Ein Phönix aus der Asche
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Das Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt ist einer der schönsten Bauten Karl Friedrich Schinkels. Doch der äußere Schein trügt. Die klassizistische Fassade stammt nicht aus dem 19. Jahrhundert, sondern von 1984. Nun wird das Konzerthaus 200 Jahre alt.
Mit einem festlichen Konzert wurde am 1. Oktober 1984 das Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt wiedereröffnet. Gut 35 Jahre lang lag es in Trümmern, zerstört von den Bomben des Zweiten Weltkriegs. Viereinhalb Jahre dauerten die Bauarbeiten, um es in altem Glanz wieder erstrahlen zu lassen. Nicht als Theater, sondern als repräsentatives Konzerthaus.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Theater auf dem Gendarmenmarkt aus Ruinen auferstanden ist. Schon am 29. Juli 1817 loderten hier die Flammen. Damals hieß das Gebäude Königliches Nationaltheater, erbaut von Carl Gotthard Langhans, dem Architekten des Brandenburger Tors, und hatte wegen seiner Form den wenig schmeichelhaften Spitznamen "Koffer".
Schinkel darf bauen
Für die Erfolgsserie von E.T.A. Hoffmanns Oper "Undine", die nach der Premiere noch 13 gefeierte Vorstellungen am Schauspielhaus erlebte, bedeutet der Brand das Aus. Nicht aber für das Theater am Gendarmenmarkt.
König Friedrich Wilhelm III. lässt das Gebäude umgehend neu errichten. Vom berühmtesten deutschen Baumeister der Zeit: Karl Friedrich Schinkel. Die Bedingung war, dass die Fundamente, die Grundmauern und die Säulen des Portikus vor dem Haupteingang aus Kostengründen wiederverwendet werden sollten.
Schinkel erschafft einen Tempel nach griechischem Vorbild. Drei Flügel in der Mitte der Theatersaal mit seinen 1.600 Plätzen, links der Konzert- und Festsaal, rechts die Probensäle, Magazine, Werkstätten, Verwaltung; insgesamt mehr als 90 Räume. Vor dem Portikus eine mächtige Freitreppe.
Auf allen vier Seiten des Hauses reliefgeschmückte Giebel mit antikisierenden Plastiken, unter anderem die neun Musen. Und als Krönung über dem Giebel der Hauptfassade: Apollon in einem von zwei Greifen gezogenen Wagen.
Am 26. Mai 1821 wird das Schauspielhaus in Anwesenheit Friedrich Wilhelms III. eröffnet. Auf dem Programm steht Goethes "Iphigenie auf Tauris". Dazu ein Prolog, den der Dichterfürst eigens zu diesem Anlass geschrieben hat.
Andrang beim Freischütz
Gedacht war das Haus ursprünglich hauptsächlich für Schauspielaufführungen. Aber von Anfang an fanden hier auch Konzerte statt, Bankette und Bälle. Drei Wochen nach der festlichen Eröffnung des Hauses dann das Ereignis, auf das die Berliner Musikliebhaber monatelang hingefiebert hatten: die erste Aufführung von Carl Maria von Webers "Freischütz".
Die umjubelte "Freischütz"-Premiere schreibt Geschichte. Die deutsche Nationaloper ist geboren. Es ist das glanzvollste musikalische Ereignis im Schauspielhaus. Aber keineswegs das einzige.
Bei der Märzrevolution 1848 liegt der Gendarmenmarkt mit dem Schauspielhaus im Zentrum der Barrikadenkämpfe. Der Theaterbetrieb wird unterbrochen. Vor der großen Freitreppe findet am 22. März die Trauerfeier für die Gefallenen statt.
70 Jahre später die Novemberrevolution von 1918. Das Ende der Monarchie und der Beginn der Weimarer Republik. So wird aus dem Königlichen das Staatliche Schauspielhaus. Noch einmal gut 70 Jahre später findet eine friedliche Revolution im Schauspielhaus ihren Abschluss.
Gründgens als Mephisto
Viel ist passiert zwischen dem Wandel des Schauspielhauses 1918 vom königlichen zum staatlichen Theater und dem Festakt anlässlich der Vereinigung von Deutscher Demokratischer und Bundesrepublik im Jahre 1990. Politisches Theater der 1920er-Jahre fand hier in der Ägide des genialen Intendanten und Regisseurs Leopold Jessner statt, mit provozierenden Inszenierungen mit berühmten Schauspielern wie Fritz Kortner oder Marlene Dietrich.
Gustaf Gründgens erschuf sich mit dem Mephisto aus Goethes "Faust" seine Paraderolle. 1933 war er zum ersten Mal in "Faust II" am Schauspielhaus zu sehen. 1934 wird er Intendant. Ein Theatermagier und ein Aushängeschild des nationalsozialistischen Regimes.
Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs versank das Schauspielhaus in Schutt und Asche. Nur die äußere Fassade blieb einigermaßen erhalten. Erst 1976 beschließt die DDR-Führung den Wiederaufbau. Nicht als Schauspielhaus, sondern als repräsentativer Konzertsaal in der originalen Gestalt des Hauses. Außen exakt nach den Plänen von Schinkel, innen nach den Erfordernissen eines modernen Konzertsaals, aber im Schinkelschen Stil.
Eröffnung 1984
Nach viereinhalb Jahren Bauzeit folgt am 1. Oktober 1984 das Festkonzert zur Eröffnung des neuen alten Hauses, das ein Konzerthaus ist, aber weiterhin "Schauspielhaus" heißt. Es spielt das Berliner Sinfonie-Orchester, das hier seine Heimstätte finden soll. Auf dem Programm, wie könnte es anders sein, steht die "Freischütz"-Ouvertüre und Beethovens 5. Sinfonie.
Lob für die architektonische Gestaltung des Hauses gab es von Anfang an, Kritik lange Zeit an der Akustik. Langer Nachhall vor allem bei tiefen Frequenzen ließ den Klang mulmig werden, erschwerte das Zusammenspiel im Orchester und die Balance, ungünstige Reflexionen ließen Forte-Stellen hart und scharf klingen. Eine ganze Reihe von Maßnahmen haben diese Probleme weitgehend behoben.
Kurz vor dem Mauerfall
Die Wende beeinflusst auch das Orchester im Schauspielhaus. Es wagte den Protest gegen die brutalen Polizeieinsätze bei den Demonstrationen am 7. und 8. Oktober 1989 anlässlich des 40. Geburtstags der DDR und veranstaltet ein "Konzert gegen Gewalt". Wenige Tage später fällt die Mauer.
Im Dezember 1989 gibt Leonard Bernstein, ein Liebling des Konzerthaus-Publikums, ein legendäres Konzert von Beethovens 9. Sinfonie, deren "Ode an die Freude", die er zur "Ode an die Freiheit" ummodelt. Musikern aus der Bundesrepublik, der DDR und den ehemaligen Siegermächten Frankreich, Großbritannien, den USA und der Sowjetunion spielen am 23. Dezember in der Berliner Philharmonie und am 25. Dezember im Konzerthaus.
Danach kommen unsichere Zeiten auf das Orchester zu. Es wird daran gedacht, das Orchester aufzulösen. Später plant man eine Fusion mit dem Orchester der Komischen Oper oder mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. So richtig aufatmen können die Musiker erst 2006.
Nachdem das Schauspielhaus bereits 1994 in "Konzerthaus" umgetauft worden ist, erhält das Orchester nun den Namen "Konzerthausorchester". Damit sind sämtliche Abwicklungs- und Fusionspläne endlich vom Tisch.
Innovative Konzertformate
Und wo steht das Konzerthaus heute? Es kann auf einen treuen Stamm von Abonnenten zählen. Mehr als 10.000, manche sind schon seit der Wiedereröffnung 1984 dabei. 350 eigene Konzerte im Jahr, dazu 300 Gastveranstaltungen.
Zu einem Markenzeichen sind unter dem derzeitigen Intendanten Sebastian Nordmann innovative Konzertformate geworden. Und es gibt neue Wege über die sozialen Meiden und live vor Ort, um auf das Publikum zuzugehen.