Gynäkologe und Retter der Mütter
Der vor 150 Jahren gestorbene ungarische Arzt Ignaz Semmelweis erkannte als einer der ersten, dass bessere Hygiene Frauen davor bewahrt, am Kindbettfieber zu erkranken. Der Pionier der Hygiene-Vorschriften in Krankenhäusern kämpfte ein Leben lang gegen Widerstände.
"In den 40er- und 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts war es tatsächlich ein Risiko, als schwangere Frau in eine Klinik aufgenommen zu werden. Das Risiko war enorm, vielleicht 20 Prozent, in diesem Krankenhaus zu sterben", erzählt der Kölner Medizinhistoriker Klaus Bergdolt. "Nur man wusste nicht warum. Und man hat es zum Teil eben auch hingenommen."
Ignaz Semmelweis nimmt es nicht hin. Der junge Assistenzarzt sieht mit großer Sorge, wie oft ein Priester seine Geburtshilfestation besucht - für eine letzte Ölung.
"Man kann sich denken, welchen Eindruck das öfters am Tage hörbare verhängnisvolle Glöckchen des Priesters auf die anwesenden Wöchnerinnen hervorbrachte. Mir war selbst unheimlich zu Muthe. [...] Dieses Glöckchen war eine peinliche Ermahnung, [der] unbekannten Ursache nach allen Kräften nachzuspüren."
Hunderte Mütter starben
In den beiden Geburtshilfe-Abteilungen des Wiener Allgemeinen Krankenhauses kommen damals jedes Jahr Tausende Kinder zur Welt. Dabei sterben hunderte Mütter an Kindbettfieber. Semmelweis fällt auf, dass in der einen Abteilung, wo Medizinstudenten lernen, zehn Mal mehr umkommen als in der anderen. Dort arbeiten ausschließlich Hebammen-Schülerinnen. Doch erst der Tod eines Kollegen, den ein Student beim Sezieren verletzt hat, bringt ihm die Erkenntnis.
"Und er kam dann - das war schon ein genialer Einfall - darauf, dass das an der Desinfektion liegen muss, an der mangelnden Desinfektion."
Zu einer Zeit, in der noch nicht klar ist, dass Bakterien Krankheiten verursachen, kommt Ignaz Semmelweis 1847 der Ursache ganz nah. Seine These: Ärzte und Studenten bringen den Tod vom Seziertisch mit, sie übertragen auf die Frauen gefährliche "Cadavertheile"- wie er sie nennt. Seine Schlussfolgerung: Wer Patientinnen untersucht, muss sich vorher gründlich mit Chlorkalk die Hände reinigen.
Tatsächlich sterben von einem Monat auf den anderen in der Klinik deutlich weniger Mütter am Kindbettfieber. Semmelweis gewinnt direkt einige Anhänger für seine Maßnahme und seine Theorie. Die berufliche Anerkennung jedoch bleibt ihm versagt. Er darf sich zwar habilitieren, bekommt in Wien aber keine vollwertige Dozenten-Stelle.
Späte Anerkennung
"Das hat er zu Recht als erniedrigend empfunden und er ist dann nach kurzer Zeit einfach von Wien weggegangen nach Pest, also nach Budapest, und hat dann dort weitergearbeitet."
Er kehrt zurück in die unmittelbare Nähe seiner Heimatstadt Buda, wo er 1818 geboren war. Zunächst als unbezahlter Chefarzt und später als Professor kämpft Semmelweis weiter für Hygiene in der Geburtshilfe. Er heiratet spät eine deutlich jüngere Frau und bekommt mit ihr fünf Kinder. Obwohl ihm das Thema so am Herzen liegt, veröffentlicht er seine Forschungsergebnisse zum Kindbettfieber erst 1861 umfassend. Zu dieser Zeit fühlt sich Semmelweis schon lange als unverstandener Einzelkämpfer:
"[Ich habe]..,um dem Morden ein Ende zu machen, den unerschütterlichen Entschluss gefasst, jedem, der es wagt, Irrthümer über das [Kindbett]-Fieber zu verbreiten, schonungslos gegenüber zu treten."
Kritiker seiner Hygiene-Lehre nennt er "Ignoranten" und "Mörder". In offenen Briefen greift er selbst renommierteste Mediziner polemisch an.
"Das ist eine tragische Kombination: Ein Mann, der eine Beobachtung macht, die epochale Bedeutung hat, der aber offensichtlich nicht über die Persönlichkeit verfügt, das wirklich diplomatisch (...) rüberzubringen."
Vielleicht treibt Semmelweis bei seinen Tiraden das schlechte Gewissen an: Vor seiner Erkenntnis hatte er selbst unzähligen Frauen den Tod vom Seziertisch mitgebracht. Möglicherweise leidet Ignaz Semmelweis aber auch an einer Krankheit, die ihn jähzornig und unberechenbar macht. Die Spekulationen darüber reichen von einer nicht ausgeheilten Syphilis bis hin zu einer frühzeitigen Alzheimer-Demenz. Fest steht, dass er im Sommer 1865 wohl gegen seinen Willen in eine Nervenheilanstalt bei Wien eingeliefert wird. Dort stirbt er wenig später am 13. August mit 47 Jahren unter nicht vollständig geklärten Umständen.
"Semmelweis wurde, für ihn natürlich leider erst posthum, ein Held der Medizin, einer der bekanntesten Ärzte des 19. Jahrhunderts, um nicht zu sagen der Medizingeschichte überhaupt."
Ignaz Semmelweis gilt inzwischen nicht nur in seiner Heimat Ungarn als "Retter der Mütter".