1967 - Das Schaltjahr des Pop (1)

Einzigartig eigenartig: Jim Morrison und Syd Barrett

Undatierte Aufnahme von Jim Morrison während eines Auftritts von The Doors.
Undatierte Aufnahme von Jim Morrison während eines Auftritts von The Doors. © picture alliance / dpa / Manfred Rehm
Von Till Lorenzen |
Syd Barrett und Jim Morrison sind zwei der mysteriösesten und prägendsten Popfiguren des Jahres 1967. Die Debutalben ihrer Bands beeinflussten maßgeblich die Entwicklung der Rockmusik. Ihre Wirkung ist bis heute ungebrochen, ihre Exzentrik noch immer Vorbild für Musiker.
"Wake up, you can’t remember where it was. Has this dream stopped?” Jim Morrison, Sänger der Band The Doors, beginnt seine Zeremonie: Mit dem Song "Break on through" leitet er das Publikum auf die andere Seite, fernab der rational-realen Welt.
Jim Morrison inszenierte sich als Schamane des Pop, als Lizard King, einer Figur aus dem mexikanischen Schamanismus. Zudem behauptete er, er trage die Seelen toter Indianer in sich. Dazu studierte er die zeitgenössischen schamanistischen Werke von Carlos Castaneda und Mircea Eliade.
Traditionelle Konzepte übertrug Morrison in seine Welt, und das keineswegs naiv, sagt Karin Riedl, Autorin des Buches "Künstlerschamanen":
"Vor allem hat Jim Morrison auch gesagt, dass ein Rockkonzert ein Ritual ist, dass er es als solches inszenieren möchte und dass er eben analog zum Schamanen in traditionellen Gesellschaften das Publikum mitnehmen möchte auf eine Seelenreise, wo er eben als der Psychopompos, so heißt das, als Seelengeleiter auftreten möchte."

Syd Barrett: Britischer Spleen, unnahbar und querköpfig

Eine derartig extrovertierte Inszenierung, sucht man bei Syd Barrett vergeblich. Seine Band Pink Floyd überwältigte das Publikum mit audiovisuellen Spektakeln. Barrett selbst zeichnete sich durch britischen Spleen und englische Wildheit aus, unnahbar und querköpfig – und bereits mit ersten Anzeichen von Schizophrenie durch seine Drogensucht.
Dadurch taugte er an sich nicht als Frontmann, erklärt Gerhard Kaiser, Mitherausgeber des Buches "Younger than Yesterday":
"In gewisser Weise kann man sagen, dass er ein Prototyp des Leistungsverweigerers im Popbuiseness ist. Er fängt ganz früh an dieser Routinen überdrüssig zu werden, das Playbackspielen in 'Top of the Pops'-Sendungen, wo er sich verweigert und ostentativ die Lippen zusammenpresst. Oder das er unter extremen Drogeneinfluss auf die Bühne kommt und ein ganzes Konzert über nicht einen Ton spielt."
Das erste Album von Pink Floyd ist eine Versammlung von Kinderfiguren. Syd Barrets Texte sind von einem kindlich-romantischen Geist durchdrungen, hier scheint sich ein Sänger nach unbeschwerten Zeiten im Schoße der Mutter zu sehen.
"The Piper at the Gates of Dawn", also der Pfeifer am Tor der Morgenröte, ist der Musikgott Pan aus Kenneth Grahams Kinderbuch "Der Wind in den Weiden". Dazu gesellen sich ein Gnom, eine Vogelscheuche, eine wilde Weltraumreise und ein Fahrrad.
Die Texte Barretts sind unschuldig und wenig provokativ. Sie entspringen infantiler Träumerei, sagt Gerhard Kaiser:
"Ich glaub, dass das eine Welt war, in der er irgendwie noch lebte als adoleszenter Mann, der er irgendwie Ausdruck verleihen wollte. Das ist eine zutiefst romantische Überzeugung eigentlich, dass man in diesen kindlichen Weisen des Ausdrückens, der Märchen und Gedichte, vielleicht weit eher, um es mal mit Novalis zu sagen, "Schlüssel zu den wahren Weltgeschichten" findet, als in rationaleren oder cooleren Zugriffsweisen der Erwachsenen."

Jim Morrison: Rolle als belesener Poet und Sexsymbol

Jim Morrison hingegen präsentierte sich stets als belesener Poet im hochkulturellen Feld zwischen Brecht, Joyce, Rimbaud und Nietzsche. Seine Texte sind ambivalent und voll schwerer Zeichen. Auf der Bühne entfaltete Morrison im Zusammenspiel mit der Musik eine ekstatische Wirkung.
Durch sexuelle Eindeutigkeiten wurde seine Poesie aber auch oft genug belächelt. Lester Bangs nennt ihn "Bozo Dyonisus", den dummen, besoffenen Querulanten. Erotik oder Weltveränderung, bei Morrison liegt beides eng beieinander, erklärt Karin Riedl:
"Er hat selbst eigentlich dieses erotische Image etabliert, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er hatte aber nach eigenem Bekunden die Absicht, die Aufmerksamkeit zu nutzen. Eben dazu Denkanstöße zu liefern oder den Leuten zu helfen sich von bestimmten restriktiven Mustern zu befreien. Er hat sich dann hinterher völlig gefangen gefunden in dieser Sexsymbolrolle."
Der wilde Intellektuelle und das missverstandene Kind? Die Frontmänner von The Doors und Pink Floyd könnten in ihrem Auftreten nicht unterschiedlicher sein. Dennoch: Beide Bands wollten Kunst sein, sie werden im Sinne Schillers sentimentalisch, fangen an bewusst und reflektiert zu handeln.
Bei The Doors läuft dies vor allem über die Texte. Pink Floyds Kunstwerdung ist stärker in ihrer Musik zu finden. Sie orientieren sich an der musique concrète der 40er und 50er Jahre. Klangverfremdungen und Alltagsgeräusche wie Schritte, Türen, Uhren und Tierlaute prägen das Album.
Syd Barrett und Jim Morrison sind zwei der mysteriösesten und prägendsten Popfiguren des Jahres 1967. Die Debutalben ihrer Bands beeinflussten maßgeblich die Entwicklung der Rockmusik. Ihre Wirkung ist bis heute ungebrochen, ihre jeweilige Exzentrik noch immer Vorbild für junge Musiker.

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