Diplomatische Verstimmung
Die Feierlichkeiten zum Gedenken an den Völkermord vor 20 Jahren finden in Ruanda ohne französische Beteiligung statt. Weil Frankreichs Justizministerin abgesagt hatte, lud Kigali den Botschafter des Landes aus. Nach Jahren der mühsamen Annäherung beider Staaten stehen die Zeichen damit wieder auf Konfrontation.
"Unsere Beziehungen zu Ruanda haben sich inzwischen normalisiert, beruhigt."
Das sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius im Februar. Da stand in Paris der Prozess gegen Pascal Simbikangwa an, einem der führenden Köpfe des Geheimdienstes in Kigali. Ihm wurde vorgeworfen, sich im Herzen jenes Systems befunden zu haben, das die Hutu-Einheiten bewaffnet und zum Völkermord angestiftet hatte. Mitte März wurde Simbikangwa in dem als historisch eingestuften Prozess in Paris für schuldig befunden und zu 25 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
"Es ist eine gute Sache, dass der Prozess stattfindet",
meinte damals Frankreichs Außenminister. Und befand, wie viele, für richtig, dass die französische Justiz ihrem universellen Anspruch Rechnung getragen und Simbikangwa vor Gericht gestellt hatte.
Aber, auch das sagte Laurent Fabius bei dieser Gelegenheit:
"Das heißt nicht, dass die Geschichte nicht existiert, sie hat Spuren hinterlassen, schwere Spuren."
An dieser Bewertung hat sich nichts geändert und doch wurde das französische Außenministerium von der Wucht der erneuten Anklage durch die ruandische Führung überrascht. Am Samstagabend erklärte der Quay d’Orsay in Paris, die erneuten Anschuldigungen liefen dem Prozess des Dialogs zwischen Frankreich und Ruanda zu wider. Unter diesen Umständen könne Justizministerin Christiane Taubira nicht, wie geplant, an den Feierlichkeiten an diesem Montag teilnehmen. Gestern dann versuchte das Außenministerium seine Entscheidung abzumildern, es gehe nicht etwa um einen "Boykott" der Gedenkfeier, Frankreich sei schließlich durch seinen Botschafter vertreten. Den aber, den Botschafter, lud die ruandische Seite ihrerseits schließlich aus.
"Ich finde, das ist ein Fehler von beiden Seiten."
Sagte der frühere Außenminister Frankreichs, Bernard Kouchner. Er hatte die Diplomatie unter dem konservativen Präsidenten Sarkozy geleitet.
"Wir waren auf dem eindeutigen Weg der Aussöhnung. Beide Seiten hatten begonnen, sich auszusprechen, das jetzt ist ein bedauerlicher Rückschritt."
Frankreich gestand 2011 "Fehler" ein
Präsident Kagame war auf Einladung Sarkozy nach Paris gekommen, Frankreichs Staatspräsident wiederum seinerseits 2011 nach Ruanda und räumte offiziell ein, sein Land habe 1994 bei der Beurteilung der Lage "Fehler" gemacht.
"Das war damals alles nicht einfach zu organisieren."
Sagt Kouchner über die diplomatische Annäherung.
1994 waren französische Soldaten auf dem Höhepunkt des Völkermords an den Tutsi mit UNO-Mandat in Ruanda eingesetzt worden und sollten im Westen des Landes eine Sicherheitszone einrichten. Die "Opération Turquoise" führte unter anderem dazu, dass die Verantwortlichen für die Massaker ungehindert in die Nachbarregionen Ruandas fliehen konnten. Der Vorwurf, Frankreich sei es um Sicherung des Einflusses in der Region gegangen, der damalige sozialistische Präsident Mitterrand habe das französischsprachige Hutu-Regime und damit die Verantwortlichen für den Völkermord gestützt, steht seither im Raum.
Außenminister 1994 war der Gaullist Alain Juppé. Er schrieb bereits am vergangenen Samstag auf seiner Internetseite, nachdem in Ruanda die Vorwürfe an die Adresse Frankreich erneuert wurden, Staatspräsident Hollande müsse die Ehre Frankreichs verteidigen. "Aussöhnung ja, aber nicht um jeden Preis", formulierte der konservative Politiker.
Juppés späterer Nachfolger im Amt, Bernard Kouchner, beklagte heute hingegen ,dass Frankreich in all den Jahren – anders als Belgien – keine parlamentarische Untersuchung mit richterlicher Kontrolle eingeleitet habe.
"Das hätte man tun müssen und nicht schon wieder einen diplomatischen Kleinkrieg anzetteln."