25 Jahre Mauerfall: Friede, Freude, Fragezeichen
Darüber diskutiert Klaus Pokatzky heute von 9:05 Uhr bis 11:00 Uhr mit Marianne Birthler und Michael Stürmer. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen und Fragen stellen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.
Wie weit sind wir mit der Einheit?
Vor 25 Jahren öffnete sich die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin. Welche Bilder hatten wir damals voneinander? Wie haben sich die Menschen seither zusammengerauft? Das fragen wir die Bürgerrechtlerin Marianne Birthler und den Historiker Michael Stürmer.
Deutschland feiert den 25. Jahrestag des Mauerfalls. Viele werden sich noch gut an diese unglaubliche Nacht erinnern, aber auch an die aufregenden Wochen der "friedlichen Revolution".
"Es gibt einen Satz von Lenin: Revolutionen entstehen, wenn die oben nicht mehr können, und die unten nicht mehr wollen", sagt Marianne Birthler. "Und ich glaube, diese Situation hatten wir auch in der DDR." Die ehemalige Bürgerrechtlerin, Politikerin von Bündnis 90 / Die Grünen – und zuletzt Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – erinnert sich deutlich an den Herbst 1989: "Es war eine Mischung aus Erwartung und Befürchtung. Es war für die, die aufmerksam genug waren, schon deutlich, es läuft irgendwie auf eine Veränderung hinaus."
Sie engagierte sich damals in der kirchlichen Opposition und gehörte zu den Rednern der legendären Demonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz. Einer ihrer Lieblingssprüche stammt von Sören Kierkegard: "Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden." Erinnern heißt für sie auch, die Gegenwart besser verstehen und gestalten zu können:
"Die Ereignisse von damals sind mir sehr gegenwärtig, gerade vor dem Hintergrund dessen, was sich gegenwärtig in der Ukraine abspielt. Ich empfinde eine große Dankbarkeit dafür, dass wir eine Diktatur hinter uns gelassen haben, ohne dass es Menschenleben gekostet hat."
Der Mauerfall, ein Epocheneinschnitt
"Der Fall der Berliner Mauer war ein Epocheneinschnitt, der sich lange vorbereitet hatte", sagt der Historiker Michael Stürmer, damals Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik und der politische Berater von Helmut Kohl. Bei aller Freude über den Mauerfall ist 1989 für ihn der "Höhepunkt der größten und gefährlichsten Ost-West-Krise seit 1945". Der heutige Chefkorrespondent der Zeitung "Die Welt" gehörte zu den geheimen "Schäuble-Runden", in denen ein ausgewählter Beraterkreis rund um den damaligen Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble diskutierte, wie man mit der immer maroderen DDR umgehen und sich auf eine mögliche Wiedervereinigung vorbereiten könne.
Der Mauerfall habe in der Luft gelegen, schon länger sei klar gewesen, dass die Sowjetunion kein Geld mehr hatte, um die DDR weiter am Leben zu erhalten, "sie mussten sie abstoßen." Alle hätten den Atem angehalten:
"Das war ja eine Pilgerschaft nach Westen. Und das hat man alles beobachtet und sich gefragt: 'Wie kanalisiert man so etwas in völkerrechtlicher und staatsrechtlicher Form, das absolut nicht vorgesehen war?' Das war undenkbar, dass Menschen in Massen oder auch nur einzeln die Sektoren- oder die Zonengrenze überschritten. Aber das taten sie jetzt – und niemand schoss! Das war die eigentliche Herausforderung."
Die nächste Herausforderung folgte auf dem Fuß: Die Wiedervereinigung.