20 Jahre nach Dianas Tod

Das Königshaus als Valium gegen Brexit

Prinzessin Diana
Prinzessin Diana 1988 bei einem Empfang in Paris. © picture alliance / AFP
Von Christine Heuer |
Als Lady Diana am 31. August 1997 stirbt, sorgt die kühle Reaktion der Queen für eine große Krise der britischen Monarchie. 20 Jahre später ist sie mit neuen PR-Beratern oben auf, lernte von der "Königin der Herzen" und gilt einigen als Anker in unsicheren Brexit-Zeiten.
"Diana, Prinzessin von Wales, ist bei einem Auto-Unfall in Paris ums Leben gekommen. Die französische Regierung hat ihren Tod kurz vor fünf heute Früh bekannt gegeben. Der Buckingham Palast bestätigte die Nachricht. Das normale Programm ist unterbrochen."
Der Morgen des 31. August 1997 sorgt für Trauer bei vielen Briten.
"Die Welt hat eine wunderschöne, kluge und charmante junge Frau verloren. Ich bin am Boden zerstört."
"Sie hat Kindern geholfen, war so großartig, ich kann einfach nicht verstehen, warum Gott so jemanden abberuft."
"Ich bin traurig, sie war so etwas Besonderes, alle haben sie geliebt."
Wirklich alle? Die Queen urlaubt in Schottland - wie jedes Jahr um diese Zeit - und schweigt eisern. Tagelang. "Stiff upper lip" – durchhalten, Contenance wahren um jeden Preis.
Die britische Königin Elisabeth II. besucht am 20.4.2016 die Post in Windsor, einen Tag vor ihrem 90. Geburtstag.
Die britische Königin Elisabeth II.© picture-alliance / dpa / epa / Andy Rain
Elizabeth die Zweite geht mit Dianas Tod so um wie mit jeder anderen Krise in ihrer Regentschaft. Ihr Volk aber will etwas anderes. "Show us you care" titeln die Zeitungen – die aufgewühlten Briten sind fassungslos über die kühle Absenz ihrer Königin.
"Da begann eine emotionale Revolution. Es war eine Zäsur in der sozialpsychologischen Geschichte Englands."
Erinnert sich der in England lebende Publizist und Queen-Biograf Thomas Kielinger. Auf den Straßen, in den Pubs, in den Zeitungen: Rührende Erinnerungen an die tote Prinzessin, Tränen, fassungslose Trauer. Und alle äußern sie ihre Gefühle.
Ganz Britannien liegt mit einem Mal auf der Therapiecouch. Und stellt sich dort die Frage, wozu es dieses Königshaus überhaupt noch braucht? – Die Queen entschließt sich zu einer für sie bislang unvorstellbaren Geste. Am Vorabend von Dianas Beerdigung spricht sie in eine Fernsehkamera zu ihrem Volk – das Fenster hinter ihr im Buckingham Palace steht weit auf, das Stimmengewirr der Trauernden vor den Palast-Mauern weht hinein.
"Was ich Ihnen jetzt sage, als ihre Königin und als Großmutter, kommt von Herzen. Ich möchte Diana meine Achtung erweisen. Sie war ein außergewöhnlicher und begabter Mensch. Selbst in schwierigen Zeiten hat sie nie ihr Lächeln verloren. Immer hat sie andere inspiriert mit ihrer Wärme und Freundlichkeit. Ich habe sie bewundert und respektiert für ihre Energie und ihr Engagement für andere. Und ganz besonders für ihre Hingabe an ihre beiden Söhne."

"William und Harry singen in einem neuen Ton"

Mit ihrer Ansprache hatte die Queen gerade noch die Kurve gekriegt, den Ton der Zeit getroffen. Die Trauerfeier wird zum Hochamt der Emotionen. In der Westminster Abbey und vor der Kirche, wo zigtausende Briten ergriffen der Trauerrede von Dianas Bruder, Earl Spencer, lauschen:
"Sie würde wollen, dass wir heute geloben, ihre Söhne vor einem Schicksal wie dem ihren zu bewahren. Und ich gelobe es, Diana. Wir werden nicht zulassen, dass sie Leid und Schmerz ertragen müssen wie Du. Wir werden alles tun, damit Deine Söhne in Deinem Sinne weiterhin liebevoll und einfallsreich erzogen werden. Damit ihre Seelen nicht nur Pflicht und Tradition kennen, sondern frei singen können – so wie Du es wolltest."
"Wenn Sie sich heute William und Harry ansehen: Die singen wirklich. In einem Ton, den das Königshaus früher gar nicht kannte."
Es ist ein zugänglicher, mitfühlender, mitunter fast kumpelhafter Ton. Die jungen Royals öffnen die Palasttore und ihre Herzen, gewähren Einblick in ihr Innerstes.
Im 20. Todesjahr ihrer Mutter haben die Prinzen zusammen mit Williams Frau Catherine die Kampagne "Heads together" gestartet. Sie werben dafür, offen über psychische Probleme zu sprechen. Und machen, moderiert von Herzogin Kate, im Fernsehen persönlich vor, wie das geht.
"Ihr beiden seid Euch bemerkenswert nahe. Wenn teilt eure Freude oder Trauer."
"Ja, aber weil wir gemeinsam durch schwere Zeiten gegangen sind. Aber selbst Harry und ich haben zu wenig über unsere Mutter gesprochen."
Prinz William und Kate, festlich gekleidet, schauen sich lächelnd in die Augen.
Prinz William und seine Frau Kate im August 2014.© picture alliance / dpa / Patrick van Katwijk
Dafür sprechen sie heute umso mehr über sie, öffentlich, in TV-Dokumentationen zum 20. Todestag, die hohe Einschaltquoten erzielen und Tagesgespräch sind im ganzen Land. Den royalen Part im nationalen Gedenken haben Dianas Söhne im Alleingang übernommen. Bei den Briten kommt das gut an.
"Die Jungs sind moderner. Sie kümmern sich um die Menschen, gehen unters Volk, genau wie ihre Mutter."
"William und Kate machen einen wirklich guten Job für die Krone. Wir können beruhigt in die Zukunft schauen."
"Katherine ist Diana sehr ähnlich, mit ihren Kindern und die Menschen bewundern sie so wie Diana."

Von Diana und ihrer PR-Strategie gelernt

Das neue Image der Royals hat der Palast nach Dianas Tod aufgebaut. Ein notwendiger Schritt, von den PR-Strategen im Buckingham Palace geschickt kalkuliert. Weniger "stiff upper lip", mehr Gefühl – darauf setzt das Königshaus zunehmend seit seiner Existenz-Krise von 1997.
Die Prinzessin von Wales war nicht die einzige, die Wohltätigkeit übte im Königreich. Aber niemand in der Königsfamilie wusste sein Engagement so gut zu verkaufen wie Diana. Daraus haben die Windsors gelernt.
Vor allem die jungen Prinzen engagieren sich bei öffentlichen Auftritten zu Hause und in der Welt für Benachteiligte: von verletzten Soldaten der Irak- und Afghanistan-Einsätze, über Landminen-Opfer in Angola und Bosnien bis hin zu hungernden Kindern in Schwarz-Afrika. Umwelt- und Klimaschutz sind den Windsors wichtige Anliegen.

Und sie zeigen immer mal wieder, dass sie Humor haben. 2012 verblüffte die damals 86jährige Queen ihre Untertanen mit einer Video-Montage, in der sie an der Seite von James Bond-Darsteller Daniel Craig scheinbar mit dem Fallschirm über dem Stadion abspringt, in dem sie anschließend die Olympischen Spiele in London feierlich eröffnet.
"Ladies and Gentleman, please stand for Her Majesty the Queen and His Royal Highness, the Duke of Edingburgh, accompanied by the President oft he International Olympic Committee, Jaques Rogge."
Auftritte der Queen wie dieser waren 1997 noch völlig undenkbar. Aber die Krise, in die Dianas Tod und die Enttäuschung der Briten über ihre Königin die Monarchie gestürzt haben, wirkte wie ein heilsamer Schock. Danach haben die Windsors ihr öffentliches Auftreten allmählich unter ein neues Vorzeichen gesetzt und damit den Tief- in einen Wendepunkt verwandelt. Seitdem geht es stetig aufwärts mit der Popularität der Royals.
"Es hat sich verbessert. Ich halte die Monarchie heute für stabiler als vor 20 Jahren."
"Sie sind nicht mehr so snobistisch."
"Früher war die Monarchie ein closed shop. Die Royals waren viel distanzierter. Sie wollten nicht mit uns in Berührung kommen. Es war mehr sie und die anderen. Jetzt ist es eher ein Wir."

Die Monarchie und der Brexit

"Vor 20 Jahren hätte man nichts darauf gewettet, dass die Windsors eine Zukunft haben. Und nun schauen Sie sich 20 Jahre später an: In welcher Welt leben wir? Rings um uns herum brechen die Säulen der Stabilität ein. Es begann mit den Finanzen, mit den Banken. Die Medien sind ohnehin nicht sehr geachtet. Die Politik hat einen Skandal hinter dem andern. Die internationale Ordnung unter dem neuen amerikanischen Präsidenten – alles bröckelt, eine große Unsicherheit ist eingezogen in die Welt. Und inmitten dieser zerbrechenden Gesellschaft ist plötzlich das Königshaus fast die einzige Säule der Stabilität!"
So Thomas Kielinger. Nichts wäre mehr angetan, die Briten zu verunsichern als der bevorstehende Brexit. Trotzdem ist die, wenn auch knappe, Mehrheit unverdrossen für den Austritt aus der Europäischen Union. Gerade unter den englischen Royalisten, die in diesem schönen Sommer die Königlichen Paläste in London besuchen.
"Es ist unser Land und wir wollen es selbst gestalten. Allein darum geht es beim Brexit. - Wir wollen wieder selbstbewusster sein, uns weniger auf andere verlassen. - Die Länder werden sich alle immer ähnlicher. Wir möchten auf unseren eigenen Füßen stehen und nicht mehr Brüssel fragen müssen, was wir tun dürfen. - Typisch britische Unternehmen gehören inzwischen anderen. Wir verlieren unsere Identität."
Und was könnte für die Briten identitätsstiftender sein als ihr Königshaus? – Der Queen-Biograf Thomas Kielinger hält es wie viele Briten. Er denkt die beiden großen Themen zusammen: Den Brexit und die Monarchie.
"Es sind zwei Seiten einer Medaille. Und die Monarchie überstrahlt den Brexit als Entscheidung. Denn sie ist immerwährend."

Monarchie, Empire und Commonwealth in der DNA

Das Selbstverständnis, auf eine glorreiche Geschichte zurück blicken zu können, eint die meisten Briten. Die seit Jahrhunderten währende Monarchie, einst das mächtige British Empire, heute immerhin noch das große Commonwealth – all das hat sich in ihre DNA eingeschrieben. Und ist auf der Insel allemal wirkmächtiger als der europäische Gedanke.
"Es ist nicht so, dass es Little England wird. Im Gegenteil. Diese Insel hat immer eine Ausrichtung auf die übrige Welt gehabt. Und eigentlich ist der Brexit der Test eines Ernstfalls, ob das heute noch möglich ist, dass ein einzelnes Land seine Potenz als Handelspartner für die Welt allein einbringt: Weg von übergeordneten, übernationalen Institutionen wie der Europäischen Union."
Die Brexit-Befürworter glauben daran, es allein mit der Welt aufnehmen zu können und am Ende dabei zu gewinnen. Unter der Fahne der Königin und womöglich noch höherer Mächte, so eine Anhängerin der Krone vor dem Buckingham Palace in London.
"Ich glaube an Gott und daran, dass die Queen das Land zusammenhält und uns beschützt mit ihren Werten und Überzeugungen."
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