175 Jahre Kindergarten

Friedrich Fröbels Exportschlager

eine Kindergruppe vor dem "Fröbel-Haus" im thüringischen Bad Blankenburg, als ältester Kindergarten der Welt 1840 von dem Pädagogen Friedrich Fröbel gegründet.
Das "Fröbel-Haus" im thüringischen Bad Blankenburg, als ältester Kindergarten der Welt 1840 von dem Pädagogen Friedrich Fröbel gegründet. © picture alliance / ZB / Jan-Peter Kasper
Von Bernhard Henry |
Der Pädagoge Friedrich Fröbel eröffnete 1840 in Bad Blankenburg in Thüringen den ersten Kindergarten. Der ist ein weltweiter Exportschlager geworden, genauso wie seine pädagogischen Ideen und Konzepte.
"Habt ihr alle den Mund schön ausgespült? / Jaaa! / Dann darf die Jasmin die Sanduhr umdrehen, und es geht los."
Die 13 Kinder der Bienen-Gruppe des Fröbel-Kindergartens in Bad Blankenburg putzen nach dem Frühstück die Zähne. Marion Kretzschmar, Erzieherin im Fröbel-Kindergarten seit 28 Jahren, verteilt die Zahnpasta. Ein buntes Gewusel; die meisten Zähne bekommen zumindest kurz Kontakt mit der Zahnbürste. Danach ein Fingerspiel.
"…zählen / woll’n mal nach den Fingern sehen / ob auch keine fehlen / Gestern waren es zehn."
Als die Finger schließlich vollständig sind, geht es in den Gruppenraum. Marion Kretzschmar macht ein paar Angebote. Jeder kann sich entscheiden. Die meisten Jungs verschwinden in der Bauecke, einige Mädchen wollen flechten.
Marion Kretzschmar: "So, Jasmin, wenn Du so was machen willst, musst Du Dir Streifen schneiden."
Jasmin und Charlotte ziehen Papierstreifen mit einer Flechtnadel durch ein Flechtblatt, so dass bunte Muster entstehen.
Jasmin: "Das heißt Flechten! Wie bei den Haaren, nur eben auf Papier. Das ist aber fast so wie Haare. Und wie lange gibt es schon das hier mit dem, was ich hier mache?"
Kretzschmar: "Das gibt’s schon so lange, wie der Friedrich Fröbel den Kindergarten erfunden hat."
Jasmin: "Cool!"
Kretzschmar: "Aber das, was Du jetzt machst, das hat der Friedrich Fröbel erst mal den ganzen Kindergärtnerinnen gezeigt. Die mussten das erst bei dem Friedrich Fröbel lernen; und dann haben die das wieder den Kindern gelernt."
Büste von Friedrich Fröbel
Büste des Pädagogen Friedrich Fröbels im Fröbelmuseum im thüringischen Bad Blankenburg, aufgenommen am 21.02.2007.© picture alliance / dpa / Foto: Jan-Peter Kasper
Die Prinzipien der Fröbelschen Pädagogik gelten heute an vielen Kindergärten, weltweit. Aber die ursprünglichen Ideen hat Fröbel erstmals in Blankenburg verwirklicht, wo er vor 175 Jahren, am 28. Juni 1840, den ersten Kindergarten eröffnete. In dem Gebäude erinnert seit 1982 ein Museum an den Pädagogen. Seitdem leitet Margitta Rockstein das Haus.
"Das Kind soll weder schon beschult werden noch Industrietechniken durchführen, sondern er ist der Meinung: Das kleine Kind sollte spielen. Und er entwickelt dann Spiele, mit denen das Kind lernen und wachsen kann. Der Kindergarten ist ein Bildungsort, also keine Bewahranstalt."
Im Fröbel-Museum sind sie alle aufgereiht, die sogenannten "Spiele-Gaben", die Kinder ganz nebenbei im Spiel die Welt verstehen und begreifen lassen sollen.
"Beim Flechten ist das Element die Zahl; die Kinder sollen also lernen: von rechts nach links, von Oben nach Unten. Man muss schon wissen: Wo ist Oben, wo ist Unten, Rechts-Links. Es geht um Feinmotorik. Wir wissen heute, dass Kinder das oft nicht schaffen; die werden dann in die Ergotherapie geschickt. Das entwickelt eine gute Kindergärtnerin mit im Tagesablauf! Und die Kinder lernen dabei zählen. Und es entsteht ein Muster – wir definieren heute Mathematik als Wissenschaft von Mustern! Wie einfach wäre das mit diesen Fröbelschen Materialien, den Bildungsplan auch umzusetzen!?"
Nach den Prinzipien des Pädagogen
Der heutige Fröbel-Kindergarten in Bad Blankenburg ist 1908 eingeweiht worden. Seitdem wird dort nach den Prinzipien des Pädagogen gespielt und gelernt.
Kretzschmar: "Kann jemand auswendig wissen oder sich daran erinnern, wie viele Würfel in einem Kasten drin sind? Till?"
Till: "Acht!"
Kretzschmar: "Genau, richtig, Du hast Di gut erinnert."
Jedes Kind in Marion Kretzschmars Bienen-Gruppe hat die 3. "Spiele-Gabe", eine kleine Holzschachtel mit Würfeln darin, vor sich.
"So, und jetzt darf jeder von euch die Würfel oder Ziegel in zwei gleich große Mengen teilen. Zwei Hälften! Der Niklas ist schon fertig, bei dem ging das ganz schnell."
Offensichtlich dauert es eine Weile, bis alle 6-Jährigen die Aufgabe gelöst haben.
Kretzschmar: "Und jeder hat zwei Hälften gebildet. Und in jeder Hälfte sind jetzt wie viele Rechtecke oder Würfe? / Vier. / Genau! Und das bedeutet: zwei mal vier Würfel sind? / Acht!"
Rockstein: "Hier die 3. Spielgabe, acht Würfel, die gilt ihm sozusagen als Schlüssel zu seinem gesamten Spielgabensystem."
Ideengeber für moderne Kunst
Kretzschmar: "Und jetzt schieben wir wieder alle acht zusammen, so wie sie aus dem Kasten rausgekommen sind. Die untere Schicht liegt in der Mitte vom Tablett, und außen herum könnt ihr jetzt die andere Schicht zerteilen und damit ein Muster legen."
Aus den überall gleichen Würfeln entsteht nun auf jedem Tablett ein anderes Muster, andere Konstruktionen.
Kretzschmar: "Also, das erste war ersichtlich Mathematik. Und das zweite, das ist schon eher was, was in Richtung Architektur geht, mit Gleichmäßigkeit und Symmetrie. Also, das hat der Friedrich Fröbel Schönheitsformen genannt, um eben ein Empfinden für Formen, Flächen und Gestaltung zu bekommen bei den Kindern."
Rockstein: "Also, ich kann immer wieder neue Dinge konstruieren! Fröbel als Ideengeber für die moderne Kunst: Also, mit diesen Materialien spielt z.B. Frank Lloyd Wright, der dann im Alter von 80 Jahren in seinem Testament schreibt, die Initialzündung für seinen Baustil sei gewesen: Die Spielgaben von Fröbel, die er von seiner Mutter geschenkt bekam! Und das hat ihn angeregt zu bauen, zu konstruieren."
Und plötzlich ist die große, weite Welt, das Guggenheim-Museum in New York, in der thüringischen Provinz. Und so wird am Wochenende der Festakt und eine Fachtagung zum Kindergarten als Bildungsort und als Spitzen-Exportartikel seit dem 19. Jahrhundert Gäste aus aller Welt nach Bad Blankenburg ziehen. Auch ins Fröbel-Museum zu Margitta Rockstein, die Fachbesucher gewöhnt ist.
Rockstein: "Und das ist auch etwas, was in jüngster Zeit aus China an uns herangetragen wird, und zwar von den Ingenieurswissenschaften! Also, das Leute, die Ingenieure ausbilden, zu uns kommen und sagen: ´So, wir möchten uns in Deutschland mit dem Bildungssystem beschäftigen; da kommen wir an Fröbel nicht vorbei, weil von Anfang an mit diesen elementaren Dingen Kreativität entwickelt werden kann`."
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