20 Jahre Erstürmung der Stasi-Zentrale
Am 15. Januar 2010 jährte sich zum 20. Mal die Erstürmung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg, eines der wichtigsten Daten in der deutsch-deutschen Geschichte. Zwar waren bereits im Dezember 1989 andere Stasi-Liegenschaften in der DDR besetzt worden; die Erstürmung der Berliner Machtzentrale war aber der Höhepunkt und Siegeszug der landesweiten Bürgerkomitees, die sich das Ziel gesetzt hatten, diesen gefürchteten Geheimdienst für immer zu zerschlagen.
Schließlich war die Stasi überall: Rund 200.000 Menschen arbeiteten dem Ministerium für Staatssicherheit als offizielle und inoffizielle Mitarbeiter zu, auf rund 50 DDR-Bürger kam im Schnitt ein Stasi-Spitzel.
"Der 15.Januar 1990 war ein welthistorisches Ereignis, weil an diesem Tag erstmals in der Geschichte eines Staates ein Geheimdienst geöffnet wurde, erstmals die Möglichkeit gegeben wurde, dass die Akten dieses Geheimdienstes offen gelegt wurden und er damit aufhörte, zu existieren", sagt Roland Jahn. Der Fernsehjournalist war einer der bekanntesten Bürgerrechtler und Stasigegner in der DDR. Anfang der 80er-Jahre gehörte er zu den Gründern der "Jenaer Friedensgemeinschaft", einer der wichtigsten Oppositionsgruppen in der DDR. Die Stasi erklärte ihn zu ihrem "Hauptfeind", er wurde überwacht, drangsaliert, mehrfach inhaftiert. 1983 wurde er in einer spektakulären Aktion aus der DDR ausgebürgert.
Doch auch aus dem Westen setzte er seinen Widerstand fort. Allein die Stasiberichte über seine Kontakte zur DDR-Opposition seit 1983 umfassen 26 Aktenordner. Der Fernsehjournalist hat die Geschehnisse rund um den Mauerfall, die Stasi-Erstürmung und deren spätere Auflösung detailliert dokumentiert.
Für seinen Einsatz erhielt er 1998 das Bundesverdienstkreuz. Auch 20 Jahre nach der Zerschlagung der Stasi hält er es für wichtig, die Erinnerung an dieses Datum wach zu halten:
"Wir stehen noch fast am Anfang. Für eine historische Aufarbeitung sind 20 Jahre eine kurze Zeitetappe. Das hat auch viel mit der Frage von Schuld und Verantwortung zu tun und dem Eingeständnis der eigenen Biografie. Demokratie gestalten, heißt wissen, wie Diktatur funktioniert. Und das ist das, was man aus diesen Akten lernen kann."
Auch für David Gill spielt der 15. Januar 1990 eine wichtige Rolle. Er, der als Pfarrerssohn zeit seines Lebens Repressalien ausgesetzt war, stand auf einmal mitten im Zentrum jenes gefürchteten Geheimdienstes. Der 24-jährige Theologie-Student avancierte schnell zum Organisator des Berliner Bürgerkomitees.
"Einerseits war das bedrückend, andererseits war es toll: Ich stehe hier, werde nicht festgenommen. Das war ja ein riesiger Komplex, wie eine Trutzburg, wo richtig deutlich wurde, wie riesig und durchorganisiert das Ganze war. Das waren hunderte von Büros, ein ganzes Viertel von Straßenzügen mit riesigen Höfen dazwischen, Häuser mit fünf bis 16 Stockwerken – ein Riesenareal und in der Mitte war das Gebäude von Mielke."
Er begleitete die Auflösung der Berliner Stasi-Zentrale, von 1990 bis 1992 war er Sprecher von Joachim Gauck, dem damaligen Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde. Auch für ihn sind die gewaltfreie Auflösung der Stasi und die Gründung der Stasi-Unterlagen-Behörde ein weltweit einmaliges Ereignis.
"Ich bin stolz darauf, dass es tatsächlich gelungen ist, den Opfern der Stasi ihre Akten zurückzugeben. Wir konnten ihnen damit ein Stück ihrer Biografie zurückgeben."
Heute ist David Gill Stellvertreter des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Auch nach 20 Jahren hält er es für wichtig, die Akten weiterhin zugänglich zu halten:
"Das Ganze hat mit Biografien und Menschen zu tun, mit persönlicher Erfahrung. Es gibt Zeiten, wo man sich mit seiner Biografie auseinandersetzen will und Zeiten, wo man das nicht kann. Wir sind es den Leuten schuldig, dass sie diese Möglichkeit haben. Und es ist wichtig, dass es Thema für die politische und schulische Bildung bleibt."
Noch immer seien die Verletzungen durch die Stasi spürbar, sei das Verhältnis zwischen Opfern und Tätern nicht geklärt, noch immer würden ehemalige Stasi-Mitarbeiter enttarnt, bis hin in die Spitzen der Parteien. Das zeige auch die Stasi-Affäre in der neu gegründeten rot-roten Koalition im Brandenburger Landtag.
"Es zeigt sich: Man kann so ein Kapitel eben nicht stillschweigend beerdigen. Wir müssen auch 20 Jahre danach Fragen stellen dürfen."
"20 Jahre Erstürmung der Stasi-Zentrale – Wo stehen wir bei der Aufarbeitung?"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit David Gill und Roland Jahn.
Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 – 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Filmbeiträge von Roland Jahn
Stasi-Unterlagen-Behörde
"Der 15.Januar 1990 war ein welthistorisches Ereignis, weil an diesem Tag erstmals in der Geschichte eines Staates ein Geheimdienst geöffnet wurde, erstmals die Möglichkeit gegeben wurde, dass die Akten dieses Geheimdienstes offen gelegt wurden und er damit aufhörte, zu existieren", sagt Roland Jahn. Der Fernsehjournalist war einer der bekanntesten Bürgerrechtler und Stasigegner in der DDR. Anfang der 80er-Jahre gehörte er zu den Gründern der "Jenaer Friedensgemeinschaft", einer der wichtigsten Oppositionsgruppen in der DDR. Die Stasi erklärte ihn zu ihrem "Hauptfeind", er wurde überwacht, drangsaliert, mehrfach inhaftiert. 1983 wurde er in einer spektakulären Aktion aus der DDR ausgebürgert.
Doch auch aus dem Westen setzte er seinen Widerstand fort. Allein die Stasiberichte über seine Kontakte zur DDR-Opposition seit 1983 umfassen 26 Aktenordner. Der Fernsehjournalist hat die Geschehnisse rund um den Mauerfall, die Stasi-Erstürmung und deren spätere Auflösung detailliert dokumentiert.
Für seinen Einsatz erhielt er 1998 das Bundesverdienstkreuz. Auch 20 Jahre nach der Zerschlagung der Stasi hält er es für wichtig, die Erinnerung an dieses Datum wach zu halten:
"Wir stehen noch fast am Anfang. Für eine historische Aufarbeitung sind 20 Jahre eine kurze Zeitetappe. Das hat auch viel mit der Frage von Schuld und Verantwortung zu tun und dem Eingeständnis der eigenen Biografie. Demokratie gestalten, heißt wissen, wie Diktatur funktioniert. Und das ist das, was man aus diesen Akten lernen kann."
Auch für David Gill spielt der 15. Januar 1990 eine wichtige Rolle. Er, der als Pfarrerssohn zeit seines Lebens Repressalien ausgesetzt war, stand auf einmal mitten im Zentrum jenes gefürchteten Geheimdienstes. Der 24-jährige Theologie-Student avancierte schnell zum Organisator des Berliner Bürgerkomitees.
"Einerseits war das bedrückend, andererseits war es toll: Ich stehe hier, werde nicht festgenommen. Das war ja ein riesiger Komplex, wie eine Trutzburg, wo richtig deutlich wurde, wie riesig und durchorganisiert das Ganze war. Das waren hunderte von Büros, ein ganzes Viertel von Straßenzügen mit riesigen Höfen dazwischen, Häuser mit fünf bis 16 Stockwerken – ein Riesenareal und in der Mitte war das Gebäude von Mielke."
Er begleitete die Auflösung der Berliner Stasi-Zentrale, von 1990 bis 1992 war er Sprecher von Joachim Gauck, dem damaligen Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde. Auch für ihn sind die gewaltfreie Auflösung der Stasi und die Gründung der Stasi-Unterlagen-Behörde ein weltweit einmaliges Ereignis.
"Ich bin stolz darauf, dass es tatsächlich gelungen ist, den Opfern der Stasi ihre Akten zurückzugeben. Wir konnten ihnen damit ein Stück ihrer Biografie zurückgeben."
Heute ist David Gill Stellvertreter des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Auch nach 20 Jahren hält er es für wichtig, die Akten weiterhin zugänglich zu halten:
"Das Ganze hat mit Biografien und Menschen zu tun, mit persönlicher Erfahrung. Es gibt Zeiten, wo man sich mit seiner Biografie auseinandersetzen will und Zeiten, wo man das nicht kann. Wir sind es den Leuten schuldig, dass sie diese Möglichkeit haben. Und es ist wichtig, dass es Thema für die politische und schulische Bildung bleibt."
Noch immer seien die Verletzungen durch die Stasi spürbar, sei das Verhältnis zwischen Opfern und Tätern nicht geklärt, noch immer würden ehemalige Stasi-Mitarbeiter enttarnt, bis hin in die Spitzen der Parteien. Das zeige auch die Stasi-Affäre in der neu gegründeten rot-roten Koalition im Brandenburger Landtag.
"Es zeigt sich: Man kann so ein Kapitel eben nicht stillschweigend beerdigen. Wir müssen auch 20 Jahre danach Fragen stellen dürfen."
"20 Jahre Erstürmung der Stasi-Zentrale – Wo stehen wir bei der Aufarbeitung?"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit David Gill und Roland Jahn.
Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 – 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Filmbeiträge von Roland Jahn
Stasi-Unterlagen-Behörde