Der Erfinder der Zeitmaschine
"Die Zeitmaschine", "Krieg der Welten", "Der Unsichtbare": Fast alle Romane H.G. Wells' wurden auch zu Filmklassikern. Dabei nutzte er seine Abenteuergeschichten als Vehikel für Fortschrittskritik. Vor 150 Jahren wurde der englische Schriftsteller geboren.
"Ich tat noch einen Tropfen Öl auf die Quarzwelle, setzte mich auf den Sattel und ergriff den Starthebel. Ein Selbstmörder, der sich eine Pistole an den Schädel hält, wird vermutlich das gleiche Gefühl haben. Ich preßte die Zähne zusammen und sauste mit einem dumpfen Schlag los."
Als Herbert George Wells seinen ersten Roman "Die Zeitmaschine" veröffentlichte, traf er den Nerv der Zeit. Die industrielle Revolution mit ihren magischen Erfindungen von Dampfmaschine, Elektrizität und Telegrafie ließ viele zum Ende des 19. Jahrhunderts an das Machbare des Noch-Unmöglichen glauben.
Gleichzeitig löste der Übergang vom Viktorianischen Zeitalter in die Moderne bei manchen Weltuntergangsstimmung aus. Wells bediente die Fantasie beider Lager. Sein Zeitreisender erreicht eine ferne Zukunft, in der die Menschheit ausgestorben scheint.
"Ein Grauen vor dieser gewaltigen Dunkelheit überkam mich. Ich fühlte mich schwindlig und nicht in der Lage, die Rückreise anzutreten. Doch eine furchtbare Angst davor, hilflos in diesem fernen entsetzlichen Zwielicht dazuliegen, verlieh mir Kraft, in den Sattel zurück zu klettern."
Wells' Dystopie beeinflusste auch spätere Zukunftsromane
Die negative Utopie, die Wells darin entwarf, beeinflusste auch spätere kritische Zukunftsromane wie George Orwells "1984" oder Aldous Huxleys "Schöne neue Welt". Seine berühmtesten Werke erschienen zwischen 1894 und 1898. Mit der "Zeitmaschine" hatte Wells zugleich eine neue Thematik gefunden: die Vision einer Zukunft der Menschheit in einer von Umwälzungen bedrohten Welt.
Romane wie "Die Insel des Dr. Moreau", "Der Krieg der Welten", dem ersten Roman über eine Invasion aus dem All, und "Der Unsichtbare" verbreiteten seinen Ruf als Erfinder von Science-Fiction-Literatur rasant.
Jules Vernes, 40 Jahre älterer Grandseigneur fantastischer Erzählungen, zur Themen-Verwandtschaft mit Wells befragt, kritisierte, dass dessen Geschichten nicht auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhten.
"Es besteht keine Beziehung zwischen seiner und meiner Arbeit. Ich mache Gebrauch von der Physik. Er erfindet. Ich fliege zum Mond in einer Kanonenkugel, von einer Kanone abgefeuert. Er fliegt zum Mars in einem Luftschiff, das er aus einem Metall konstruiert, das das Gesetz der Schwerkraft ignoriert. Zeigen Sie mir dieses Metall."
Seine Fantasie sprach unterschwellige Ängste an
Doch Wells hatte auch gar kein Interesse daran, als englischer Jules Vernes in die Literaturgeschichte einzugehen. Im Gewand spannender Abenteuergeschichten setzte er sich sozialkritisch mit ethischen Grundsätzen auseinander, kritisierte die ungleiche Verteilung von Wohlstand und fragte nach dem Preis des Fortschritts.
Seine Fantasie sprach unterschwellige Ängste an. Nach der Lektüre von "Der Unsichtbare", in der Wells einen Chemiker die Formel für Unsichtbarkeit entdecken lässt und ihn damit in psychische Abgründe von Machtwahn und Destruktivität stürzt, schrieb ihm sein Freund und Schriftsteller-Kollege Joseph Conrad:
"Ich hoffe, Sie besitzen den notwendigen Anstand, mir zu glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich durch Ihre Arbeit immer stark beeindruckt bin: zu sehen, wie Sie es fertigbringen, die Menschheit den Klauen des Unmöglichen zu übergeben! In diesem kleinen Buch machen Sie es mit schrecklicher Gründlichkeit."
Der Mensch ist nicht das Ende
Herbert George Wells wurde am 21. September 1866 nahe London in bescheidenen Verhältnissen geboren. Schon mit 16 Jahren unterrichtete er als Hilfslehrer, erhielt ein Stipendium und studierte Naturwissenschaften, unter anderem bei dem berühmten Darwin-Anhänger Thomas Huxley. Neben seinen Romanen verfasste er 100 populär-wissenschaftliche Artikel. Um die Jahrhundertwende zählte er zu den meistgelesenen Autoren der Welt. 1901 schrieb Wells:
"Dass der Mensch nicht das Ende ist, ist die große nicht zu bewältigende und irritierende Tatsache, die sich vor uns auftut in der wissenschaftlichen Entdeckung der Zukunft, und zumindest meiner Einschätzung nach ist die Frage, was nach dem Menschen kommt, die am wenigsten lösbare Frage der ganzen Welt."
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs begann sein literarischer Stern zu sinken, doch seine Popularität und sein Einfluss blieben ungebrochen. In Sachbüchern entwickelte er Ideen für einen Weltstaat und regte Projekte wie den Völkerbund und die Liga der Menschenrechte an. Seine Romane wurden bis heute von zahlreichen Autoren und Filmemachern adaptiert.
Nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki 1945 bemalte Wells seine Gartenmauer mit der Darstellung der Evolution. Unter das Bild des Menschen schrieb er: Time to go! Herbert George Wells starb ein Jahr später im Alter von fast 80 Jahren.