Lust und Frust des Radelns – 200 Jahre Fahrrad
Darüber diskutiert Klaus Pokatzky heute von 9.05 bis 11 Uhr mit Michael Cramer und Gunnar Fehlau. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.
Lust und Frust des Radelns
Radler beklagen sich über rücksichtslose Autofahrer. Autofahrer und Fußgänger empören sich über dreiste "Radler-Rowdies". Was tun gegen Streit um den Straßenraum? Und wie könnten Städte fahrradfreundlicher werden?
Am 12. Juni 1817 unternahm der badische Erfinder Karl Drais in Mannheim die erste Fahrt auf seiner Laufmaschine - der "Draisine". Dieses Datum gilt als die Geburtsstunde des Fahrrades. 200 Jahre später gibt es mehr als 72 Millionen Fahrräder in Deutschland – Tendenz steigend.
Doch obwohl das Fahrrad gerade in den Städten immer mehr zur Alternative zum Auto wird, liegt Deutschland verkehrstechnisch weit hinter Ländern wie Holland oder Dänemark zurück. Noch zu oft gibt es Streit um den Straßenraum: Radler beklagen sich über rücksichtslose Autofahrer. Autofahrer und Fußgänger empören sich über dreiste "Radler-Rowdies".
Lust und Frust des Radelns – 200 Jahre Fahrrad
"In den Städten spielt das Fahrrad eine ganz entscheidende Rolle für den Umweltschutz und die Verbesserung der Lebensqualität", sagt Michael Cramer, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz. "Im urbanen Bereich sind 90 Prozent aller Autofahrten kürzer als sechs Kilometer. Das sind ideale Distanzen für Bus, Bahn, Rad und Zufußgehen. Kopenhagen zeigt seit Jahren, wie es funktionieren kann. 52 Prozent aller Fahrten zur Arbeit werden dort mit dem Fahrrad zurückgelegt."
Der Verkehrspolitiker geht mit gutem Beispiel voran: Wann immer er kann, ist er mit dem Rad unterwegs. Nach dem Motto "Geschichte erfahrbar machen" hat er bedeutende Radwege initiiert: Den 160 Kilometer langen "Berliner Mauer-Radweg" und den "Iron Curtain Trail", den 10.000 Kilometer langen "Europa-Radweg Eiserner Vorhang". Michael Cramer setzt sich seit langem für eine Verbesserung der Infrastruktur ein. "Wichtiger als Wind und Wetter oder die Zahl der Steigungen ist die Schaffung eines fahrradfreundlichen Umfelds – von der Stadtplanung über die Gestaltung der Verkehrsregeln bis hin zu Möglichkeiten für Fahrradunterstellung, -mitnahme, -reparatur und -entleih." Es gehe um ein Miteinander im Verkehr, nicht um ein Gegeneinander.
Mehr Räder auf die Straße!
"Der ganze Fahrradboom, der derzeit köchelt, findet nicht wegen, sondern trotz der Verkehrspolitik statt", sagt Gunnar Fehlau, Geschäftsführer des "Pressedienst Fahrrad" und Fachbuchautor rund ums Radfahren. "Wir haben eine Monokultur; die Wege und das Land sind zugepflastert. Die Städte sind kollabiert, wenn man ehrlich ist. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Straßen voll geparkt sind und nehmen Autostaus mit einer Demut hin, die an Zen-Meditation erinnert."
Es müssten schlicht mehr Räder auf die Straße – und nicht auf die Gehwege, wo sie von den Autofahrern nicht wahrgenommen würden. "Je mehr ich Rad fahre, umso besser werde ich. Und umso mehr kann ich meine Aufmerksamkeit auf den Verkehr lenken. Und jeder Radfahrer, der vom Auto umgestiegen ist, bedeutet einen Risikofahrer weniger."
Es gehe letztlich auch um den Raum für die Bürger; egal, welches Verkehrsmittel man nutze. "Je mehr Rad gefahren wird, umso besser werden auch die Bedingungen für Autos. Nehmen Sie nur die Parkplatzsuche: Jeder Autofahrer, der aufs Rad umsteigt, fällt weg als Konkurrent."