15 Jahre CDU-Vorsitz

Merkel und niemand daneben

Angela Merkel im Jahr 2000 strahlt mit zwei Blumensträußen in der Hand.
Da strahlte sie: Am 10. April 2000 wurde die damalige Generalsekretärin Angela Merkel zum ersten Mal zur CDU-Vorsitzenden gewählt. © dpa / Michael Jung
Von Frank Cappellan |
Die CDU ohne ihre Vorsitzende Angela Merkel - für viele undenkbar. Auch SPD-Wähler haben so großen Gefallen an Merkel gefunden, dass es für die Sozialdemokraten unmöglich erscheint, sie jemals an der Regierungsspitze abzulösen. Heute ist sie seit 15 Jahren CDU-Chefin.
Es ist ein Satz einer Wählerin aus Brandenburg, der einerseits symptomatisch für einen Großteil des Erfolgs der Angela Merkel steht, der andererseits aber vielen Konservativen, aber auch Sozialdemokraten als Menetekel gelten muss. "Unsere Frau Merkel, die ist doch auch in der SPD...", sagt eine ältere Dame im September 2009, am Rande einer Wahlkampfveranstaltung mit ihrem Herausforderer Frank-Walter Steinmeier:
"Ich bin ja auch sehr angetan von unserer Merkel. Die ist doch in der SPD? Ach, CDU? Dann muss ich mir das noch mal ganz genau überlegen."
Eine CDU-Vorsitzende, die als Sozialdemokratin wahrgenommen wird, eigentlich der Super-Gau für alle Anhänger konservativer Wertvorstellungen − zugleich auch eine Bankrotterklärung für die deutsche Sozialdemokratie. Als die Pfarrerstochter aus Mecklenburg-Vorpommern am 10. April 2000 eine weitgehend von Männern dominierte CDU übernimmt, ist das Profil noch scharf, das Weltbild der Konservativen noch in Ordnung: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind für die Partei indiskutabel, die doppelte Staatsbürgerschaft wird abgelehnt, die Atomkraft gilt als moderne Technologie.
Fünf Jahre später wird sie Kanzlerin, das angestaubte Wertekorsett hat die Frau mit den bunten Blazern da längst abgestreift:
"Mal bin ich liberal, mal bin ich konservativ, mal bin ich christlich-sozial, und das macht die CDU aus."
Abrechnung mit Helmut Kohl
Merkel, die Pragmatikerin. Seit sie 2005 um ein Haar an Gerhard Schröder gescheitert wäre, tickt sie eben auch immer häufiger sozialdemokratisch. Neoliberalen Ballast hat sie damals über Bord geworfen; inzwischen hat sie sich sogar die Rente mit 63 und den Mindestlohn aufdrücken lassen − schier undenkbar, als sie vor 15 Jahren nach dem Parteivorsitz greift.
Erst einmal muss sie sich damals Respekt verschaffen: Mit einem bemerkenswerten Artikel in der FAZ wagt sie am 22. Dezember 1999 den Putsch, rechnet mit Helmut Kohl ab, der nicht bereit ist, in der Parteispendenaffäre reinen Tisch zu machen:
"Ich find nicht, dass mir unentwegt rote Teppich ausgelegt wurden."
Nein, es war harte Arbeit, sich als Protestantin aus dem Osten bei den Christdemokraten durchzusetzen. Merkel bleibt standhaft, regiert erst die SPD klein, um dann ihren Wunschpartner, die FDP, nach vierjähriger Koalition ins Jenseits zu befördern. Die Physikerin, die die Dinge dreht und wendet, sich herantastet, Stimmungen bewertet, ehe sie sich festlegt; dieser moderierende, eher präsidiale Regierungsstil wird ihr Erfolgsrezept und macht sie in der Bevölkerung beliebt − so beliebt, dass ihr Umweltminister Sigmar Gabriel 2007 respektvoll konstatieren muss:
"Da haben wir alle als Minister zugearbeitet, keine Frage, aber natürlich hat die das gut gemacht."
Was kommt nach Merkel?
Neben ihr gibt es allerdings kaum jemanden in der Partei; selbstbewusst erzählt Angela Merkel inzwischen anekdotisch von Begegnungen mit ihren Wählern:
"'Sagen Sie mal, Frau Merkel, wenn Sie sich 1990 anders entschieden hätten und nicht in die Poliitk und zur CDU gegangen wären, was würde der CDU eigentlich fehlen?' − 'Ich', hab ich gesagt, kurz und knapp."
Laschet: "'Merkel, Merkel, Merkel, Merkel, Merkel. Was hat die CDU noch?' - 'Da hab ich gesagt: Merkel.'"
Ihr Vize Armin Laschet nimmt es humorvoll, aber was kommt nach Merkel? Darauf gibt es bei den Christdemokraten derzeit keine Antwort. Ursula von der Leyen ist zwar in der Bevölkerung beleibt, nicht aber in der Partei.
Ans Aufhören kann die 60-jährige Merkel gar nicht denken. Nicht als CDU-Chefin, nicht als Kanzlerin. Die SPD kann da nur kapitulieren: "Solange Merkel da ist, haben wir keine Chance", hat Thorsten Albig aus Schleswig-Holstein kürzlich gesagt − und damit den Protest von Parteichef Gabriel provoziert. Insgeheim weiß aber auch Merkels Vizekanzler: Es dürfte wohl wahr sein.
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