Mit "Kompetenz und Durchhaltevermögen" an die Spitze
Seit 15 Jahren ist Angela Merkel nun CDU-Chefin. Catrin Hinkel, Vorstandssprecherin der Frauenförderungs-Initiative "Generation CEO" erklärt, was Merkel richtig macht und was andere Frauen von der Bundeskanzlerin lernen können.
Der Erfolg Angela Merkels, seit genau 15 Jahren CDU-Vorsitzende und mittlerweile in ihrer dritten Amtsperiode als Bundeskanzlerin, basiert laut Catrin Hinkel vor allem auf Kompetenz und Durchhaltevermögen.
Merkel habe gezeigt, dass man auch ohne "laute" Selbstdarstellung an die Spitze kommen könne, so Hinkel. Ihre sehr hohe Kompetenz und Intelligenz hätten Merkel geholfen, klare Entscheidungen zu treffen, die sie auch immer sehr gut durchgehalten habe. "Das heißt, sie trifft eine fundierte Entscheidung auf der Basis einer guten Analyse und geht dann diesen Weg sehr klar und sehr deutlich", betont Hinkel. "Und im Hintergrund schafft sie sich die Allianzen, die sie braucht, um ihren Weg auch durchzusetzen."
Frauen: intelligent und kompetent, aber zu wenig Mut und Durchhaltevermögen
Vielen Frauen mangele es nicht an Kompetenz und Intelligenz, so Hinkel weiter. Sie brächten jedoch häufig nicht zum Ausdruck, dass sie eine Führungsposition wollten und bauten auch nicht die dafür erforderlichen Netzwerke auf. Außerdem würden Frauen häufig nicht durchhalten. "Frau Merkel hat selber gesagt: es gibt Anfeindungen auf dem Weg, es gibt Kommentare auf dem Weg, die einem nicht so gut gefallen, die einen auch entmutigen können. Trotzdem weiterzugehen ist enorm wichtig. "
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: 15 Jahre Angela Merkel als Vorsitzende der CDU. Ja, heute ist der Tag, und seit zehn Jahren ist sie Bundeskanzlerin, und das war ein Weg, auf dem sie eher nicht auf Rosen gebettet war, und der sicher auch nicht ohne Verletzungen abging. Sie selber hat das mal so beschrieben:
Angela Merkel: ((Zitate))
Einmal hat mich jemand als "Zonenwachtel" beschimpft – da war ich gar nicht so glücklich. Auch das musste ich lesen.
Sagen Sie mal, Frau Merkel, wenn Sie sich 1990 anders entschieden hätten, und nicht in die Politik und zur CDU gegangen wären, was würde der CDU eigentlich fehlen. Ich, habe ich gesagt. Kurz und knapp.
Mal bin ich liberal, mal bin ich konservativ, mal bin ich christlich-sozial.
Viele kleine Schritte gehen.
Ich finde nicht, dass mir unentwegt rote Teppiche ausgelegt wurden.
von Billerbeck: Angela Merkel in ihrer Selbsteinschätzung. Inzwischen gibt es ja zig Biografien und Porträts, und alle Autoren stellen immer wieder die Frage, was ist eigentlich die Methode Merkel? Wir wollen heute wissen, können Frauen von Merkels Karrieretaktik lernen? Und zwar von Catrin Hinkel. Sie ist Sprecherin des Vorstandes von Generation CE", das ist ein Unternehmen, das sich dafür einsetzt, dass immer mehr Frauen in die Top-Etagen der Unternehmen kommen. Außerdem ist sie Geschäftsführerin bei der Unternehmensberatung Acccenture. Frau Hinkel, schönen guten Morgen!
Catrin Hinkel: Guten Morgen!
Kompetenzbasierte Karriere
von Billerbeck: Wie hat Angela Merkel Karriere gemacht?
Hinkel: Angela Merkel hat Karriere gemacht wie viele andere auch. Ich denke, dass sie ganz stark auf ihrer Kompetenz basiert. Ich glaube, dass sie oft unterschätzt wurde, und ich glaube, dass sie einfach den richtigen Moment genutzt hat, um nach oben zu gehen.
von Billerbeck: Klingt sehr einfach. Ist es so einfach gewesen, dieser Weg? Denn ich meine, man wird ja nicht so einfach Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende.
Hinkel: Nein, man wird nicht so einfach Bundeskanzlerin, man wird auch nicht so einfach Führungskraft. Ich glaube, es ist wichtig, dass man durchhält, dass man einfach einen Weg geht, für den man sich entschieden hat, und dass man auch Spaß hat an der Macht und an den Entscheidungsmöglichkeiten, die sich einem geben, wenn man auf die Ebene kommt. Und ich denke, sie hat ganz gut gezeigt, dass man, ohne sich groß in den Vordergrund zu stellen, ohne sich laut darzustellen, auch tatsächlich an die Spitze kommen kann.
von Billerbeck: Was genau ist es denn, das Angela Merkel auszeichnet, aus Ihrer Sicht, die Sie ja selber Führungskraft sind und versuchen, Frauen zu Führungskräften, dazu zu bringen, Führungskraft zu werden oder werden zu wollen?
Hinkel: Also, ich denke zum einen, dass sie eine sehr hohe Kompetenz hat. Sie hat eine sehr hohe Intelligenz, die ihr geholfen hat, die Entscheidungen entsprechend vorzubereiten. Ich glaube auch, dass es daran überhaupt nicht mangelt bei Frauen in oder auf dem Weg zu Führungspositionen. Ich glaube, was aber dann bei ihr sehr gut geholfen hat, war die Klarheit in ihren Entscheidungen und die Tatsache, dass sie ihre Entscheidungen sehr, sehr gut durchhält. Das heißt, sie trifft eine fundierte Entscheidung auf der Basis einer guten Analyse und geht dann diesen Weg sehr klar und sehr deutlich. Und im Hintergrund schafft sie sich die Allianzen, die sie braucht, um ihren Weg auch durchzusetzen.
Frauen lassen sich oft zu schnell entmutigen
von Billerbeck: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, dass die Frauen, die noch nicht in der Führungsetage sind oder es einfach nicht dahin schaffen, die machen welche Fehler? Die sagen nicht genau, was sie wollen, die schreien nicht laut genug "ich", wie Frau Merkel eben? Oder was machen sie falsch?
Hinkel: Es ist in der Tat so, dass Frauen häufig nicht ganz genau sagen, was sie wollen, dass sie nicht zum Ausdruck bringen, dass sie auf eine Führungsposition wollen. Und sie bauen auch nicht das Netzwerk, das sie brauchen an Unterstützung für ihren eigenen Aufstieg. Und was mir dann noch häufig auffällt, dass die Frauen manchmal einfach nicht durchhalten. Frau Merkel hat selber gesagt, es gibt Anfeindungen auf dem Weg, es gibt Kommentare auf dem Weg, die einem nicht so gut gefallen, die einen auch entmutigen können. Trotzdem weiter zu gehen, ist enorm wichtig. Und ich sehe daran doch die eine oder andere Frau scheitern, die dann sagt, das ist mir zu hart, das möchte ich nicht.
von Billerbeck: Das heißt, Frauen müssten aggressiver werden, sie müssten also auch aggressiver über ihre Erfolge reden, wie das ja Männer durchaus tun?
Hinkel: Aggressiv finde ich das falsche Wort –
von Billerbeck: Im positiven Sinn, sagen wir mal.
Hinkel: Im positiven Sinn!
von Billerbeck: Positiv aggressiv.
Hinkel: Ich glaube nicht, dass Frauen die besseren Männer sein müssen.
von Billerbeck: Nö, nö!
Erfolge richtig kommunizieren
Hinkel: Ich denke, dass es durchaus möglich ist, sozusagen einen ein bisschen ruhigeren Weg zu gehen. Aber, ja, Frauen müssen darüber kommunizieren, was sie für Erfolge haben. Sie müssen darüber kommunizieren, was sie gut gemacht haben. Und sie müssen das auch bekannt machen an den richtigen Stellen. Das ist das zweite Thema, wir beschreiben es oft mit Netzwerken. Sehr häufig kümmern sich Frauen nicht darum, dass das, was sie gut tun, auch bekannt ist.
von Billerbeck: Lieber Wellenchef, lieber Programmdirektor, lieber Intendant, falls Sie es noch nicht wissen, ich bin gut! Ich hab es jetzt gesagt. Reicht das?
Hinkel: Das reicht noch nicht, denn es ist ja nicht immer nur einer, der eine Entscheidung trifft.
von Billerbeck: Na, ich habe ja drei erwähnt.
Hinkel: Genau. Es ist eine absolut wichtige Grundlage. Dann ist es eben dieses Durchhalten. Das ist das Zweite. Durchhalten, auch wenn man mal einen Misserfolg hat. Durchhalten auch, wenn man mal angegriffen wird. Den Weg gehen. Den Weg klar vor Augen haben. Und auch Spaß daran haben, die Entscheidungen treffen zu können. Dann trifft man auch mal falsche Entscheidungen, dann wird man auch mal angegriffen, aber das muss man ertragen können. Und auch an der Stelle sehe ich manchmal Frauen einfach scheitern oder zurückziehen.
von Billerbeck: Da sind wieder zwei Dinge, da würde ich sagen, die treffen auch auf Angela Merkel zu, also Kompetenz und Durchhaltevermögen, ein unglaubliches Durchhaltevermögen. Da weiß man ja auch, dass sie Nachtsitzungen immer bis zum Sonstwann aushält. Aber das Dritte, was Sie erwähnt haben, trifft auf sie eigentlich nicht zu, nämlich über die Erfolge reden. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie das getan hat, außer eben in diesem Ton, wo sie sagte, ich würde der CDU fehlen. Aber sonst ist sie doch eine, die eigentlich nicht in den Vordergrund drängt.
Hinkel: Das ist korrekt, und das fasziniert mich an Frau Merkel auch sehr. Sie hat allerdings schon ihre Kompetenz, denke ich, immer wieder zeigen können, auf eine leise Art und Weise, nicht auf eine laute Art und Weise. Und vielleicht ist das das, was sie als Frau ausmacht.
Führungskräfte neigen dazu, sich zu "klonen"
von Billerbeck: Und das wäre auch ein Vorbild für andere Frauen?
Hinkel: Am Ende ist es ja eine Stilfrage. Und nicht jeder wird so laut sein, wie es zum Beispiel ein Kanzler Schröder war. Ich persönlich bin auch eine eher leise Führungskraft, und ich glaube, man kann auch auf diesem Weg seine Kompetenzen zeigen. Es geht ja nicht darum, dass man vor einem großen Publikum sich darstellt, sondern an den richtigen Stellen mit den richtigen inhaltlichen Themen auch auftreten kann.
von Billerbeck: Wenn Sie Ihre Erfahrungen zusammenfassen, die Sie als Führungskraft haben und auch mit Frauen, die selbst Führungskraft werden wollen oder auf dem Weg sind – was meinen Sie, wie lange wird es noch dauern, bis auch wirklich in den absoluten Top-Etagen genauso viele Frauen wie Männer sind? Denn in den mittleren Ebenen sind sie ja.
Hinkel: Genau, in den mittleren Ebenen sind sie ja, und ich glaube, dass das leider noch eine ganze Zeit lang dauern wird, denn wir haben ja in den letzten Jahren gesehen, dass sich noch nicht so viel bewegt hat, gerade auf den Top-Etagen. Ich glaube, dass ein Problem ist, dass Führungskräfte sich unbewusst sozusagen selbst vervielfältigen oder klonen. Und wir müssen das von unten nach oben ganz langsam aufbrechen, sodass Frauen auch in ausreichender Zahl auf den Führungsetagen vorhanden sind. Denn nur, wenn – ich stelle mal die Zahl ein Drittel in den Raum – sozusagen eine Mindestzahl an Frauen in einem Führungsteam sind, ändert sich auch etwas an der Entscheidungsfindung.
von Billerbeck: Catrin Hinkel war das, Geschäftsführerin bei der Unternehmensberatung Accenture und Sprecherin des Vorstandes von Generation CEO, über die Karriere von Angela Merkel, und was wir anderen Frauen daraus lernen können. Ich danke Ihnen!
Hinkel: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.