Ein szenisches Geburtstagsgeschenk
Zwei Jahrzehnte haben die Mitglieder von "Nico and the Navigators" performed, getourt und Preise gewonnen. In der Jubliäumsshow lassen die Performerinnen ihre Eindrücke auf ganz persönliche Art und Weise Revue passieren. Für Kritiker André Mumot ein großer Abend.
Sie haben es sich verdient, sich selbst zu feiern: Seit zwanzig Jahren machen Nico and the Navigators nun Theater, verschränken Performances mit Tanz und Musiktheater, gewinnen Preise, touren durch die Welt. Jetzt ist also Zeit für eine Rückschau, für die große Jubiläumsveranstaltung, die dort ihre Premiere erlebt, wo das Ensemble 1999 als artists in residence die ersten großen Erfolge erzielte, in den Berliner Sophiensälen.
Melancholischer Diskurs über die eigene Herkunft
In "Die Zukunft von gestern" versammelt Regisseurin Nicola Hümpel sieben Mitstreiterinnen und Mitstreiter vor einem Bühnenbild von Oliver Proske, um einen intimen wie melancholischen Diskurs über die eigene Herkunft zu beginnen, die familiäre wie die künstlerische.
Das ist das tatsächlich Berückende an dieser Produktion, dass sie in Erinnerungen schwelgt und das Erinnern selbst zugleich zu ihrem Thema macht. Das Verhältnis zur Vergangenheit, zur eigenen Familiengeschichte und zum künstlerischen Werdegang. Diese Reflexionen werden nicht nur ausführlich angesprochen, sie werden von den Tänzerinnen Yui Kawaguchi und Anna Luise Recke in hinreißende Bewegungen umgesetzt, in einen Katalog ihrer unterschiedlichen Ausdrucksformen, ihrer Rollen und Choreographien, die sie kommentierend und selbstironisch kurz aufflackern lassen.
Eine Revue des "Revue-passieren-lassens"
Gründungsmitglied Patric Schott lässt in einer hinreißenden Nummer sämtliche Sätze Revue passieren, die er in 19 Inszenierungen von sich geben durfte, und Martin Clausen erklärt, ganz nebenbei, was sie früher niemals in einer "Nico"-Performance geduldet hätten: ein Lied wie "Time after Time" von Cindy Lauper zum Beispiel, das Anna-Luise Recke zusammen mit dem israelischen Tänzer Michael Shapira zu einem getanzten, tragikomischen Liebesduett macht.
Es geht um mehr als nur um das Persönliche an diesem Abend. Es geht um Migrationen in der Familiengeschichte, um europäische Juden, die nach Israel emigriert sind, um Nazi- und Nachkriegsvergangenheit in deutschen Familien, um den amerikanischen Melting-Pot, von dem Sänger Ted Schmitz berichtet, indem er die Verflechtungen seiner eigenen Familienabstammung aufzählt.
Ein schwereloser Jubiläumsabend
Das alles wird als Revue aus Glanznummern präsentiert, tänzerisch vrituos und gekonnt von drei Musikern live begleitet, fühlt sich bisweilen geradezu schwerelos an und immer angenehm unaufdringlich.
Es ist ein stiller, zarter Jubiläumsabend, nachdenklich und offen, ein Abend, der sich vielleicht allzu sehr vor inhaltlichen Zuspitzungen und Vertiefungen fürchtet und ganz dem hinreißenden Charisma seiner Protagonisten vertraut. Aber sie haben es wahrlich verdient, dieses szenische Geburtstagsgeschenk an sich selbst.