Forschen unter frostigen Bedingungen
Unberührte Natur, faszinierende Eiswelten - doch Touristen dürfen das Dorf Ny Alesund auf der Insel Spitzbergen nicht betreten. Hier steht seit 25 Jahren die deutsche Station Koldewey. In der frostigen Arktis erforschen Wissenschaftler das Klima.
Es ist ein Dorf mitten im Nirgendwo. Ny-Alesund besteht aus einer Ansammlung bunter Holzhäuser am Königsfjord im Nordwesten der Insel Spitzbergen. Aber Ny-Alesund ist kein normales Dorf, erzählt Roland Neuber vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung.
"Es ist ein reines Forscherdorf. Es gibt keinen Tourismus, es gibt auch keine Fischerei. Die ist tatsächlich aus dem Fjord, der sehr schön ist, verbannt worden, um die Lebensbedingungen eben im Fjord unberührt erforschen zu können. Es gibt also tatsächlich nur Forscher, Wissenschaftler und Techniker. Und natürlich einen Stamm von etwa 20 bis 30 Norwegern, die dafür sorgen, dass der Ort funktioniert; also die Küche natürlich betreiben, aber auch für die Heizung, für den Strom und diese gesamte Infrastruktur sorgen, die Gebäude instand halten und so etwas."
Am 10. August 1991 wurde an einem dieser Häuser feierlich eine Plakette angebracht. Koldewey-Station steht darauf – die erste deutsche Forschungsstation in der Arktis, benannt nach dem Leiter der ersten deutschen Arktisexpedition im Jahr 1868, Carl Koldewey. Roland Neuber war bei der Eröffnung dabei und ist heute der wissenschaftliche Leiter.
"Die Aufgaben der Station liegen im Bereich Klimaforschung. Die Themen sind die Ozonschicht über der Arktis, damit haben wir angefangen. Dann aber auch die Erwärmung und die sogenannte Versauerung des Ozeans. Dadurch, dass mehr CO2 in der Atmosphäre ist, gelangt das auch in den Ozean und ändert damit die Lebensbedingungen für die Fische, für das Plankton, für die Lebewesen dort. Und das beobachten wir und versuchen zu verstehen, wie die Prozesse sind, die sich dann auf das Leben in der Arktis auswirken."
Frostige Bedingungen in der Arktis
Die Forschungsstation selbst ist winzig – ein blaues Holzhaus mit rotem Dach. Im Winter leben dort drei Menschen, im Sommer sind es fünf. Sie alle müssen sich bei ihrer Arbeit den harschen Bedingungen der Arktis anpassen. Bis Ende Mai liegt Schnee, selbst im Hochsommer bleiben die Temperaturen einstellig. Und direkt vor den Toren Ny-Alesunds beginnt die Wildnis.
"Wir sind im Eisbärenland. Der König der Arktis ist also dort in seinem Reich und da müssen wir, wenn wir rausfahren, immer Rücksicht drauf nehmen. Die Eisbären haben sozusagen Vorfahrt. Wenn wir einem begegnen, was glücklicherweise eher selten der Fall ist, dann ist das oberste Prinzip ausweichen", sagt Roland Neuber.
"Eisbären haben Vorfahrt"
Immer mal wieder kommt es vor, dass Eisbären zwischen den Häusern von Ny-Alesund umherstreifen. Dann greift die Polizei ein und vertreibt die Tiere. Die Koldewey-Station liegt nur etwa 1.200 Kilometer südlich des Nordpols. Seit 2003 wird sie von deutschen und französischen Forschern gemeinsam betrieben und trägt den Namen AWIPEV. Immer häufiger stoßen die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit im hohen Norden auf Zeichen des Klimawandels. So beobachten die Forscher einen massiven Rückgang der Gletscher auf Spitzbergen. Gleichzeitig zieht sich das Meereis zurück und immer mehr Tiere und Pflanzen aus südlicheren Regionen wandern in die Gewässer um Ny-Alesund ein und verdrängen die angestammten Arten.
"Eines der deutlichen Signale ist halt, dass es im Winter regnen kann, was dann dazu führt, dass der Boden, der ja permanent gefroren ist, sich mit einer Eisschicht bedeckt und das macht es furchtbar schwer für Mensch und Tier sich dann darauf zu bewegen."
Für die Menschen sei das nicht schlimm, sagt Roland Neuber. Er und seine Kollegen behelfen sich mit Spikes unter den Schuhen. Sorgen macht er sich dagegen um die Tiere auf Spitzbergen.
"Die Rentiere haben es dann da oft sehr viel schwerer, weil sie nicht mehr an die Grasnarbe kommen, die sie früher einfach durch Wegkratzen des Schnees erreicht haben. Wenn sich da eine zentimeterdicke Eisschicht bildet, weil es eben im Dezember geregnet hat, und zwar relativ viel, dann kommen die da nicht mehr dran, und wir haben nach solchen Wintern dann auch eine Reduktion der Rentierpopulation beobachten müssen."
Zauber auf Spitzbergen
Trotzdem entfalte der Winter mit seinen endlosen dunklen Tagen immer noch einen Zauber auf Spitzbergen, meint Roland Neuber.
"Es ist einfach eine wirklich sehr schöne Zeit, weil die Dunkelheit gar nicht so dunkel ist, wie man sich das hier vielleicht vorstellen mag."