehr möglich, das umzusetzen."

Die ganze Welt soll nach Kassel kommen

Bisher sei die Vorbereitung der vom indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa geleiteten documenta 15 über weite Strecken gut über Videokonferenzsysteme möglich gewesen, betont die documenta-Generalsekretärin.
Doch in der nächsten Phase der Vorbereitung, in der etliche Künstler aus verschiedenen Regionen der Welt auch für längere Zeit nach Kassel reisen und auch der kollektive Austausch sowie künstlerische Arbeit über Wochen oder gar Monate organisiert werden müssten, käme man nun unter Corona-Bedingungen doch an inhaltliche Grenzen:
"Dann macht es auch im Grunde gar keinen Sinn. Denn diese Art des Austausches, der durchaus auch auf diese lokale Art und Weise angelegt ist, heißt auch, dass auch vor Ort etwas entsteht - wir sagen immer: 'als Ernte in Kassel eingefahren wird', als 'großes Erntefest'. Wenn das dann nicht oder nur in einer abgespeckten Form stattfinden kann, dass der Geist gar nicht mehr rüberkommt, dann finde ich, ist es eine inhaltliche Frage, ob das sinnvoll ist oder ob man nicht ein Jahr Verlängerung in Kauf nimmt."

Weg von der Gigantomanie

Was eine Verschiebung der documenta 15 auf das Jahr 2023 finanziell bedeuten würde, müsse spätestens im Sommer in den Aufsichtsgremien der Weltkunstausstellung diskutiert werden.
Klar ist schon jetzt: Ruangrupa und auch die jetzige documenta-Geschäftsführung unter der Leitung von Sabine Schormann wollen ohnehin weg von der Gigantomanie und dem Zwang, beim nächsten Mal unbedingt ein Millionenpublikum nach Kassel locken zu müssen.
Im Zweifel sollen weniger Künstlerinnen und Künstler auch unter Corona-Bedingungen gut zugängliche Werke schaffen.

Schormann weist Kritik zurück

Sabine Schormann weist von Kunstkritikerinnen und -Kritikern geäußerte Zweifel an der künstlerischen Qualität der d15-Teilnehmerinnen und Teilnehmer zurück, die das Kollektiv aus Jakarta auswählt, ob fürs nächste oder eben erst fürs übernächste Jahr:
"Wenn ich mir die Liste der Künstler angucke, mit denen entweder Ruangrupa direkt oder die Lumbung-Partner zusammenarbeiten wollen, bin ich tatsächlich optimistisch, dass es da auch einige große künstlerische Akzente geben wird."
Die Diskussionen in den Videokonferenzen, etwa zur Entscheidung über den Zeitpunkt und die genaue Konzeption der documenta 15, werden übrigens vom documenta-Archiv dokumentiert und zu einem späteren Zeitpunkt womöglich auch öffentlich gemacht.

Digitaler und nachhaltiger

Das kann sich Birgitta Coers gut vorstellen. Die Kunsthistorikerin mit viel Erfahrung im Bereich der Digitalisierung leitet seit Oktober das documenta-Archiv und arbeitet aktuell mit einem sechsköpfigen Team an der Aufarbeitung den NS-Verstrickungen eines Teils der documenta-Gründergeneration.
Aber das Archiv hilft Ruangrupa auch bei der Herausforderung, in Pandemiezeiten viel digitaler zu denken, als zuvor geplant war. Etwa Online-Workshops zu organisieren und zu dokumentieren, erklärt Birgitta Coers:
"Da geht es auch um Workshop-Veranstaltungen, darum zu sagen, im Anschluss an Joseph Beuys neu nachzudenken über Lebensformen, über Zukunftskonzepte, über Fragen der Nachhaltigkeit. Auch das sind alles Dinge, die Ruangrupa sehr bewegen und eine Grundidee darstellten, die die ganze documenta 15 begleitet."

Sehnsucht nach dem Austausch vor Ort

Doch auch Birgitta Coers lässt im Gespräch keinen Zweifel: Auch sie sehnt sich nach einer documenta, die Öffentlichkeit unter Anwesenden in einem viel größeren Maße ermöglicht, als es die Coronapandemie zurzeit erlauben würde.
Stand heute spricht vieles für eine Verschiebung der documenta 15 auf das 2023.
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