Wie die Software Autotune die Musik geprägt hat
Schrill und künstlich: Als Cher 1998 "Believe" veröffentlichte, klang ihre Stimme wie von einem anderen Stern - dank der Software Autotune. Heute ist der "Cher-Effekt" aus der Pop-Musik nicht mehr wegzudenken. Eigentlich sollte er dabei helfen, Erdöl zu finden.
Was war da los? Nicht mehr rauchig und tief, sondern ungewöhnlich verzerrt klang Chers Stimme als sie 1998 ihren Song "Believe" veröffentlichte. Eine neue Software, die im Jahr zuvor auf den Markt gebracht worden war, machte es möglich. Schon bald prägte der Autotune die Popmusik - und bekam den Beinamen "Cher-Effekt". Der amerikanische Kulturjournalist Simon Raynolds nannte den Autotune sogar den wichtigsten Sound des 21. Jahrhunderts.
Ursprünglich wollten Musikproduzenten die Software nutzen, um schiefe Töne von Sängern zu korrigieren, erklärt Musikjournalist Jan Kedves:
"Autotune ist eine Software, ein Algorithmus, der ein hineinkommendes Audiosignal analysiert und versucht zu verstehen, welcher Ton sollte hier getroffen werden. Wenn der Sänger oder die Sängerin den Ton schon perfekt trifft, wird die Software gar nicht aktiv. Aber wenn die Software den Eindruck hat, hier liegt etwas ein bisschen zu hoch oder zu niedrig, dann korrigiert sie den Ton."
Dass sich mit der Software auch ungewöhnliche Soundeffekte erzeugen lassen, wurde eher durch Zufall entdeckt. Überhaupt ist die Geschichte dieses Soundeffekts ungewöhnlich. Denn entwickelt wurde die Software in den 70er-Jahren eigentlich nicht, um Musik zu machen, sondern um Ölquellen aufzuspüren.
"Man hat im Boden Detonationen erzeugt und die sonische Reflexe, die man dann aufgezeichnet hat, konnte man algorithmisch analysieren, um zu gucken, wo lohnt es sich zu bohren."
Weil der Programmierer Andy Hildebrand auch Hobbymusiker war und Flöte spielte, kam er Ende der 80er Jahre auf die Idee, die Audio-Software auch für Musik-Dateien zu verwenden. 1997 brachte er dann mit seiner Firma Antares Audio die Software auf den Markt, die die den Sound der Pop-Musik revolutionieren sollte. Vor allem in der Hip-Hop-Musik ist der Autotune bis heute omipräsent. Als einer der ersten Hip-Hop-Musiker verwendete T-Pain 2005 den Autotune-Effekt - und hält bis heute daran fest. (*)
Der Autotune war mehr als ein reiner Soundeffekt. Er veränderte auch das Männerbild im Hip-Hop, erklärt Jan Kedves:
"Man könnte auch sagen, dass zeitgleich im Rap und im Hip Hop auch eine neue männliche Stimme und auch eine neue Männlichkeit eingezogen ist. Vorher waren ja die sehr aggressiven Gangsterrapper dominant, aber mit dem Trap-Rap und dem Autotune-Rap, der seit Mitte der Nuller-Jahre nie weggegangen ist, sondern konstant populär ist, sind eigentlich Rapper populär geworden, die mehr Zwiegespräch führen, die emotionale und psychische Probleme haben, die möglicherweise auch ein bisschen traurig sind und so weiter."
In der Androgynität des Autotunes verschwimmen die Grenzen zwischen Männer- und Frauenstimmen. Manche Musiker setzen das gezielt ein:
"Ein Effekt, den der Autotune-Effekt haben kann, ist, dass man nicht mehr weiß, ob da ein Mann oder eine Frau singt. Zum Beispiel bei Jam Rostron alias Planningtorock, da möchte sie selbst oder er selbst gar nicht mehr, dass man weiß: Mann oder Frau? "
(mw)
(*) Redaktioneller Hinweis: Wir haben den Namen der Firma korrigiert.