200. Geburtstag der Sängerin Pauline Viardot

Mit einem Lächeln auf den Lippen

35:53 Minuten
Gemälde mit Porträt der jungen Sängerin Pauline Viardot, die ihren Kopf Richtung Betrachter dreht und neigt, während sie ein schlichtes, schwarzes Kleid trägt.
Ungefähr 250 Kompositionen sind von Pauline Viardot überliefert. © imago / Le Pictorium
Von Elisabeth Hahn |
Wer ist die Frau, die Camille Saint-Saëns nach ihrem Tod als "eher übermenschlich" in Erinnerung blieb? Auf jeden Fall ein Multitalent: Pauline Viardot konnte begnadet singen, Klavier spielen, komponieren. Und sie war ihrer Zeit deutlich voraus.
Viele zeitgenössische Quellen belegen die außergewöhnliche Erscheinung von Pauline Viardot, ihr Charisma und ihre leidenschaftliche Schauspielkunst. Dabei hat sie durchaus polarisiert: Für die Opernsängerin war es selbstverständlich, auch Männerrollen auf der Bühne zu verkörpern und ihr eigenes Geld zu verdienen. Ihre Stimme hatte einen ungewöhnlichen Umfang von mindestens zweieinhalb Oktaven. Zeitzeugen bezeichneten sie als Contralto.

Komponisten-Liebling

Johannes Brahms schrieb für sie seine Alt-Rhapsodie. Hector Berlioz beschrieb ihre Stimme als eine Verbindung von tiefem Alt, Mezzosopran und Sopran. Und Saint-Saëns machte in seinem Nachruf auf Viardot deutlich, dass ihre Stimme nicht unbedingt dem Schönheitsideal der Zeit entsprach.
Historisches Foto von Pauline Viardot, die ein griechisches Gewand trägt und eine Lyra schultert.
Paulie Viardots Stimme eigenete sich auch für die Rolle des "Orpheus" in Glucks gleichnamiger Oper, hier um 1860.© imago / Collection Grob KHARBINE-TAPABOR
Michelle Ferdinande Pauline García kommt am 18. Juli 1821 in Paris zur Welt – ihre Eltern stammen aus Andalusien. Der Vater ist Manuel García: ein bekannter Sänger, für den Gioacchino Rossini mehrere Partien geschrieben hatte. Die Mutter Maria Joaquina ist ebenfalls Sängerin.
Pauline ist die jüngste von drei Geschwistern, ihr Bruder Manuel wird später einer der bedeutendsten Gesangspädagogen des 19. Jahrhunderts. Die Schwester ist keine andere als die berühmte Maria Malibran, eine Legende auf der Opernbühne.

Unterricht bei Liszt

Die Familie tourt durch Europa, die USA und Mexiko. Dort erhält Pauline ihren ersten Klavierunterricht, später dann bei Franz Liszt, einem Freund der Familie.
Als Pauline elf Jahre alt ist, stirbt ihr Vater. Vier Jahre später stirbt auch ihre große Schwester Maria Malibran. Obwohl Pauline Pianistin werden will, entscheidet ihre Mutter, dass sie die Familientradition aufrechterhalten muss.
Sie soll singen. Dabei ist Pauline brillant am Klavier: So spielt sie mit Clara Schumann gemeinsam vierhändig.
Pauline Viardot-Garcia ist auf einem Kupferstich der "Le Monde Illustrious" von 1862 zu sehen, wie sie in einem Salon vor ihrem Publikum mit großer Geste singt.
Die charismatische Pauline Viardot begeisterte ihr Publikum auch bei Privatveranstaltungen und im eigenen Salon.© imago / Leemage
Die beiden Musikerinnen bleiben bis ins Alter in engem Austausch – mit über 70 Jahren nennen sie sich die "ältesten Freundinnen des 19. Jahrhunderts".
Mit 18 Jahren wird Pauline Garcia bereits als "Löwin der italienischen Oper" bezeichnet. Auf und hinter der Bühne ist sie in verschiedenen Rollen zu erleben: als Sängerin, Pianistin, als Bearbeiterin und als Komponistin.
Sie debütiert am Londoner Opernhaus, 1839 dann in Paris. In mehr als zwei Jahrzehnten ihrer Sängerinnenkarriere tritt sie in vielen europäischen Städten auf – von London bis nach St. Petersburg.

Ein Leben zu dritt

Noch am Anfang ihrer Laufbahn – mit 18 Jahren – heiratet sie den 21 Jahre älteren Louis Viardot. Er ist Übersetzer, Kunstsammler und Direktor des Théatre-Italien und wird Paulines Manager und Tourbegleiter. Pauline empfindet keine leidenschaftliche Liebe für ihn, aber tiefen Respekt und Freundschaft. Vier Kinder bringt sie zur Welt.
Der zweite wichtige Mann in ihrem Leben ist der russische Schriftsteller Iwan Turgenew, der sich in die Sängerin verliebt. Ob die Beziehung zwischen beiden über das Platonische hinausging, ist nicht bekannt, ebenso wenig lässt sich die gern vermutete Ménage à trois belegen.
Turgenew ist es, der die Texte für ihre Operetten schreibt. Und auch Louis Viardot versteht sich gut mit Turgenew – beide verbindet die Leidenschaft fürs Jagen, außerdem arbeiten sie gemeinsam an Übersetzungen.

Repertoire und Rollen

Das Repertoire von Pauline Viardot ist zunächst geprägt von der italienischen Oper. Ihre Paraderolle ist die Norma von Vincenzo Bellini. Aber auch mit Musik von Donizetti, Rossini und Verdi hat sie Erfolg. Mit Meyerbeer arbeitet sie eng zusammen. Ebenso tritt sie auch für die Musik von Christoph Willibald Gluck und Georg Friedrich Händel ein.
Als Interpretin ihrer Epoche sieht sie ihre Rollen als "Spiel-Raum". Gabriel Fauré beschreibt sie als "Mitarbeiterin".
Ungefähr 250 Kompositionen sind von Pauline Viardot überliefert. Ihre Werke lassen sich schwer durch einen spezifischen Personalstil beschreiben. Vielmehr vermittelt ihre Musik zwischen Kennern und Liebhabern, zwischen verschiedenen Stilen und Kulturen.
Ihr Schaffen ist durch ihre Multilingualität geprägt. Viardot vertont spanische, französische, russische und deutsche Texte. Sie bearbeitet auch serbische und arabische Volkslieder. Nationalstile und Abgrenzung sind Viardot fremd.

Früher Abschied von der Bühne

Mit 42 Jahren verabschiedet sich Pauline Viardot von der Opernbühne – und hat noch mehr als die Hälfte ihres Lebens vor sich.
Foto der weißhaarigen Pauline Viardot mit hochgesteckten Haaren und dunklem Samtkleid sehr einnehmend lächelnd.
In Baden-Baden setzte Viardot ihr Salon-Leben fort. Abschied von der Bühne hatte sie schon früher genommen.© imago / KHARBINE-TAPABOR
Im Sommer 1863 zieht sie mit ihrem Mann, den drei jüngeren Kindern und Turgenew in die "Sommerhauptstadt Europas", nach Baden-Baden. Dort trifft sich die vornehme Gesellschaft mit internationalen Gästen. Der Deutsch-Französische Krieg sorgt dafür, dass die Familie zuerst nach London und dann nach Paris geht.
1883 sterben Louis Viardot und Iwan Turgenew. 27 Jahre später, am 18. Mai 1910, schläft die 89-jährige Pauline Viardot-Garcia "mit einem Lächeln auf den Lippen" auf ihrem Sessel ein.
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